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Pause auf der Sonnenterasse. Bilder: Heinz Staffelbach

Eine Winterwanderung mit Genuss und Schuss

Heinz Staffelbach

Winterwandern hat sich in den letzten Jahren von der Randerscheinung zum Mainstream entwickelt. Wanderexperte Heinz Staffelbach hat für uns im Oberengadin einen besonderen Leckerbissen getestet.

Die beliebteste Sportart der Schweizer soll ja das Wandern sein – etwa 4 Millionen Schweizerinnen über 15 Jahre sind regelmässig auf den etwa 65'000 Kilometern Wanderwegen unterwegs. Doch nicht nur das; das Wandern hat in den letzten Jahren auch den grössten Zuwachs an Beliebtheit erlebt. Doch wie sieht es eigentlich im Winter aus? Ich kann mich noch gut an die Zeiten erinnern, als Winterwanderer mehr toleriert als geschätzt wurden rund um die Skigebiete. Man stapfte aus der Bergstation, tanzte über ein Meer von Skiern, huschte über die Piste und war dann endlich eingefädelt auf einem Winterwanderweg – auch wenn es nur ein kurzer Loop war und man nach einer halben Stunde wieder vor der dröhnenden Schneebar stand.

Natürlich ist das etwas überzeichnet. Aber die Tatsache ist: das Winterwandern hat sich in den letzten Jahren erstaunlich entwickelt, von der Randerscheinung bis zum Mainstream – und diesen Begriff darf man ruhig buchstäblich verstehen. Denn bereits vor etlichen Jahren (2016) nannten etwa die Gäste aus Deutschland das Winterwandern als beliebteste Sportart, noch vor dem Skifahren.

Los also, und dies gleich in die Region mit dem (meines Wissens) grössten Winterwanderweg-Netz der Schweiz: das Oberengadin. Die 250 Kilometer dürften genügen, um gleich ein paar Wochen zu füllen, oder wer will, mindestens ein Dutzend Wochenenden. Doch wo beginnen? Das kann man natürlich überall, doch hier möchte ich einen Leckerbissen vorstellen, den ich kürzlich recherchiert und getestet habe. Er führt von S-chanf nach Madulain, aber dies mit ein paar eingebauten Überraschungen.

Winterliche Aussichten von unterwegs.

Kulinarische Zwischenstopps

S-chanf erreicht man leicht mit der Rhätischen Bahn, und wandert man am westlichen Ende des Dorfes unter dem Bahntrassée durch, ist man bereits korrekt eingefädelt. Über weite, sanft geneigte Hänge geht es ins nächste Dorf, nach Zuoz. Wer hier eine koffeinhaltige Stärkung wünscht, und vielleicht gleich mit einem gedeckten Apfelkuchen mit Zimt, kann dies wunderbar in der Konditorei Klarer tun, in einem wunderschönen, historischen Engadinerhaus auf dem zentralen Platz. Von Zuoz geht’s weiter, und dies nun meistens bergauf, via Castell, und etwa zwei Stunden später (ab Kaffee-Stop) erreicht man die Alp Es-cha Dadour. Das ist im Sommer eine Alp mit Vieh und jetzt, im Winter, einfach ein wunderbarer Ort für einen Lunch, entweder draussen auf der Terrasse (mit tollem Ausblick), oder bei Hudelwetter drinnen in der heimelig eingerichteten Stube.

Abermals kulinarisch versorgt geht es zurück ins Tal, nach Madulain. Für den Abstieg sollte man mit etwa einer Stunde rechnen, und vom Dorfkern kann man mit Bus oder Zug talauf- oder talabwärts ausschwärmen und seine wohlige Unterkunft ansteuern.

Winterwandern im Engadin.

Genuss und Schuss habe ich versprochen, und darauf möchte ich hier nochmals kurz eingehen und das Versprechen einlösen. Natürlich gibt es auch günstige Möglichkeiten, in der der Region zu übernachten, etwa in der Jugi in Pontresina und in derjenigen in St. Moritz.

Aber man darf sich ja auch mal etwas gönnen, und dafür habe ich diesen Vorschlag: Übernachten in der Villa Flor in S-chanf; das ist ein kleines, von Ladina Florineth persönlich geführtes Boutique-Hotel (Garni), eingerichtet mit viel Gespür in einem herrschaftlichen Haus und veredelt mit regelmässigen Kunstausstellungen. Der zweite Tipp, bodenständig und chüschtig: ein Fondue auf der Alp Es-cha Dadour, frisch gemacht mit überaus leckerer Käsemischung. Tipp drei, schnell und flitzig: statt ins Tal wandern sich auf einen (vorreservierten) Schlitten setzen und über die Waldstrasse ins Tal sausen. Und als vierten Tipp empfehle ich, für ein Nachtessen mit Stil, das Restaurant Dorta in Zuoz, in einem uralten, umgebauten Bauerngehöft, beispielsweise mit Zuozer Heusuppe und Capuns Sursilvans.

Und wer das Glück hat, gleich zwei Abende in der Region verbringen zu können, kann das Weekend mit einem Nachtessen in der Krone in La Punt abschliessen; sie ist mit dem britischen Sternekoch James Baron nach wie vor ein Highlight in der regionalen Genuss-Landschaft.