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Im Pastificio Sapori: Paola ist fertig mit den Anolini di Parma. Alle Bilder: Internaut

Paolas Pasta, Pizza pazza und der Po

Andreas Güntert

Abseits vom Centro Storico wandern wir durchs Turiner Viertel Borgo Nuovo. Hier schlemmen wir Pasta und tricksen die Pizza-Polizei aus.

Turin Centro – damit ist meist das klassische Centro Storico gemeint, mit Piazzi, Palazzi und Arkaden. Heute aber stechen wir in einen anderen Teil von Torino Centro, ins Viertel Borgo Nuovo. Nach der Ankunft mit dem Zug am Turiner Bahnhof Porta Nuova sind es nur ein paar Schritte bis zu unserer Starken Strecke: Via Giuseppe Mazzini.

Ein Kaffeestopp

Für all jene Menschen (der Internaut gehört dazu), die kurz nach dem Ankommen auf italienischer Erde einen Caffè brauchen: Hier zum ersten Kaffeestopp. Das Lab Mazzini liegt am Anfang der Via Mazzini. Draussen sitzen ist hier besonders reizvoll am Morgen, wenn die Sonne ihr Buongiorno-Schattenspiel aufführt.

Turin Centro Borgo Nuovo: Ein früher Caffè am Schatten. Und später dann der Gang ins Licht.

Noch eine Kaffeepause

Etwas weiter unten an dieser Strasse schon deutlich näher beim Fluss Po, mag ich meinen Espresso Doppio im Caffè al 28. Ja, das ist auch gleich die Strassennummer der Via Giuseppe Mazzini. Eine Espressobar mit viel Geplauder, viel Lärm, viel Italien. Die Lage: Angrenzend an eine spannende Querstrasse, die Du Dir merken solltest.

Starke Strecke Turin Via Giuseppe Mazzini: Kaffeehalt im belebten Teil der Strasse.

Fast ganz unten am Po siedelt die ehemalige Anwältin Vanessa mit ihrem Shop CPH Remix. Das City-Kürzel im Namen verrät schon ein bisschen etwas. CPH, Flugreisende wissen es, ist der IATA-Flughafencode für Kopenhagen. Und so pflegt CPH Remix den lässigen nordischen Modestil, der ebenso alltags- wie auch festtauglich ist.

Kleiner Laden, grosse Passion: Ein Mix aus Kopenhagen und Italia. Oder genauer: Ein Remix.

Bei Vanessa in Turin sind die zeitlosen Basics im Scandi-Style vielleicht eine Prise farbiger als im hohen Norden. Egal. Bei CPH Remix geht es darum, mit nordischer Fashion in Norditalien bella figura zu machen. Und dieser Mix – oder Remix – gelingt hier ganz gut.

Pasta-Himmel auf Kartonteller

Macht ein Leben ohne Pasta Sinn? Ich bezweifle es stark. Woran es jedoch keinen Zweifel gibt: An der Via Giuseppe Mazzini gibt es tolle Pasta. Zum einen in den vielen Restaurants an unserer Starken Stecke. Und zum anderen in einem unscheinbaren Laden namens Pastificio Sapori, den man glatt übersehen könnte.

Pastifico Sapori Torino: Leicht zu übersehen, schwer zu vergessen.

Im Pastificio Sapori werden täglich frische Teigwaren zubereitet, hausgemacht und in Handarbeit: Fagottini, Cappelloni, Ravioli, Anolini, you name it. Das allein wäre schon mal schön und gut. Was aber richtig gut und richtig schön ist: Im Lokal stehen auch ein paar Tische und Stühle bereit.

Volle Konzentration für den nächsten Pasta-Schmaus: Paola bereitet Anolini di Parma vor.

Was bedeutet: Zwischen 10 und 19.30 Uhr kann man sich hier frische Pasta und Sauce aussuchen – und erhält diese dann freschissima vorgesetzt. Dies in völlig unaufgeregtem Ambiente, die Pasta wird im Kartonteller serviert, basta. Wer draussen vorbeigeht, kann Paola oder einer anderen guten Pasta-Seele durchs Schaufenster bei der Arbeit zuschauen. Und vielleicht den einen oder anderen Teigwaren-Trick abluchsen.

Auf meinem Kartonteller landen Agnolotti Cavour, piemontesische Teigtäschchen, gefüllt mit Kalbfleisch, Spinat und Muskatnuss. Eine kleine Pasta-Offenbarung, einfach mal so in der Mittagspause verdrückt. Mit 14 Euro – inklusive Mineralwasser und Espresso – vielleicht nicht das billigste Essen an dieser Strasse. Aber ein sehr gutes.

Verrückte Pizza, anyone?

Die italienische Esskultur erfahre ich bisweilen als eine recht strenge Sache. Welche Sauce zu welcher Pasta, wie ein Pizzateig beschaffen sein muss, welche Abfolge gilt zu Tische – eine Menge ungeschriebener Gesetze regulieren die lustvolle Nahrungsaufnahme.

Aber es gibt auch Leute, die den Code hacken. Was uns zum Lokal Sestogusto bringt, wo ein Pizza-Autodidakt namens Massimiliano Prete vieles macht, das die Pizza-Polizei wohl verbieten würde. Dies gleich neben der imposanten Chiesa di San Massimo an der Via Giuseppe Mazzini.

Kreatives Pizza-Labor an der Via Giuseppe Mazzini: Sestogusto.

Darf man auf einer Pizza Sardellen und spanischen Chorizo auflegen? Dürfen Pistazien und Avocados auf die teigige Scheibe? Darf man eine Pizza mit Kürbis-Crème, Spinat und Schafskäse auftischen?

Ich habe einiges davon probiert und finde: Ja, man darf. Und würde an dieser Stelle den Besuch dieses Pizza-Labors empfehlen. Eine Stellungnahme der Pizza-Polizei steht bis zur Stunde noch aus. Aktenzeichen: Pizza pazza, verrückte Pizza.

Ein Souvenir aus Turin

Norditalien ist eine Hochburg der Zuckerbäcker. Und klar, auch Schokolade – Nutella, Gianduja, Baci lassen grüssen – gehört zu den Kernkompetenzen des Piemont. Also wollen wir die lieben Daheimgebliebenen mit einem kleinen Stückli Schoggi erfreuen.

Souvenir aus Torino: Piemontesische Schokolade, hier am Ufer des Po aufgereiht.

Zunächst wollte man uns in der Cioccolateria Toc – das steht für «Torte e Ciocciolato» auf ein Gianduja Mitbringsel einschwören. Was aber oft schon auf der Rückreise schmilzt. Da schien uns eine Mini-Tafel Schokolade mit Maxi-Nussbesatz sicherer. Herzhaft schmackhaft. Preis: 3.50 Euro.

Eine Piazza

Eine vernünftige Piazza, für das kleine und auch mal sehr private Treffen, mit ein paar Tischchen, Lichtern und einem Denkmal: Gehört zur Möblierung jeder italienischen Stadt. An der Via Giuseppe Mazzini wird sogar sehr grosszügig möbliert.

Piazza Giambattista Bodoni. Beschreiben ist gut. Beschreiten ist besser.

Mit der Piazza Giambattista Bodoni verfügt unsere Starke Strecke über einen richtig imposanten Hauptplatz. Ein Zentrum im Centro, quasi. Besonders schön am Abend, wenn die Lichter angehen und man über die grosse Piazza schreiten kann. Vielleicht allein, vielleicht zu zweit. Oder vielleicht heute noch allein und bald zu zweit.

Borgo Nuovo Turin, die Anreise

Unsere Starke Strecke Via Giuseppe Mazzini ist vom Turiner Hauptbahnhof Porta Nuova her zu Fuss in zehn Minuten zu erreichen. Einfach immer hübsch in Richtung Po gehen, dann klappt das schon mit dem Viertel Borgo Nuovo (Borgh Neuv auf Piemontesisch), das im südöstlichen Teil des Centro storico di Torino liegt.

Torino Centro, Borgo Nuovo: Die Via Giuseppe Mazzini läuft vom Turiner Bahnhof Porta Nuova bis hinunter zum Fiume Po.

Per Tram oder Bus sind es ein paar Minuten weniger, zum Beispiel per Tram Nummer 9 bis zur Station D’Azeglio. Bei der Strassenbahn bitte nicht erschrecken. Das Rollmaterial, das molto museal aussieht, funktioniert immer noch zuverlässig. Oder fast immer.

Turin Centro Stadtplan: mittendrin in Torino. Bild: Google Maps

Sehenswürdigkeiten in der Nähe des Borgo Nuovo

Wenn eine Strasse schon mal so schön schnurgerade bis zum Fiume Po hinunter führt, sollte man dem Fluss nicht den Rücken zukehren. Sondern ihn besuchen. Umarmen. Am Po unten ist immer etwas los. Entweder am Ufer – oder dann auf dem Fluss selber. Für mich ist der Fiume Po eine der grossen Sehenswürdigkeiten von Torino.

Der Po in Turin: Alles im Fluss, hier Bambini beim betreuten Rudern.

Mal werden Kanuten von der Flusspromenade her angefeuert, mal üben sich Bambini im betreuten Rudern, mal kreuzt ein Spassboot auf. Am besten wirst Du gleich selber aktiv: Mit diesen zwei Touren kannst Du den Fluss Po in Turin auf einfache Weise erkunden.

Per Überquerung des Corso Vittorio Emanuele II gelangen wir von Turin Centro Borgo Nuovo ins etwas rauere Nachbarviertel San Salvario. Dort findet von Montag bis Samstag täglich der Mercato di Piazza Madama Cristina statt. Und das seit 1876. Das Gute an diesem Markt ist unter anderem seine Wettersicherheit.

Mercato di Piazza Madama Cristina: Üppige Warenauslage unter schützendem Dach.

Der Mercato ist überdacht, und das gleich auf zwei Strassenseiten. Auf der einen Seite der Via Madama Cristina siedeln Stände mit Lebensmitteln aller Art. Auf der anderen Strassenseite, auch überdacht, wird all das verkauft, was man nicht essen, aber immer brauchen kann.

Auf der Nonfood-Seite des Marktes: Viel Brainfood im Angebot. Und ein paar hübsche Cafes gleich dahinter.

Nach so viel Stadtrummel tut etwas Grünraum und ein wenig Ausruhen gut. Die Torinesi, die im Borgo Nuovo wohnen oder arbeiten, schätzen für ihre Calma-Time den Parco San Valentino am Po unten. Oder den etwas ruhigeren Giardino Aiuola Balbo.

Mach mal Pause, schnauf mal durch. Und wirf Wellen. Im Giardino Aiuola Balbo in Turin.

Der Giardino Aiuola Balbo ist kein Central Park und kein Hyde Park – aber immerhin eine grössere grüne Fläche mit Baumbestand. Ebenfalls Teil dieses Parks, der mitten im Quartier liegt: Eine mittelgrosse Wasserfläche plus Piccolo Springbrunnen.

Kannst Du Dich noch erinnern an unseren zweiten Kaffeestop in der Espressobar Caffè al 28 und an die Via Accademia Albertina, aka AA? Va bene. Wenn Du dieser Strasse, vorbei am Giardino Aiuola Balbo, in Richtung Centro Storico folgst, erreichst Du bald schon die famose und arkadengesäumte Via Po.

Da reckt sie sich in den Turiner Himmel: Die Mole Antonelliana, Wahrzeichen von Torino.

Wenn Du die Via Po überquerst und in gerader Richtung weitergehst, solltest Du an der Ecke Via Gioachino Rossini und Via Gaudenzio Ferrari kurz innehalten und Dein Smartphone zücken. Noch ein paar Schritte weiter die Via Gaudenzio Ferrari hinunter – und Du kannst ein Bild vom Turiner Wahrzeichen Mole Antonelliana schiessen, das ich jetzt einfach mal so qualifizieren würde: Molto instagrammable.

Zum Schluss noch eine Empfehlung dello Chef: Wenn Du schon mal in Turin an der Strasse des Giuseppe Mazzini bist, solltest Du auch den anderen Strassen-Giuseppe nicht vergessen: Die Starke Strecke Torino Giuseppe Barbaroux liegt ganz in der Nähe. Oder etwas konkreter: Vom Sesto Gusto dauert der Verdauungsspaziergang rund 20 Minuten.