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Kuba mit dem Mietauto zu entdecken ist grundsätzlich eine wunderbare Idee. Man kommt näher ran ans kubanische Leben, nur schon weil man hie und da wird fragen müssen, wo es lang geht. Bilder: Daniel Gerber

Unterwegs im Mietauto auf Kuba – in Zeiten von Benzinmangel

Daniel Gerber

«Así es la vida en Cuba» schreibt unser Autor nach 23 Tagen und 2867 Kilometern über holprige kubanische Strassen und dem Bangen nach dem nächsten Tropfen im Tank.

Benzin ist in Kuba Mangelware. Vor den wenigen Tankstellen, an denen es Treibstoff gibt, stauen sich in langen Kolonnen die Fahrzeuge der Kubaner. Offensichtlich geht die Regierung davon aus, dass geduldiges Warten unter brühender Sonne keine Kernkompetenz der Mietauto-Reisenden ist. Darum gibt es speziell bezeichnete «Touristen-Tankstellen». Allerdings sind diese dünn gesät, oft nicht einfach zu finden und die Verfügbarkeit von Benzin ist nicht garantiert. Zusätzliche Spannung also für die Mietautofahrt von Havanna nach Guantánamo.

Kuba mit dem Mietauto zu entdecken ist grundsätzlich eine wunderbare Idee. Man kommt näher ran ans kubanische Leben, nur schon weil man hie und da wird fragen müssen, wo es lang geht. Zudem muss man praktisch zum Teil-Kubaner konvertieren, um die spezielle Art, wie Strassenverkehr in Kuba geht, aushalten oder gar geniessen zu können. Es gibt viele Anbieter von Mietautos für das Karibik-Land. Dabei handelt es sich jedoch nur um Vermittler, denn die kubanischen Mietwagen werden von wenigen staatlichen Unternehmungen bereitgestellt.

Findet man nun beim Konkurrenzvergleich Offerten, die viel günstiger sind, als der Durchschnitt und zudem behaupten, dass sie die Autos sofort zusagen können und nur 5-Stern-Kommentare aufweisen, dann sollte man vorsichtig werden. Denn «sofort» ist nicht unbedingt typisch für Kuba, wohingegen es der eine oder andere notendrückende Problemfall schon eher wäre. Ratsam ist es deshalb, auf Vermittler zu setzen, die seit mehreren Jahren in Kuba tätig sind, etliche neue Bewertungen aufweisen und allenfalls über ein eigenes Office in Havanna verfügen.

Km 75'338: Ein gutes Auto - für kubanische Verhältniss

Wenn man den Terminal 3 des internationalen Flughafens José Martí in Havanna verlässt, muss man praktisch nur über die Strasse laufen, um die Bungalow-Anlage der namhaften kubanischen Autovermieter zu betreten. Es ist offensichtlich weniger los, als früher. Bei «Via-Rent» können praktisch ohne Wartezeit Voucher, Fahrausweis und Kreditkarte präsentiert werden. Eine freundliche Dame überträgt die Daten auf Pauspapier mit mehrfarbigen Folgeseiten, obwohl auch Computer und Drucker im Büro stehen. Möglicherweise sind Tintenpatronen, Druckerpapier oder Ersatzteile für Bürogeräte gerade Mangelware. Im Vertrag mit umfangreichem Kleingedrucktem ist eine relativ umfassende Versicherung inbegriffen. Es bestehen jedoch Ausschlüsse, die ergänzend über eine Reiseversicherung abgedeckt werden könnten.

Dann kommt der grosse Moment – mit dem kleinen Auto, das auf dem Parkplatz wartet. Der weisse Hyundai Grand i10, Modelljahr 2016, gehört in die Kategorie «Economico». Für einen Kleinwagen spricht der Verbrauch, aber auch die Parkiermöglichkeiten, die insbesondere auf Privatgrundstücken oft nicht sehr ausladend sind.

Dass das Wägelchen schon einiges erlebt hat, zeigen diverse Flecken auf den Polstern und angerissene Teppiche. Die Sorgen um neue Lackschäden bleiben klein, denn der übergebende Assistent zeichnet so viele bestehende Kratzer und Beulen auf dem Übergabeformular ein, dass neue eigentlich gar keinen Platz mehr haben.

Der in die Jahre gekommene Hyundai Grand i10 tat seien Dienst.

Der leicht schrullig wirkende Wegbegleiter, der auch bei der kubanischen Polizei im Einsatz steht, schluckt relativ problemlos zwei 23-Kilo-Koffer, springt problemlos an und lässt sich unkompliziert bedienen. Weit geht die erste Ausfahrt nicht, denn der empfindliche Wagenlenker merkt bald, dass der Hyundai nach rechts zieht. Die sogleich angebrachte Reklamation quittiert der sachkundige Angestellte des Vermieters mit einem breiten Schmunzeln und meint: «Bleiben sie entspannt – für kubanische Verhältnisse ist das ein gutes Auto!»

Km 75'580: Der erste Tankversuch scheitert

Die ersten Tage dienen der Angewöhnung ans Auto und an die kubanischen Verkehrssitten. Hierbei geht es vor allem darum, umsichtig und vorausschauend zu sein. Grundsätzlich fahren kubanische Fahrzeuglenker vorsichtig und schützen so ihr wertvolles Eigentum. Autos werden in Kuba nämlich teurer verkauft als bei uns, denn der Staat schöpft hohe Zölle ab. Die gefahrenen Geschwindigkeiten sind nicht hoch. Das ist ein Tribut an die oft miserablen Strassen und hilft unnötige Schäden am Fahrzeug zu vermeiden.

Mit erheblichen Schlaglöchern hat man auf Kuba als Mietwagen-Tourist zu kämpfen.

Ersatzteile sind oft nicht (mehr) oder nur sehr schwer zu bekommen, weshalb es nicht erstaunt, dass Blinker und Lichter oft nicht funktionieren. So erfordern Fahrten in der Nacht zusätzliche Aufmerksamkeit, zumal Strassenbeleuchtungen eher selten sind, genauso wie Markierungen auf den Strassenflächen.

So wird die nächtliche Suche nach der einzigen Touristen-Tankstelle in der 2-Millionen-Metropole Havanna zum Orientierungslauf, der nur dank der Offline-Nutzung von Google Maps erfolgreich zu bewältigen ist. Eigentlich ist die Mitnahme von Navigationsgeräten verboten – aber zumindest als Mobile-App dringend zu empfehlen. Die nicht sehr zentral gelegene Zapfsäule liegt in verdächtigem Dunkel. Die Erklärung ist einfach: es gibt kein Benzin. Es komme morgen, meint ein Angestellter. Wann? Das wisse er nicht.

So wird der kommende Tag für einen Kombiausflug eingesetzt. Die zweite Touristen-Tankstelle findet sich in Guanabo, etwa 25 Kilometer ausserhalb von Havanna, an der Via Blanca in Richtung Varadero. In dieser Gegend laden die durchaus reizvollen Playas de Este zum Bad und Sonne tanken. Nach dem Strandtag warten vor der Tankstelle weit mehr als 20 der zumeist weissen Mietautos auf Treibstoff. Ein feines Nachtessen im nahe gelegenen «Restaurant 421» lässt zwei Stunden angenehm vergehen – und die Warteschlange auf acht Autos schrumpfen. Nach knapp 40 Minuten zeigt die Tankanzeige ein beruhigendes «full».

Km 75'751: Vorausschauende Planung

Für eine Kubareise ist es ratsam, das Kostüm des pingeligen Schweizers auszuziehen. Die Tugend der Vorausplanung kann natürlich trotzdem sinnvoll sein. Obwohl die Reise Richtung Occidente erst am übernächsten Tag starten soll, zieht es den (Über-)Vorsichtigen zum Nachfüllen an die Tanke an der Calle 41. Dieses Mal wartet eine unübersehbare Autokolonne, die noch viel eindrücklicher wird, weil sie sich zwei Mal rechtwinklig in die nächste Strasse verlängert. Auffällig ist allerdings, dass niemand am Tanken ist. Die diesbezügliche Nachfrage ergibt, dass das Benzin zwar seit Stunden angekündigt, aber noch nicht geliefert worden sei.

Da steht man dann vor der Wahl weit hinten mitzuhoffen oder die gut 25 Kilometer zur schon bekannten Tankstelle in Guanabo unter die Räder zu nehmen. Variante 2 gewinnt, bringt allerdings den Nachteil einer Nachtfahrt über unbeleuchtete Strassen ohne Warnungen vor Strassenlöchern.

Nächtliches Anstehen vor der Tankstelle.

Aber auch hierfür gibt es zwei Varianten: entweder versucht man selber schleichend den Strassenverlauf zu erahnen oder man hängt sich einem Streckenkenner an und versucht mit starrem Blick auf die Rücklichter des Vorauseilenden die Kurvenfahrt um die Unebenheiten nachzuvollziehen.

Km 76'189: Der Zufall hilft

Die Fahrt nach Guantánamo beginnt auf einer richtungsgetrennten, je vierspurigen Autobahn. Das Verkehrsaufkommen ist spärlich, was es problemlos ermöglicht, die jeweils bestaussehende Spur zu wählen. Die überdimensioniert wirkende Autopiste ähnelt dank Reparaturversuchen einem Flickenteppich, der aber auch immer mal wieder ein veritables Loch bereithält. Entspanntes Fahren geht anders – oder positiv ausgedrückt: es wird nie langweilig. Irgendwann ist es vorbei mit richtungsgetrennt, weil nur noch die bessere der beiden Fahrbahnhälften genutzt wird und sich die andere im Grün verliert. Vor Jatiboico ist dann ganz fertig mit der «autopista national». Man fährt danach auf einer zweispurigen mal besseren, mal schlechteren Landstrasse Richtung Osten.

Aus dem Eingangskreisel vor Ciego de Avila erspäht das wachsame Auge eine Tankstelle, an der nur wenige Autos anstehen. Man kann ja mal fragen gehen. Es ergibt sich, dass Benzin vorhanden ist und pro Mietauto 10 Liter Benzin zu ergattern wären. Man muss die Mietwagen-Vertragsnummer vorweisen, die dann vom Mann am Schalter handschriftlich in eine Art Logbuch eingetragen wird. Als Quittung gibt es ein Zettelchen, aufgrund dessen der Tanksäulen-Verantwortliche dann das 10 Liter-Kontingent freischaltet. Der Tank ist zu mehr als drei Viertel voll.

Eine eindrückliche Erfahrung: im Mietwagen durch Kuba.

Auf der holprigen Fahrt über die vielen Querrinnen der «carretera central» in Richtung Camagüey sind mehr oder weniger Regentropfen treue Reisebegleiter. Ein eindrücklicher Wolkenbruch lässt es zwischenzeitlich ratsam erscheinen für einige Minuten zu stoppen. Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass der kleine Hyundai - zumindest auf der Fahrerseite - einen recht gut arbeitenden Scheibenwischer hat. Das ist allerdings auch dringend nötig, weil im Regen die Strassenverhältnisse noch schwieriger zu lesen sind. Schlecht abfliessende Drainagen tun ein übriges, dass der Hyundai recht bald zum Aufschwimmen neigt. Die chinesischen «Linglong»-Reifen gehören zweifellos nicht zu den Seriensiegern in Sachen Aquaplaining.

Km 76'310: In den Tank wiegen

In der zweitgrössten kubanischen Stadt, Camagüey, liegt die Mietwagen-Tankstelle gut erreichbar an der Hauptstrasse, die in den Osten führt. Auch hier verläuft die Benzinverkostung fürs Auto recht flüssig. Merke, man hat sich zwischenzeitlich schon ziemlich dem kubanischen Zeitgefühl angeglichen. Als kleine Beschaffungsnuance muss man sich das Berechtigungszettelchen für 20 Liter in einem Häuschen auf der gegenüberliegenden Strassenseite holen.

Beim Tanken blockiert dann der Zapfhahn bereits nach 17 Litern. Gut hat man beim vorher Tankenden gesehen, dass durch Wiegebewegungen des Autos ein Tank auch mehr als voll gefüllt werden kann. Mit etwas Geduld können so auch die restlichen drei Liter bis auf den letzten Tropfen in den Benzinbehälter reingewiegt werden.

Km 76'657: Benzin mit Gottes Hilfe

Es gibt keine App, die aufzeigt, wo in Kuba die Tankstellen für die Mietautos zu finden sind. Taktisch schlau ist es da, wie in Santiago de Cuba, zielbewusst auf ein grosses Touristenhotel zuzusteuern. Tatsächlich weiss die Receptionistin vom Melia-Hotel «Santiago», dass das Bewilligungszettelchen fürs Benzin in der direkt angrenzenden Mietautostation zu holen ist. Um 17:04 Uhr ist diese aber schon geschlossen. Ein hilfsbereiter Angestellter informiert, dass die Mietauto-Station beim nächsten Hotel 24 Stunden durchgehend geöffnet habe. Der dortige Verantwortliche zeigt allerdings klischeemässige Beamtenmentalität und meint, man solle zurück zur anderen Station gehen. Auf den Einwand, dass diese schon geschlossen sei, meint er lakonisch: «Dein Problem, du bist halt beim falschen Autovermieter».

Mit leerem Tank würde man nun wohl zwangsweise eine Nacht in Santiago verbringen müssen, was an sich keine Katastrophe wäre, denn die Stadt ist interessant und sehenswert. Aber möchte man das Tagesziel erreichen, so bräuchte es jetzt ein Wunder.

Und dieses Wunder steht wie zufällig vor dem Mietauto-Büro. Joshua, so heisst der 50-jährige, aber viel jünger aussehende Einheimische, zückt sein Handy und macht zwei Anrufe. Dann strahlt er breit übers ganze Gesicht.

Joshua hilft den Touristen aus der Patsche.

Er begleitet die Benzinsucher zur Gaviota-Zentrale in der Vorstadt, wo es völlig unproblematisch Kontingent-Zettelchen gibt. Wie viele Kubaner ist Joshua ein Adventist. Nicht sektiererisch, sondern mit verschmitztem Humor, rezitiert er auf der Fahrt zur weit entfernten Tankstelle Bibelverse über Mann und Frau und deren Beziehung. «Con la ayuda de Dios» gibt es 10 Liter Benzin und für Joshua, der nichts begehrt, 5 Dollar. Das entspricht einem Sechstel von einem Monatslohn.

Km 76'773: Einfach geht auch

Die Richtungshinweise sind in Kuba eher spärlich gesetzt. Da kann es schon passieren, dass man im guten Schuss eine nicht ausgeschilderte, unscheinbare Rechtsabzweigung verpasst. Erst Kilometer später kommen Zweifel auf, weil der fehlende Strassenbelag und die überreichlich vorhandenen Löcher zur drastischen Temporeduktion auf Schritttempo zwingen. Google Maps macht jedoch Hoffnung auf eine Wiedervereinigung mit der richtigen Strasse. Der Umweg bringt tolle Farben in der Abendsonne und wie aus dem nichts eine topfebene, neu gebaute Autostrasse.

Aus dem Nichts tauche eine Strasse in bestem Zustand auf.

Ähnlich gross ist auch die Überraschung, als vor Guantánamo eine kilometerlange sechsspurige und richtungsgetrennte Autopiste das Fahren fast schon zum Vergnügen werden lässt. Allerdings rächt sich nachlassende Aufmerksamkeit auch hier, weil der Zahn der Zeit auch auf dieser grosszügigen Piste in unregelmässigen Abständen einige Unebenheiten eingefressen hat.

Auch in Guantánamo ist es kein Fehler, wenn man einige Brocken Spanisch kann, weil die Lage der Touristentankstelle erfragt werden muss. Wie so oft zeigt es sich, dass Kubaner gerne helfen, wobei der Dialekt am östlichen Ende der Insel nicht ganz einfach zu verstehen ist. An der Tankstelle darf dann gestaunt werden, denn hier fährt man ohne Wartezeit einfach an die Tanksäule mit dem «Espécial» und kriegt ohne jedwelche Administration 10 Liter. Zahlen muss man 300 CUP. Das entspricht zum offiziellen Wechselkurs gerechnet einem Preis von Fr. 2.50. Zum Strassenkurs gewechselt zahlt man Fr. 1.60. Für die ganzen 10 Liter! Und das ist der administrierte Preis an allen offiziellen Tankstellen!

Km 78'205: Bye, bye, Hyundai

Fast ein wenig wehmütig erfolgt nach 23 Tagen (für gut 2000 Franken) der Abschied vom kleinen Hyundai. Über 2867 Kilometern ist er ein problemloser Reisebegleiter gewesen. Mit dem 40-Liter-Tank und einem Durchschnittsverbrauch von weniger als 6 Liter pro 100 Kilometer ergibt sich eine Reichweite von gut 600 Kilometern. Wird vorausschauend immer mal wieder eine Touristen-Tankstelle angefahren, so ist die Benzin-Knappheit eigentlich kein Problem. Klar, es braucht hie und da Ausdauer beim Suchen oder Geduld beim Warten, aber «así es la vida en Cuba»!