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An der Australian Tourism Exchange (ATE) in der ostaustralischen Stadt Gold Coast trafen 623 internationle Reiseeinkäufer auf 2300 Anbieter. Bild: Tourism Australia

«Australien wird zu teuer»

Urs Wälterlin, Gold Coast

Die Nachfrage nach Australien sei zwar gross, meldeten Einkäuferinnen und Einkäufer an der jüngsten Australien Tourism Exchange (ATE). Aber drastisch gestiegene Preise drückten in der Stadt Gold Coast auf die Stimmung.

Die australische Tourismusindustrie ist nach Covid-19 «back in Business» – doch die Rückkehr zur Normalität wird dauern. So lautet ist das Fazit der Australian Tourism Exchange (ATE) in der ostaustralischen Stadt Gold Coast. Zum ersten Mal nach dem Ausbruch von Covid konnte die Tourismusmesse wieder im gewohnten Format stattfinden. Über fünf Tage hielten im Kongresszentrum 2300 Anbieter insgesamt 45'000 15-minütige Treffen mit 623 Einkäufern aus 32 Ländern ab. Fünf Delegierte aus der Schweiz waren vertreten.

«Die Erholung ist auf gutem Wege», fasste Phillipa Harrison die Situation zusammen, Managing Director von Tourism Australia (TA). Trotz jüngster Rückschläge wie dem Krieg in Ukraine und steigender Inflation zeigt die Grafik der Ankünfte seit vergangenem Jahr stetig nach oben. In den 12 Monaten bis Ende Februar waren insgesamt 4,5 Millionen Menschen nach Downunder gereist. Verglichen mit dem Jahr vor dem Beginn der Covid-Pandemie 2019 entspricht das einem Rückgang von 51 Prozent, im Vergleich zu den 12 Monaten bis Januar 2022 dagegen einem Anstieg von 1142 Prozent. Die meisten Besucher kamen, um Ferien zu machen. Den zweitgrössten Anteil am Gästevolumen stellten jene, die Familienangehörige oder Freunde zu besuchten.  Im Februar reisten 4340 Schweizerinnen und Schweizer nach Australien, oder 29’430 im Jahr. Im Jahr vor Februar 2019 waren es 57’600. Der typische Australienreisende bleibt 37 Nächte im Land.

«Die Erholung ist auf gutem Wege», sagte Phillipa Harrison, Managing Director von Tourism Australia, während der ATE 23. Bild: UW

Harrison blickt mit gehaltenem Optimismus in die Zukunft. Untersuchungen zeigten, vor allem das Luxussegment könne davon profitieren, dass Gäste verstärkt Geld ins Reisen investieren wollten. «Die Zukunft für den Tourismus ist glänzend», so Harrison gegenüber den Medien, «aber wir werden hart darum kämpfen müssen».

Noch zu wenige Flüge

Ein echtes Problem für die Industrie ist die noch immer mangelhafte Versorgung mit Flugdiensten nach Australien. Die Schliessung der Grenzen zu Beginn der Pandemie und die temporäre Stilllegung von weltweit hunderttausenden von Flugzeugen haben bis heute schwerwiegende Folgen für ein Land, dessen Tourismusindustrie praktisch zu 100 Prozent von einem reichhaltigen und im Vergleich mit anderen Longhaul-Destinationen konkurrenzfähigen Angebot an Flügen angewiesen ist. Doch TA ist zuversichtlich. «Die internationale Luftfahrtkapazität nach Australien ist wieder im Aufschwung», so Harrison. Mit mehr Wettbewerb dürften bis im kommenden Jahr die Preise wieder fallen, hofft sie.

Die Frage ist allerdings, ob dasselbe auch für Inlanddienste gilt. Einmal mehr zeigt sich, dass im australischen Luftverkehr ein faktisches Duopol herrscht – dominiert von Qantas und Virgin Australia. Markführer Qantas hat die Pandemiejahre genutzt, um tausende von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu entlassen – teilweise illegal, wie Gewerkschaften derzeit vor Gericht klagen. Dieser Aderlass rächt sich jetzt: ob Piloten oder Gepäckabfertiger – überall fehlt es an Personal.

Das hat Folgen für das Angebot an Diensten auf verschiedenen Strecken, aber auch für die Qualität der Leistungen. Flugbegleiterinnen sind überarbeitet und frustriert, die Warteschlangen an den Check-Ins reichen zeitweise bis auf die Strasse. Gleichzeitig hat Qantas ihre dominierende Marktlage ausgenützt, um die Preise auf zum Teil astronomische Höhen zu katapultieren – und das trotz eines jüngsten Rekord-Unternehmensgewinns. «Wir bezahlen heute für einen Flug um bis zu 30 Prozent mehr als vor der Pandemie», klagt die Chefin eines Inbound-Dienstleisters, «falls wir überhaupt einen Dienst bekommen». Im vergangenen Oktober sei sie gezwungen gewesen, für eine Gruppe von Gästen aus der Schweiz für die Reise zwischen Ayers Rock (Uluru) und Adelaide ein Privatflugzeug zu chartern, weil es am Reisetag keinen regulären Liniendienst gab. «Der Preis war nur unwesentlich höher, als wenn ich mit Qantas hätte buchen können».

Deutlich gestiegenes Interesse

Viele Dienstleistungsträger freuten sich in Gold Coast über das «dramatisch gestiegene Interesse an unserem Produkt gerade von europäischen Einkäufern», wie Ben Neville von OffPiste Tours in Adelaide meinte, ein Anbieter hochwertiger Allrad- und Gourmettouren. Allerdings glaubt niemand, die Situation sei wieder wie vor der Pandemie. Nach mehr als drei Jahren befindet sich die Branche auch im Uluru-Kata-Tjuta-Nationalpark immer noch im «Erholungsmodus» heisst es aus dem Roten Zentrum. Aber es gebe positive Anzeichen dafür, dass sie zu ihrem früheren Ruhm zurückkehren werde, so Voyages Indigenous Tourism Australia.

Auch diese vielleicht ikonischste australische Destination profitiert weiter von einer starken Nachfrage heimischer Reisender. Die Tatsache, dass Australien die Grenzen über lange Zeit geschlossen hatte, liess das Interesse am Reisen im eigenen Land deutlich ansteigen. Geschäftsführer Matthew Cameron-Smith, der das Ayers Rock Resort in der Gemeinde Yulara leitet, glaubt, dass der heimische Markt weiterhin zum Anstieg der Nachfrage beiträgt. «In der vergangenen Woche sind unsere Buchungen im Vergleich zur Vorwoche um etwa 7 Prozent gestiegen, und das sind 24 Prozent mehr als im Vorjahr», sagte er. In den kommenden Monaten würden mehr Flüge nach Ayers Rock (Uluru) in das Streckennetz der großen Fluggesellschaften aufgenommen, so dass Zehntausende zusätzlicher Gäste die Möglichkeit haben könnte, den Ort zu besuchen. Vor allem kleinere Anbieter überlebten zwischen 2019 und 2022 wohl nur, weil sie ihre Plätze mit Australiern füllen konnten.

Während an der Messe relativ wenige neue Produkte zu sehen waren, zeigten sich viele Einkäufer beeindruckt vom erneuten Enthusiasmus und Zukunftsglauben der Anbieter. Für Roger Geissberger von Knecht Reisen ist die Nachfrage klar vorhanden. «Australien boomt», so der ATE-Veteran im Gespräch mit Travelnews. Die zum Teil drastisch gestiegenen Preise gaben allerdings vielen Delegierten zu denken. «Australien wird zu teuer», so auch Geissberger, einer der führenden Australien-Spezialisten der Schweiz. Er habe bei einigen Anbietern einen Preisanstieg von zwischen 20 und 30 Prozent festgestellt. Einen Teil dessen könne man «zwar noch über die Währung ausgleichen», meinte er. Langfristig aber manövriere sich Australien aufs Abstellgleis, weil vergleichbare Destinationen deutlich günstiger seien.

Elektro-Revolution im Outback

Die australische Reiseindustrie solle vermehrt auf Nachhaltigkeit, Rücksicht gegenüber Minderheiten und verbesserten Zugang für Behinderte achten. Diese Botschaft von Tourism-Australia-Chefin Phillipa Harrison während der Australian Tourism Exchange (ATE) in Gold Coast war unmissverständlich. Denn das verlange der Markt. Die Covid-Krise hat unter Konsumenten offenbar das  Verständnis für Nachhaltigkeit und Einbeziehung auf allen Ebenen verstärkt – Soziales, Randgruppen, Umwelt.

RedSands macht es vor. Der auch unter vielen Schweizer Reisenden beliebte Allradanbieter gab an der ATE bekannt, den ersten vollständig elektrifizierten Allrad-Mietcamper Australiens zu entwickeln. Voraussichtlich ab Juli 2024 soll der von der auf solche Umbauten spezialisierten Firma Roev für RedSands massgeschneiderte Camper zunächst in der East Kimberley-Region in Westaustralien zum Einsatz kommen. Geschäftsführer Adam Sands verglich den Schritt im Gespräch mit Travelnews.ch mit einer «Revolution». «Mit der weltweit zunehmenden Verbreitung von E-Fahrzeugen steigt die Nachfrage, auch in den Ferien nachhaltig zu reisen – auch in klassischen Selbstfahrerdestinationen wie Australien».

Neu möglich: mit dem Elektrofahrzeug raus ins australische Outback. Bild: UW

Vorerst will RedSands die mit einem Elektromotor ausgerüsteten Fahrzeuge der Marken Toyota Hilux und Toyota Land Cruiser Prado nur auf vorgegebenen Strecken fahren lassen. «Die Reichweite zwischen dem ‹Auftanken› mit Strom ist vorerst noch auf 400 Kilometer beschränkt», so Sands. Er gehe aber davon aus, dass ein Elektrofahrzeug schon in absehbarer Zeit bis zu 1000 Kilometer ohne Nachzuladen zurücklegen könne. Die konservative Regierung, die im vergangenen Mai von der Laborpartei entmachtet worden war, hatte aus ideologischen Gründen fast ein Jahrzehnt lang die Expansion einer Elektrofahrzeug-Industrie verhindert. Deshalb ist das Netz an Nachladestationen vor allem in regionalen Gebieten erst im Aufbau.

RedSands ist ein Familienunternehmen mit Sitz in Balcatta, Westaustralien. Sands Ehefrau Lucy ist eine Umweltwissenschaftlerin. Sie habe den Antrieb zum Umstieg auf Elektrobetrieb gegeben, so Sands.