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Sprachreisen, etwa auf der beliebten Mittelmeerinsel Malta, sind nach schwierigen Corona-Jahren wieder im Aufwind. Bild: Linguista

Das ist bei Sprachreisen jetzt gefragt

Reto Suter

Nach anspruchsvollen Corona-Jahren erleben Sprachreisen ein grosses Comeback. Die Wünsche der Kundschaft haben sich teilweise allerdings markant verändert.

Jüngere Menschen, die aus dem Alltagstrott ausbrechen wollten, litten besonders stark unter der Corona-Krise. Fremde Länder zu erkunden, war aufgrund der strengen Reisebeschränkungen kompliziert bis teilweise sogar unmöglich. Das galt auch für Jugendliche und junge Erwachsene, die einen Sprachaufenthalt fernab der Heimat ins Auge fassten. Das Angebot von Sprachreisen war stark eingeschränkt, was bei den Anbietern zu einer Buchungsflaute führte.

Jetzt präsentiert sich die Situation komplett anders. Der Nachholbedarf ist gross. «Die Buchungsstände motivieren sehr», sagt Claudio Cesarano, CEO bei Linguista Sprachaufenthalte. «Die letzten acht Wochen waren wir wieder auf Vor-Pandemie-Niveau.» Es fehle zwar noch ein beträchtlicher Vorrat aus dem Vorjahr, aber man hole kräftig auf. Die gleichen Erfahrungen macht Michel Jenal, Regionalleiter Deutschschweiz bei ESL Sprachaufenthalte: «Es geht wieder in die richtige Richtung. Der Aufholbedarf ist klar spürbar und widerspiegelt sich auch in den Buchungszahlen.

Starke Nachfrage nach «Down Under»

Bei den Destinationen erleben Australien und Neuseeland wenig überraschend den stärksten Aufschwung. Beide Länder hatten ihre Grenzen wegen Corona lange geschlossen. Deshalb ist der Nachholeffekt gross. Äusserst beliebt ist auch England mit Reisezielen wie London, Bournemouth oder Brighton. Sehr unterschiedlich entwickeln sich die Buchungsstände derweil in Nordamerika.

«Kanada ist noch immer verhalten, was uns ein bisschen überrascht», erklärt Claudia Cesarano von Linguista. Stark sei die Buchungslage dagegen in den USA. Noch etwas harziger läuft es betreffend Nordamerika bei ESL. «Mit Ausnahme von Hawaii sind bis jetzt weniger Buchungen reingekommen als in der Vergangenheit», sagt Michel Jenal. Das hänge wahrscheinlich mit dem Comeback von «Down Under» zusammen.

Noch nicht alle Destinationen sind auf dem Level wie vor Corona. Während Down Under boomt, schwächelt Nordamerika teilweise noch: Bild: ESL

Die wieder gewonnene Freiheit durch das Ende fast aller Corona-Restriktionen drückt bei den Buchungen generell durch. Es entsteht ein neues Gleichgewicht zwischen Reisezielen, die arg unter Corona gelitten und Destinationen, die stark von der Pandemie profitiert haben. Bei ESL zum Beispiel sind bei Kundinnen und Kunden, die Französisch lernen wollen, Destinationen in Südfrankreich wieder deutlich höher im Kurs. In gleichem Masse ging dafür die Zahl der Buchungen für Sprachaufenthalte in der Romandie zurück.

Gleiches stellt Linguista für Costa Rica und Mexiko fest. Diese zwei Destinationen waren während der Corona-Krise der Renner für Spanischkurse, weil man direkt hinfliegen konnte und weniger Einschränkungen hatte als in Spanien. «Beide Länder waren regelrecht mit Schweizern überflutet», so Claudio Cesarano. Das pendle sich jetzt wieder ein.

Höhere Ansprüche als vor der Pandemie

Die Wahl der Reiseziele hat sich auch bei Boa Lingua an die Zeit vor der Pandemie angeglichen. Ansonsten seien aber durchaus neue Kundenwünsche aufgetaucht, sagt CEO Christian Graf. «Wir stellen fest, dass die Kombination von Sprachkurs und Hobby – wie beispielsweise Surfen, Tauchen und Golf, aber auch Koch- und Weinkurse – gefragter sind als früher, egal in welcher Altersgruppe.

Verändert hat sich laut Graf auch die Planungszeit. Es werde kurzfristiger gebucht als in den Jahren vor Corona. Zudem seien auch die Ansprüche punkto Beratung gestiegen. «Gefragt sind aussagekräftige Online-Offerten mit wenigen Klicks, rund um die Uhr», so Graf. Die veränderten Bedürfnisse und die hohe Nachfrage hätten Boa Lingua dazu veranlasst, Beratungstermine an sieben Tagen die Woche anzubieten.

Was alle drei von Travelnews angefragten Anbieter bemerkt haben, ist der Wunsch nach Sicherheit beim Reisen. Jegliche Unsicherheiten in Bezug auf Anreise und Unterkunft sollen aus der Welt geschafft werden.

Die Tendenz geht in Richtung kürzere Spachaufenthalte. Langzeitbuchungen sind seltener geworden. Bild: Linguista

Das Reisebudget der Sprachreisenden scheint etwas kleiner geworden zu sein. «Langzeitbuchungen von drei bis neun Monaten, die früher gang und gäbe waren, sind heute leider zur Seltenheit geworden», erklärt Michel Jenal von ESL. Das wirke sich natürlich stark auf die Umsätze aus. Gleichzeitig sind die Ansprüche betreffend Unterkunft gestiegen. Die Kundinnen und Kunden wünschen laut Claudio Cesarano von Linguista mehr Luxus, auch die jungen Erwachsenen.

Online-Kurse keine ernsthafte Konkurrenz

Online-Sprachkurse, die während der Corona-Krise wie Pilze aus dem Boden geschossen sind, bereiten den Anbietern von Sprachaufenthalten keine Bauchschmerzen. «Bei Sprachreisen geht es nicht nur darum, eine Sprache zu lernen, sondern darum, eine Sprache zu spüren und zu erleben», so Claudio Cesarano. Diese Möglichkeit biete ein Online-Kurs nicht. Deshalb seien diese auch keine echte Alternative zu einer Sprachreise.

In die selbe Kerbe schlägt Michel Jenal von ESL. Er sagt, es gehe bei Sprachaufenthalten um eine ganzheitliche Erfahrung, die die Persönlichkeit der jungen Erwachsenen präge und ihnen Selbstvertrauen und neue Sichtweisen auf die Welt schenke. Das werde sich auch nicht ändern, Pandemie hin oder her. «Dieses volle Eintauchen ist mit keinem Online-Kurs, und sei dieser noch so gut, ersetzbar.»