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In die Geschichte des Hotels Sacher eingetaucht
Marion LehmannBetritt man heute das Hotel Sacher in Wien, spürt man all die vergangenen Geheimnisse. Das Haus hat nichts an Charme und Stil verloren. Ehrfürchtig betreten wir die Lobby und checken an der versteckten Reception ein. Und tauchen während unserem Aufenthalt in die Geschichte des Traditionshauses ein.
Die Geschichte beginnt mit Eduard Sacher. Er eröffnet ein Bistro mit einem Delikatessengeschäft und bietet puren kulinarischen Luxus an. Das Geschäft wird schon bald für seine damalige Spitzengastronomie geschätzt und erwirtschaftet Umsätze, wo andere nur träumen können. 1876 wird weiter investiert und Eduard erbaut ein Nobelrestaurant mit Appartements unweit der Ringstrasse und wieder gegenüber der Oper.
Vier Jahre später heiratet er die 16 Jahre jüngere Anna Fuchs, eine Wienerin aus dem 2. Bezirk der Hauptstadt. Sie arbeitet im Delikatessengeschäft des Hauses und fällt Eduard sofort auf. Auch sie entstammt aus einer Familie mit Weinbauern und Gastronomen. Sie hilft im Betrieb tatkräftig mit und entwickelt ein Marketing, wie das heute heissen würde. Die Dame des Hauses vergibt Interviews und redaktionelle Berichte, denn die Zeitungen werden auch vom Adel gelesen. Das Haus Sacher entwickelt den Lieferservice. Schon bald gibt es in jedem Zimmer elektrisches Licht, automatische Aufzuganlagen und sogar eine Gegensprechanlage. Anna unterhält eine Betriebskrankenkasse. Eduard und Anna sind das Traumpaar der Ringstrasse.
Anna Sacher übernimmt im Hause immer mehr die Führung. Mit ihrem Schwiegervater und Gründer der Dynastie, Franz Sacher, welcher die berühmte Sachertorte 1832 als 16-jährigen erfunden hat, tüftelt sie an extravaganten Gerichten. Alles was Rang und Namen hat trifft sich in dem Etablissement. Es riecht nach einer glänzenden und erfolgreichen Zukunft.
Im November 1892 die Schocknachricht. Nur mit gerade 49 Jahren stirbt Eduard an einer Lungenentzündung. Der Kaiser entzieht dem Haus sofort den Titel des Hoflieferanten und ein Verwalter wird eingestellt. Anna aktiviert Ihr Netzwerk, kontaktiert alle ihre Stammgäste und kämpft um ihr Hotel.
Eines der berühmtesten Häuser Europas
1895 kommt von der österreichischen Befugnis die erlösende Meldung, dass Anna die Geschäfte weiter führen darf. Der Verwalter wird sofort entlassen. Anna kann das Haus durch ihren selbstbewussten und tüchtigen Führungsstil zu einem der berühmtesten Häuser in Europa machen und verdoppelt den Umsatz. Kurz darauf wird das Haus wieder zum Hoflieferanten ernannt.
Während des 1. Weltkrieges gibt es immer Sacher noch alles gegen gutes Geld, wo das Fussvolk mit Marken Lebensmittel eintauscht, werden Menukarten in der Zeitung abgedruckt und der Neid wird grösser. Das Leid wird mit Luxus übertüncht. Bei Kriegsende ist Anna Sacher gerade einmal 60 Jahre alt. Auch am Sacher geht der Krieg nicht spurlos vorbei, viele Gäste und Geld gehen verloren. Die Monarchie geht dem Ende zu und die Adelstitel werden abgeschafft.
Es kommt zur Inflation und das Volk beginnt sich aufzulehnen und zu streiken. Die Regierung erhebt eine Luxussteuer um die Schulden des Staates auszugleichen. Im Jahr vor dem Krieg bezahlte Anna 3% so stieg die Einkommensteuer 1920 auf 60%. Doch auch hier war Aufgeben keine Option. Es kommt zu Entlassungen und viele Unternehmen erleiden Konkurs. Sie zieht sich von der Leitung des Hotels zurück. Ende Februar 1930 erleidet Anna Sacher einen Herzinfarkt und stirbt. Das Haus ist hoch verschuldet und geht 1934 in Konkurs.
Eine neue Erfolgsgeschichte beginnt. Hans Gürtler und seine Frau erwerben mit den Hoteliers Anna und Josef Siller das unterdessen heruntergekommene Haus und investieren zeitgemäss und sanieren die Räumlichkeiten zu neuen Bedürfnissen. Heizungen und Badezimmer werden eingebaut.
1938 ist der Aufstieg schon wieder vorbei. Der Einmarsch von Hitler stoppt den Aufschwung und die neue Blütezeit ist Vergangenheit. Die Stammgäste des Hotels fehlen, waren es früher angesehene Juden, welche die Wirtschaft geleitet und dominiert haben, werden sie während dem 2. Weltkrieg umgebracht und verfolgt. Das Hotel ist gemäss den Nationalsozialistischen Zeitungen immer noch zu jüdisch. Im Frühling 1945 wird die Ringstrasse stark bombardiert und verliert zahlreiche Gebäude.
Wie durch eine schützende Hand bleibt das Hotel unberührt und erleidet keinen Schaden. Das Hotel wird zuerst von sowjetischen und danach von britischen Soldaten besetzt. Erst 1951 wird der Besitz an die Familie Siller und Gürtler zurückgegeben. Das Hotel wird mehrmals saniert und renoviert. Nach dem Tod von Herr und Frau Siller geht es komplett an die Familie Gürtler. 1990 übernimmt die Gattin vom Enkelsohn das Hotel mit Ihrer Tochter und ist nach wie vor in deren Familien Besitz.
Heute, im Jahr 2023, stehen wir in der Lobby des Hotels Sacher und spüren die vergangenen Geheimnisse. Auch heute ist das Haus von Charme und Stil geprägt.
Auf dem Weg zum Zimmer kommt man an den zahlreichen Fotos der Vergangenheit nicht vorbei. Die «Sacherianer», wie Frau Gürtler liebevoll Ihre Mitarbeiter benennt sind extrem freundlich und üben ihren Beruf mit Leidenschaft aus.
Heute hat das Hotel Sacher über 300 Mitarbeiter. Selbst die Berufe wie Silber- und Fensterputzer sind noch anzutreffen. Der Höhepunkt des Jahres ist der Wiener Opernball, bei welchem das Haus früh morgens komplett umgebaut wird und 400 zusätzliche Restaurantplätze mehr eingedeckt werden. Im angrenzenden Sacher Boutique Shop kann man sich die originale Sachertorte ergattern. Wohl die bekannteste Torte der Welt.
Mehr Informationen finden Sie unter: www.sacher.com