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Luxusrückzug – das Nayara Tented Camp im Arenal National Park von Costa Rica (weitere Infos siehe Box). Bild Nayara Resorts

De Luxe Das high-end Reisesegment bewegt sich rasant

Daniel Tschudy

Auf Initiative der Leading Hotels of the World (LHW) diskutierten internationale Fachleute am erstmaligen «Leading Luxury Summit». Dahin steuert die Luxushotellerie.

Durch die gegenwärtigen Krisen wurden auch Luxusreisen, und mit dazu die bedienende Hotellerie, ziemlich durcheinandergewirbelt. Aber, und das wurde an einer Tagung im Hotel Palace in Gstaad deutlich, in Europa und Amerika ist die Branche wieder gesund, flexibler aufgestellt denn je, und im Wachstum. Einer Untersuchung der LHW zufolge reisen Luxusreisende aus Amerika und Europa, die nicht LHW-Kunden sind, bereits wieder durchschnittlich fünfmal pro Jahr und bleiben insgesamt zehn Nächte im Hotel. Sogenannte LHW-Travelers, die auch durch Loyalitätsprogramme begleitet werden, sind aktiver und bereits wieder achtmal im Jahr unterwegs und übernachten dabei durchschnittlich 27 Nächte in einem Luxushotel; davon 96 Prozent in einem Leading-Mitgliedhotel.

Shannon Knapp, Präsidentin und CEO der LHW kam mit ihrem Management-Team aus New York ins Hotel Palace, wo Direktor Andrea Scherz, gleichzeitig Chairman der Leading Hotels of the World, als Gastgeber die Konferenz betreute. Eingeladen waren Hôtelière und Hoteliers, Reisejournalisten und Businessfachleute und das Thema war: wohin entwickelt sich das Luxusreisesegment und welche Faktoren beeinflussen diesen Weg.

Direktor Andrea Scherz, Chairman der LHW, und Shannon Knapp, Präsidentin und CEO der LHW. Bild: Daniel Tschudy

Bereits in der Umsetzung

Bekannt ist schon, dass der Trend zur Individualisierung weitergeht, sowohl was die Nachfrage betrifft als auch die entwickelte Fähigkeit der Branche, sich den Kunden kurzfristig und flexibel anzupassen. Stichworte sind beispielsweise Gesundheitskissen, individuelle Beratung im Wellnessbereich, Flexibilität in der Küche – nicht nur in Bezug auf vegetarisches und veganes Essen – und eine proaktive Einstellung bei Umbuchung und Stornierung. Auch Digitalisierung ist kein Fremdwort mehr. Hier hat die Luxushotellerie eher das Problem, sowohl Digitalaffine Reisende professionell zu begleiten wie auch Menschen, die «ohne Technik» unterwegs sind, entweder weil sie nicht können oder weil sie nicht wollen. So wie Six Senses schon vor Jahren «No Shoes No News» eingeführt hat, also ein Verbot von Smartphones in öffentlichen Bereichen des Resorts.

Auf was wird sich die Luxushotellerie nun einstellen müssen und welches sind die neuen Zielgruppen? Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Gstaader Summits haben unter anderen dies festgehalten:

Modern Family Travel

Laut Studien besteht in den westlichen Ländern fast ein Viertel aller Familien aus einem Elternteil. Das löst seitens der Familien neue Forderungen nach entsprechenden Familienangeboten und Betreuungssystemen während des Aufenthalts aus. So, dass eben auch ein «single parent» auf seine/ihre eigene Erholungszeit kommen kann. Das bedeutet, dass Kinder nicht einfach mehr stundenweise in einem Kindergarten abgegeben werden, sondern dass man sie mit interaktiven Events, Ausflügen und Lernprogrammen wie Theater, Singen und Sport professionell halbe oder ganze Tage betreut.

Generation Alpha

Es handelt sich um junge Menschen, die je nach Quelle, in den Jahren 2010 bis 2015 geboren sind. Diese Generation soll nicht mehr nur geduldet sein, sondern durch spezifische Dienstleistungen altersgerecht und interaktiv betreut werden.

LGBT+ Community

Auch dieses Segment ist immer selbstsicherer unterwegs, häufig in einer Patchwork-Familie, und will sich im Ferienresort nicht mehr «verstecken». Sie fordern berechtigterweise, als ganzheitliche Familie wahrgenommen und bedient werden.

Zielpublikum Henry

Eine andere Zielgruppe drängt ebenfalls auf Anerkennung, und das ziemlich laut. Die Henrys sind die «High Earners, Not Rich Yet»-Vertreterinnen und Vertreter, die mit gewaltigem Speed die Luxusresorts erobern. Aus dieser Gruppe kommen dann später die Millionäre. Nach einer Schätzung gibt es weltweit jedes Jahr 13000 neue Millionärinnen und Millionäre. Experten gehen davon aus, dass dabei die «high-end»-Nachfrage aus China ausserordentlich wachsen wird. Im Segment der Luxusreisen dürfte ein wahrer China Boom entstehen.

Gamma Destinationen

Diese Reisenden suchen gezielt nach aussergewöhnlichen Ländern, Regionen und Städten, neu auf der Landkarte, von der Masse noch nicht bereist. Das können Länder sein wie Bhutan, Ruanda, Eswatini oder Costa Rica. Oder Städte wie Linz, Reims oder Cardiff. Es muss und darf einfach «neu» sein und relativ unentdeckt.

Ultra Architecture 

Und was in etablierten und neuen Destinationen grosse Aufmerksamkeit auslöst, auch um die eigene Instagram-Community zu befriedigen, sind die neuen aussergewöhnlichen Überbauungen. So wie beispielsweise das wegen der Pandemie etwas verspätet eröffnete Hotel J in Shanghai, da schläft man auf 630 Metern über Meer. Auch das ME Dubai beeindruckt oder das Veil in Astana. In Chile bietet sich das Tierra Chiloé an, eine exklusive Lodge auf der Halbinsel Rilan und auf Island bietet sich, allerdings schon seit ein paar Jahren, direkt neben einem Geothermie-Kraftwerk das Ion-Hotel an. Alles aussergewöhnliche Bauten.

Noch wilder wird es bald in Saudi-Arabien; dort können Architekten ihre wildesten Träume erfüllen und damit die Luxusreisenden beglücken. Auf dem Weg ans Rote Meer sind unter anderem die Hotelgruppen Jumeirah, Six Senses, St Regis, Fairmont, Raffles und Grand Hyatt. Und auch Stararchitekt Jean Nouvel ist engagiert; er baut nahe der Al-Ula-Oase und dem Unesco-Weltkulturerbe Hegra; da schlägt man direkt in die Felsen rein. Ultra Architecture!

Nachhaltigkeit

Was dann genau noch sustainable ist, muss jeder Entwickler selbst erklären, denn die Nachfrage nach sinnvollen und verantwortungsvollen Ferien steigt auch im Luxusreisesektor. Vor allem die Generationen Y und Z werden bewusster Resorts und Destinationen auswählen, die sich der Aufgabe «Negative Emissionen» stellen. Ein Teil dieser Klientel wird wohl bald gar nicht mehr in einen Flieger steigen, der andere Teil fordert nachvollziehbare Aktionen und Kompensationsmöglichkeiten

Dazu passt ja, dass im Moment nur kleines Land in Südostasien geschafft hat, was im industriellen Zeitalter noch keiner anderen Nation gelungen ist: Bhutan ist das erste Land mit einer negativen CO₂-Bilanz. Der Fluch ist, mit diesem Ranking könnte die Nachfrage überdimensional steigen, eine Art kleiner «Over-Tourism». Einzelne unter diesem Aspekt erfolgreiche Resorts gibt es schon einige, als zwei Beispiele aus dem südlichen Afrika: Grootbos Resort am Walker Bay oder Desert Grace in Namibia.

New Age Wellness

Was wohl noch schneller wächst, ist die Nachfrage an die Hotels nach Wissen und Dienstleistung im Bereich Gesundheit - sowohl für den Körper als auch für den Geist. Die meist lieblosen Fitnessräume gibt es schon lange, farblich eintönig, ungenügend betreut, emotionslos. Dem allem soll nun das Menschliche beigefügt werden, mit Spass, Empathie und Fachwissen. Bereits gibt es Wellness Concierges – neu stellen erste Hotels sogar Spiritual Concierges ein. Hotelangestellte also, die ausgebildete Gesundheitscoaches sind oder ‘Soul-Berater’, die spezifische Fachkenntnisse haben, und die notwendigen Sprachkenntnisse, um zusammen mit dem Kunden die Urlaubszeit für spezifische Gespräche oder Kurse zu nutzen.

Das Stichwort auch im Luxusreisesegment ist also Interaktivität und nicht mehr «einfach richtig in Ruhe gelassen werden», wie das viele Luxushotels seit Jahrzehnten zelebrieren. Das waren dann die eleganten, aber ruhig-langweiligen Business-Lounges im obersten Stock. Neu wollen Luxushotels deshalb richtige Memberzonen bauen, in denen man die Gäste zusammenführt, sie untereinander vorstellt und so auslöst, dass diese untereinander Wissen und Interessen austauschen. Neue spannende Menschen kennenzulernen tut ja bekanntlich auch der Seele gut.