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Die tschechische Art, Wellness zu betreiben: im Bier-Spa. Bild: pivnilaznespabeerland.cz

Wellness im Gerstensaft

Karsten-Thilo Raab

In Prag können sich nicht nur Bierliebhaber genüsslich im Bier-Spa zurücklehnen und erholen.

Kleopatra hat angeblich in Eselsmilch gebadet, Comic-Milliardär Dagobert Duck badet am liebsten in seinen Talern, die Reichen, Schönen und Gefönten tun es dem Vernehmen nach vorzugsweise in Champagner. Und auch klassische Biertrinker können sich ganz in ihrem Element fühlen — zumindest in der tschechischen Hauptstadt Prag, wo der Biergenuss auf eine neue Stufe gehoben wurde. Rund ein halbes Dutzend so genannter Bier-Spas hält ein besonderes Wellnessangebot vor: das Baden im Bier. 

Ganz richtig ist die Bezeichnung sicher nicht. Denn hier schwimmt niemand in einem Becken, in das zuvor flaschen- oder fassweise Bier entleert wurde. Vielmehr handelt es sich um als Holzbadewannen getarnte Whirlpools, in deren sprudelndes Wasser eine grünliche Mischung aus Hopfen, Hefe und Malz eingerührt wird. 

„Das Bierbad wirkt vitalisierend, regeneriert die Haut und regt den Stoffwechsel an“, beteuert Ivana im feinsten Englisch. Die Mittzwanzigerin aus der Ukraine ist im Grand Relax Spa in Prag eine Art Mädchen für alles. Sie ist Empfangsdame, bereitet nach vorheriger Anmeldung das Bierbad vor, betreut die Wellnessjünger und ist zugleich ein charmanter „Erklärbär“.

"Wichtig, viel zu trinken"

Noch bevor das eigentliche Badevergnügen beginnt, reicht Ivana zur Begrüssung ein Glas Wasser mit ein paar Orangenscheiben darin. Dabei scheinen ihr die skeptischen Blicke nicht zu entgehen: „Um den bestmöglichen Erholungseffekt zu erzielen, ist es wichtig, viel zu trinken – und nicht nur Bier“, lacht Ivana, während sie gleichzeitig einen Fragebogen austeilt, um sicher zu gehen, dass die Badegäste keine gesundheitliche Probleme oder Unverträglichkeiten gegen Inhaltsstoffe des Bierbades besitzen.  

„Um möglichst lange die vitalisierende Wirkung des Bier-Bades zu spüren, empfehlen wir, hinterher auf das Duschen zu verzichten“, erläutert Ivana. In den Umkleidekabinen liegen Handtücher, Bademäntel, Einmal-Unterwäsche und Badeschlappen bereit. Unter der Dusche wartet ein spezielles, mit Bier angereichertes Duschgel zur Einstimmung, während aus den Musikboxen sanfte Chill-out-Töne erklingen. 

Dann kommt der Moment, auf den nicht nur durstige Kehlen gewartet haben. Ivana führt die kleine Gruppe vom Umkleidetrakt gemächlichen Schrittes in den eigentlichen Wellnessbereich. Der mit Bruchsteinmauern verkleidet Raum ist dezent abgedunkelt und nur mit Kerzenlicht beleuchtet. Zur Dekoration gehören neben Regalen mit Bierflaschen und gestapelten Holzbierkisten auch eine mannshohe, geschnitzte Figur eines biertrinkenden Mönchs sowie Körbe mit Hopfen und geschrotetem Malt. Drei grosse Holzzuber, in denen jeweils locker, zwei, drei Personen bequem Platz finden, stehen bereit.    

Ivana fühlt noch einmal ob die Wassertemperatur auch angenehm ist, dann schüttet sie die grünliche Mischung aus Hopfen, Hefe und Malz in den Holzzuber. Mit einem kleinen "Please" lädt sie dazu ein, in die Wanne zu hüpfen. In deren Mitte befindet sich ein Brett auf dem grosse Bierhumpen bereit stehen. Direkt neben der Wanne funkelt ein Zapfhahn — nur eine Armelänge entfernt. "Hier kann sich jeder so viel Bier zapfen, wie er mag", rät Ivana nicht nur aus Hygienegründen das Glas nicht in der Wanne zu füllen. 

Tatsächlich macht die hopfige Duftnote des wohlig warmen Wassers Durst. Während die Wellnessjünger also für eine halbe Stunden im sprudelnden Bad Platz nehmen, strömt munter das Bier — erst ins Glas und dann die Kehle herunter. Das Bier entspannt nicht nur die Muskeln, sondern lockert auch die Zunge. Entsprechend schnattern die Badegäste fröhlich aufgeregt vor sich hin. 

Plötzlich steht Ivana wieder in der Tür. Sofort fühlen sich alle irgendwie an Paulchen Panther erinnert und fragen sich, wer hat an der Uhr gedreht? Doch noch ist das Entspannungsprogramm nicht vorbei. Ivana reicht einem jeden ein grosses Leintuch. Nun geht es in einen abgedunkelten Nebenraum, wo es sich alle — in das Leinen eingewickelt — der Länge nach auf einem geheizten Bett bequem machen dürfen. Um das Schmoren im eigenen Biersaft noch zu verstärken, hüllt Ivana einen jeden noch in eine wärmende Schafsdecke. Und natürlich holt sie für alle, die noch immer durstig sind, ein Frischgezapftes. 

Während die Kombination aus Bier, Wärme und Dunkelheit die Augenlider zunehmend schwerer werden lässt, endet das Wellnessvergnügen nach weiteren 30 Minuten der Ruhe. Mit einem angenehmen Kribbeln auf der Haut entlässt Ivana die kleine Gruppe. Nicht aber ohne jedem noch eine Bierflasche und ein Erinnerungsfoto mitzugeben. Schliesslich hilft der Gerstensaft, das Bier-Spa noch nachwirken zu lassen — wenn auch nur von innen.