Here & There

An der Buffalo Bay auf Koh Phayam lockt die Gypsy Bar zu einem Stopp. Bilder: A. Gubser

Koh Phayam – wie Phuket vor 25 Jahren

Patrick Huber

Die kleine Insel Phayam unweit der Grenze zu Myanmar im andamanischen Meer entwickelt sich immer mehr zum Mekka Schweizer Sonnenanbeter. Das letzte Refugium für solche, die auch mit wenig Luxus auskommen. So wie damals auf Phuket.

Ranong ist nicht wirklich das, was man sich unter einer «hopping City» vorstellt. Die Stadt gilt als nässester Ort Thailands. Acht Monate im Jahr regnet es, was man den modrigen Fassaden der Häuser in der einstigen Zinnabbau-Stadt ansieht. Ranong wird aber zweimal täglich von Bangkok aus mit der Air Asia und dem zweiten Billigflieger Nok Air vom Don Mueang-Airport angeflogen.

An Bord sind fast ausschliesslich europäische Touristen, welche nach der Landung in Ranong in 20 Minuten mit Sammelbussen, Taxis oder Limousinen an den Pier Ranongs gekarrt werden. Alles gut organisiert und recht preisgünstig. 500 Baht (15 Franken) kostet die 40-minütige Überfahrt mit dem Schnellboot, inklusive Flughafentransfer zur nur 5 Kilometer breiten, 8 Kilometer langen Insel Koh Phayam, wo der Legende nach vor 40 Jahren noch Piraten ihr Unwesen trieben.

Piraten gibt’s hier heute keine mehr, ein paar Dutzend sesshaft gewordene Nachkommen des asiatischen Seevolks der Moken finden sich in ärmlichen Hütten im Morgan Village, weitab der Bungalow- und Resort-Meilen, in denen viele Thais ihr Auskommen haben. Wobei Resort ein grosses Wort ist: die meisten Ferienanlagen bestehen aus maximal zehn meist sehr einfachen Hüttchen, in denen keine Klimaanlage rattert und warmes Wasser aus der Dusche ein Luxus wäre. Doch bei Temperaturen um die 30 Grad liegt eine kühlende Kaltwasserdusche drin, auch wenn dies morgens ein bisschen Überwindung kostet…

Luxusanlagen wie es sie heute im einstigen Aussteigerparadies Phuket zuhauf gibt, sucht man auf Koh Phayam vergeblich. Es gibt auch keinen Heliport, keine Marina, Segelboote sind selten zu sehen. Dafür lockt an der Westküste der drei Kilometer lange schneeweisse Sandstrand Aow Yai, auch Long Bay genannt. Die Gezeiten sorgen dann und wann gar für anständige, surfbare Wellen. Der Strand ist jedenfalls «the place to be», um mit einem Chang, Leo, Singha Bier oder Mojito in der Hand den schönsten Sonnenuntergang Thailands zu erleben. Ein kostenloses Schauspiel, jeden Abend.

Überall Deutsch und Schwizerdütsch

Was das Tessin für die Deutschen, ist Koh Phayam offenbar für die Deutschschweizer. In den Wintermonaten scheinen viele vorübergehend nach Koh Phayam zu flüchten, wie vor 25 Jahren nach Phuket. Am Strand, in der Bar, im Restaurant hört man mehr Deutsch und Schwizerdütsch als Englisch. Man bekommt das Gefühl, dass es sich in der Überzahl der Feriengäste um Deutschschweizer und deutsche Ferienreisende handelt. Daneben gibt es ein paar wenige Holländer, Skandinavier, Engländer und Franzosen. Amerikaner oder Russen sieht man kaum. Das dürfte auch daran liegen, dass es keine Luxusanlagen gibt.

Nicht wenige Schweizer, junge und ältere, vom Banker, Botschaftsangestellten bis zum Bauleiter, kehren seit 10 Jahren und mehr immer wieder nach Koh Phayam zurück. Viele hielten der Insel auch während der Covid-bedingten Flaute die Stange und die einheimischen Bungalow-Besitzer mit Spenden finanziell über Wasser. So wie Ann, die dank der Unterstützung aus der Schweiz einen weiteren Bungalow fertig bauen konnte und sich so mit drei Töchtern, Mann, drei Hunden und vier Katzen über die Runden brachte. Die 36-Jährige ist eine fantastische Köchin, die sich mit ihren Kochkünsten die Gunst einer Schweizer Klientel gesichert hat.

Die Besucher finden auf Koh Phayam Entspannung und Erholung pur, in der Hängematte mit einem Buch, beim Fischen, Schnorcheln oder Frisbeespielen. Nirgendwo plärrt ein Fernseher, News-Junkies müssen sich mit Internet begnügen, welches mehr oder wenig zuverlässig funktioniert. In einzelnen, vor allem günstigeren Bungalowanlagen war vor vier Jahren der Strom über Nacht noch kurzerhand abgestellt worden.

Viele Hippies

Auffallend sind die zahlreichen in die Jahre gekommenen Hippies, die als geschätzte longterm guests hier überwintern. Die Rossschwänze sind dünner geworden, die Tatoos verblassen, aber sie können wohl abends an der Strandbar von jenem legendären Stones-Konzert erzählen, das sie 1968 im Hallenstadion noch live erlebt haben. Der einzige Coiffeursalon der Insel hätte jedenfalls wohl schon lange Konkurs anmelden müssen, gäbe es ausser den CC Top-Typen nicht noch die Frauen…

Koh Phayam ist so etwas wie das Gegenstück zu den überlaufenen und lärmigen Eilanden Phuket, Koh Phi Phi oder Koh Samui. 2019 gab es noch keine befestigten Strassen, was sich erst kurz vor Ausbruch der Covid-Pandemie änderte. Nun führen gleich zwei Strassen vom Hauptort Phayam weg. Die eine führt von Norden nach Süden. Auf der anderen Richtung Westen erreicht man die Buffalo Bay, wo sich Bungalow-Anlage an Bungalow-Anlage reihen. Diese sind so klein, dass sie auf den Buchungsportalen meistens nicht zu finden sind. Man reicht sich die Tipps weiter, sucht vor Ort oder ist Wiederholungstäter.

Autos oder Lastwagen gibt’s mit Ausnahme des Feuerwehrlöschfahrzeugs und dem kleinen Ambulanzfahrzeug der Notfallstation am Pier keine. Alles bewegt sich per Motorfahrrad oder Scooter weiter. Für 200 Baht (6 Franken) Miete kann man während 24 Stunden die hügelige Insel, die weitläufigen Gummi- und Cashew-Nuts-Plantagen erkunden. Dabei lohnt es sich, rechtzeitig ein Bike zu reservieren, die Nachfrage übertrifft vor allem im Dezember/Januar das Angebot bei weitem. Wer nicht selber fahren will, ruft eines der zahlreichen Motorradtaxis. Für 100 Baht (3 Franken) pro Person wird man vom Pier an den Traumstrand Long Bay chauffiert. Unterdessen finden sich auch tuk-tuk-ähnliche Motorräder, was vor vier Jahren noch nicht der Fall war. Die Taxichauffeure waren echte Balancekünstler, mussten sie doch neben dem Fahrgast auf dem Rücksitz auch noch das Gepäck vorne vor ihren Füssen über die teilweise sehr holprigen Sandstrassen transportieren.

Aber auch das Paradies hat einen Makel: bleiches Touristenfleisch steht zuoberst auf dem Menüplan der lokalen Moskitos. Also unbedingt Mückenschutz einpacken!