Here & There
Kuscheln am Meer, Chillen an rauer See
Neue Städte entdecken, Bummeln, kulinarische Köstlichkeiten entdecken – vieles spricht für eine Städte-Auszeit im Frühjahr. Wer keine Lust auf die altbekannten Sightseeing-Klassiker hat, geht auf Entdeckungstour in weniger bekannte Orte Europas. Das sind unserer fünf Geheimtipps.
Göteborg: Kuschelige Stadt am Meer
Lilla London, kleines London ist der Spitzname der schwedischen Ostseemetropole Göteborg. Grund dafür ist der rege Handel mit Grossbritannien im 18. und 19. Jahrhundert. Aber nicht nur britische Geschäftsleute, auch andere Einwanderer haben ihre Spuren hinterlassen. So stammen die zahlreichen Kanäle und Grachten von den Holländern, die die kuschelige Stadt am Meer im Jahr 1621 gegründet haben.
Mit den sogenannten Paddan-Kanalbooten lässt sich die Stadt vom Wasser aus erobern. Die meisten Touren starten an der Kungsportsbron-Brücke am Wallgraben und führen an Wahrzeichen wie dem Lilla Bommen, im Volksmund Läppstiftet (Lippenstift) genannt und dem Schifffahrtsmuseum vorbei. Die flachen Boote haben ihren Namen übrigens von den ebenso flachen Kröten und passen besonders gut unter den niedrigen Brücken durch. Ebenso umweltfreundliche Sightseeing-Alternativen sind ein Minizug und die circa 260 Strassenbahnen, die teilweise Namen bekannter Göteborger tragen.
Zum Shoppen laden der Boulevard Kungsportsavenyn, kurz Avenyn genannt, mit vielen Markengeschäften und Restaurants oder die hippe Magasinsgatan und ihre Seitenstrassen mit überwiegend lokalen Geschäften und Produkten ein. In der historischen Fischkirche, wie die Fischmarkthalle aufgrund ihrer Form genannt wird, landen Leckermäuler direkt im Gourmethimmel und genießen typische Köstlichkeiten wie Garnelen mit Mayonnaise oder Skrei. Zum Dessert gibt's natürlich eine original Göteborger Zimtschnecke.
Triest: Kaffeekultur an der Adria
Eingerahmt von Österreich und Slowenien und über Jahrhunderte von wechselnden Herrschern besetzt, zählt Friaul-Julisch Venetien mit seiner Hauptstadt Triest zu den weniger bekannten Regionen Italiens. Bei einem Spaziergang entfaltet die ehemalige Habsburgerstadt Triest ihre ganze harmonische Vielfalt.
Ein Hauch von Venedig liegt über dem nur dreihundert Meter langen Canal Grande, auf dem vertäute Motorboote romantisch vor sich hindümpeln und die Kaffeehäuser auf den Plätzen der Stadt verströmen Wiener Charme. Allen voran das Caffè degli Specchi an der Piazza del'Unità und das Caffè Tommaseo an der Piazza Nicolò Tommaseo laden ihre Besucher auf eine historische Zeitreise und zugleich eine Erkundungsreise in die Welt des Kaffees ein. Da gibt es Nero (normaler schwarzer Espresso) oder Goccia (mit einem Schuss Milch) und wer das alles im Glas möchte, sollte ein B für Bicchiere dazu sagen.
Angeblich wird nirgends in Italien mehr Kaffee getrunken und so ist es auch kein Wunder, dass sich die Università del Caffè ebenfalls in der norditalienischen Hafenstadt befindet. Mit soviel Koffein im Blut gelingt anschließend auch der Aufstieg zum Wahrzeichen der Stadt, dem Castello di San Giusto, von wo aus man einen fantastischen Blick über den Golf von Triest hat. Abends entführt das nach dem Komponisten Giuseppe Verdi benannte Teatro Verdi zu einem Besuch, und wer beim Anblick der Fassade meint, sich in der Stadt geirrt zu haben, liegt völlig richtig. Sie erinnert an die berühmte Mailänder Scala. In Triest vereinigt sich eben Schönes aus vielen Regionen.
Rotterdam: Manhattan an der Maas
Die zweitgrösste Stadt der Niederlande gilt gleichzeitig als ihre untypischste und architektonisch vielfältigste. Den Titel Manhattan an der Maas verdankt sie ihren Bauten, die glitzernd in die Höhe ragen. In Rotterdam befindet sich der grösste Seehafen Europas und die internationale Handelskultur zeigt sich auch in den Büro- und Handelsgebäuden. Die typischen romantischen Grachten sucht man daher fast vergebens.
Um sich einen ersten Eindruck zu verschaffen, bieten sich die gelben Amphibienbusse an, die Besucher zu Sehenswürdigkeiten zu Wasser und zu Land schippern. Ganz hoch hinauf geht's auf dem Euromast mit seiner Aussichtsplattform in 112 Metern Höhe - fantastischer Panoramablick inklusive. Die innovative Architektur zeigt sich nicht nur in Wolkenkratzern, sondern beispielsweise auch in den quietschbunten gelben Kubushäusern gegenüber der Markthalle. Und auch diese ist auf ihre Art recht spektakulär.
Als Horn des Überflusses wurde sie als riesiger Bogen mit Appartements über der gläsernen, bunt gestalteten Glashalle von ihren Architekten konzipiert. Den Überfluss beweisen eindrucksvoll die rund hundert Stände mit Gemüse, Fisch, Bio-Fleisch und Spezialitäten aus aller Welt. Natürlich dürfen auch holländische Köstlichkeiten wie Stroopwaffeln, Kibbeling und Käse nicht fehlen. Bei so viel zeitgenössischer Kultur werden dann auch die Grachten kaum vermisst.
Bristol: Ländlicher Charme am Meer
Jugend- und Graffitikunst trifft auf englischen Countrystyle - so könnte man die maritime Stadt im englischen West Country beschreiben. Der derzeit wohl berühmteste und geheimnisvollste Graffitikünstler Banksy hat sich in Bristol mit zahlreichen Kunstwerken verewigt und viele Gleichgesinnte auf den Plan gerufen. Praktischerweise befinden sich viele der bunten Spraygemälde in der Nähe von Sightseeing-Klassikern wie der Harbourside, dem Wapping Wharf oder dem Stokes Croft und verbinden so Tradition mit Moderne.
Schiffsliebhaber dürfen das legendäre Brunel-Schiff, die SS Great Britain im Dock von Bristol keinesfalls verpassen und wer all das von oben geniessen möchte, besteigt den schmalen Cabot Tower im Brandon Hill Park. Ebenfalls vom genialen Erfinder Brunel stammt die Clifton Suspension, die sich besonders schön von den Hügeln beim Clifton Observatory aus bei einem Picknick bewundern lässt.
All jene, die lieber am Tisch essen, besuchen eines der zahlreichen Restaurants im Stadtviertel Wapping Wharf und genießen die internationale Vielfalt der Hafenstadt. Ob karibische und chinesische Spezialitäten oder englische Hausmannskost - dort findet jeder Gaumen sein Glück, zum Beispiel bei einem Sieben-Gänge-Menü im Box-E, das sich in einem umgewandelten Schiffscontainer befindet.
Biarritz: Chillen an rauer See
Das einst mondäne Seebad im baskischen Teil Südfrankreichs gilt heute als das europäische Surfmekka, das mit nahezu hawaiianischen Wellen aufwarten kann. Gerade im Frühjahr sind die Wellen recht konstant und brechen in Küstennähe fast ausschliesslich auf Sand. Unter den vielen Surfschulen ist für jeden Typ ein Angebot dabei.
Wem es an Land wohler ist, der geniesst einfach die durchweg entspannte Atmosphäre im Ort, wo einem allerorts Surfer mit Boards unterm Arm und sandigen Füssen begegnen. Bei aller Chilligkeit darf ein Besuch auf dem Jungfrauenfelsen am Rocher de la Vierge nicht versäumt werden. Über die eigens von Gustave Eiffel konstruierte Eisenbrücke geht's zur leuchtend weissen Marienstatue, die bei Sonnenuntergang beinahe überirdisch leuchtet.
Deutlich prosaischer, aber nicht weniger eindrucksvoll geht's auf dem Morgenmarkt in Les Halles zu. Dort scheint jeder jeden zu kennen, Scherzworte und Lachen fliegen über die Stände mit frischen Meeresfrüchten und baskischen Spezialitäten. Wer noch nicht gefrühstückt hat, der folgt einfach dem Duft der Croissants und nimmt dazu einen Café au lait in der Bar Jean nebenan.