Here & There
Weshalb man in Ischgl um den Wein feilschen kann
Dominik BuholzerHarald Seidler schmeckt’s. Der Diplom-Sommelier sitzt beim Mittagessen. Kalbsbraten und Knödel gibt es. «Wollen Sie auch was?», fragt er. Wir müssen leider ablehnen. Wir sind noch immer satt vom köstlichen Essen am Vorabend. Seidler isst weiter. Nach ein paar Minuten fragt er erneut: «Wollen Sie wirklich nichts kosten? Es schmeckt hervorragend.» Negativ, dafür lassen wir uns gerne zu einem Glas Grüner Veltliner von Franz Hitzberger überreden. Den bringt Seidler ebenfalls ins Schwärmen. Zu Recht, der schmeckt köstlich: Prosit!
Seidler ist nicht nur ein beherzter Gourmet («Ich bin ein Genussspecht»), sondern auch ein leidenschaftlicher Gastronom. Seit über 30 Jahren steht er im Dienste der Silvrettaseilbahn AG. Seit bald 27 Jahren ist er für die Geschicke der Restaurants am Berg verantwortlich. Und von denen hat es nicht wenige: Es sind insgesamt 11 Bergrestaurants und (Ski-) Hütten. Eines davon – das Alpenhaus – wurde unter Seidlers Ägide mit einer Haube ausgezeichnet, das österreichische Pendant zur Sternenküche in der Schweiz. Bis zu fünf Hauben kann ein Restaurant bekommen. «Die erste Haube ist immer am schwierigsten zu kriegen», sagt Seidler.
Weshalb Bier pasteurisiert wird
Ein Anfang wäre also gemacht. Eine Selbstverständlichkeit sind die Auszeichnungen nicht. Kochen auf 2000 Metern über Meer hat seine Tücken. Das hat vor allem physikalische Gründe: Pro 300 Metern Höhe sinkt der Siedepunkt um ein Grad. Auf 2000 Metern macht dies fast sieben Grad aus. Die Spaghetti sind deswegen nicht früher fertig. Das Wasser auf einer Berghütte kocht zwar schneller, wird aber nicht heisser. Eier benötigen beispielsweise dreieinhalb Minuten länger, bis sie hart gekocht sind als im Tal.
Auch dem Bier setzt die Höhe zu. Es schäumt zu sehr, deshalb wird es pasteurisiert. Die Bierbrauerei Erdinger legt aus diesem Grund jährlich eine Ischgl-Stunde ein: In diesen 60 Minuten wird der ganze Bierbedarf für die gesamte Wintersaison der Silvrettaseilbahn produziert. Dies sind 5000 Kisten. Dazu kommen nochmals 5000 Kisten Radler.
Eine Weindestination ist bei Schweizern am Berg besonders beliebt
Nicht weniger oft verlangen die Gäste Wein. Über 30’000 Flaschen Wein werden in der Wintersaison in den Restaurants der Silvrettaseilbahn verkauft. Der Preis für eine Flasche Wein kann dabei unter gewissen Umständen Verhandlungssache sein. Dies ist dann der Fall, wenn eine Gruppe von Gästen an einer grossen Flasche interessiert ist, aber beim Preis zu zögern beginnt. «Unsere diplomierten Sommeliers verfügen in solchen Fällen über einen gewissen Spielraum um den Wein etwas günstiger abzugeben», sagt Harald Seidler. «Wir verdienen noch immer was an der Flasche und der Gast hat ein gutes Gefühl.» Dynamic Pricing also auch in der Gastronomie.
Es wird nicht nur reichlich zugeprostet, sondern auch gegessen. Bis zu 60 Tonnen Pommes gehen über die Theke in einer Wintersaison, 8 bis 10 Tonnen Spaghetti und gut 30’000 Wiener Schnitzel werden verspeist.
Übrigens: Über die Schweizer Gäste kann Harald Seidler nur Positives erzählen: «Sie sind absolute Geniesser.» Und beim Wein haben sie laut Seidler eine klare Präferenz: «Bei Schweizern steht am Berg österreichischer Wein sowie Weine aus der Toskana hoch im Kurs.»