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Ein Diamantenfund machte Kolmanskop zu einer der reichsten Städte Namibias – und das mitten in der Wüste. Doch das Glück währte nicht ewig. Bild: Max Murauer

Sechs Geisterstädte, in denen die Zeit still steht

Sie bieten den idealen Schauplatz für gedankliche Zeitreisen, warten mit spannenden Fotomotiven auf, und sind ein bisschen gruselig. Hier sind sechs verlassene Städte und Dörfer aus aller Welt.

Consonno, Italien: Ruinen statt Bunga-Bunga

Nichts weniger als ein Las Vegas Italiens wollte der Graf Mario Bagno in den lombardischen Hügeln schaffen. 1962 erstand er dazu das Bauerndorf Consonno und ging dabei zwar nicht über Leichen, zumindest aber über Leute; die Bewohner des Orts in der norditalienischen Provinz Lecco wurden aufgefordert, ihre Häuser für das pompöse Projekt zu verlassen. Die meisten Gebäude liess der Unternehmer abreissen, an ihrer Stelle entstanden Hotels, Clubs, Casino und ein Shoppingcenter.  Anfangs mit Erfolg: Feierfreudige Meuten und die italienische High Society folgten des Grafes Ruf, bald wurde in Consonno getanzt und gefeiert.

Im italienischen Consonno standen einmal Hotels, Clubs, ein Casino und ein Shoppingcenter. Heute ist das Dorf verlassen. Bild: Matteo Giovanardi

Dann zerstörte im Jahr 1976 ein Erdrutsch die einzige Zufahrtsstrasse. Und weil sich weder Bagno noch die Gemeinde für die Reparatur verantwortlich fühlten, bedeutete das Ereignis zugleich das Partyende. Ein Wiederbelebungsprojekt Consonnos als Altersresidenz in den 80er-Jahren ist gescheitert, und längst hat die Natur zur Rückeroberung des Geländes angesetzt.

Oradour-sur-Glane, Frankreich: Mahnmal eines Massakers

Dass der zentralfranzösische Ort Oradour-sur-Glane heute weitgehend in Trümmern liegt und entsprechend verlassen ist, hat einen brutalen Hintergrund: Am 10. Juni 1944 verübten Soldaten der Waffen-SS hier ein Massaker, das nur wenige Dorfbewohner überlebten. 642 Personen wurden ermordet, Wohnhäuser geplündert und in Brand gesteckt. Was von Oradour übrig blieb, wurde nach Kriegsende zum Mahnmal erklärt und demgemäss erhalten.

Die Ruinenstadt Oradour-sur-Glane wurde nach dem 2. Weltkrieg zum Mahnmal eines Massakers. Bild: MrsBrown

Ein Besuch der Ruinenstadt gleicht deshalb einer bedrückenden Zeitreise ins Jahr 1944. Denn zwischen den Überresten eingestürzter und abgebrannter Gebäude und vor sich hin rostender Autos und Tramschienen scheint die Zeit wahrhaftig stehen geblieben zu sein. Auf Informationstafeln entlang des Rundgangs und im 1999 eröffneten Dokumentationszentrum erfahren Besucherinnen und Besucher Hintergründe zum «Massaker von Oradour».

Alt-Graun, Südtirol: Das geflutete Dorf

Nur noch den Kirchturm sieht man von Alt-Graun, der Rest liegt unter der Wasseroberfläche. Da braucht schon etwas Vorstellungskraft, wer sich das versunkene Dorf in all seinen Facetten ausmalen will. Denn selbst von dem, was auf dem Seegrund zu finden wäre, wurde für den Bau eines Wasserkraftwerks Vieles weggesprengt – nur eben nicht der aus dem 14. Jahrhundert stammende Kirchturm, Denkmalschutz sei dank.

Nur noch den Kirchturm sieht man von Alt-Graun, der Rest liegt unter der Wasseroberfläche. Bild: Alex Flindt

Zum Verhängnis wurde dem Dorf seine Lage bei zwei Naturseen. Kurz nach dem zweiten Weltkrieg wurden diese mittels dem, was mittlerweile als «verantwortungslose See-Stauung» bezeichnet wird, zum Reschensee vereint. Graun wurde überschwemmt und rund 150 Familien mussten sich andernorts eine neue Existenz aufbauen. Der übrig gebliebene, vom Uferweg sichtbare Kirchturm ist heute beliebtes Fotomotiv und Wahrzeichen des Vinschgaus.

Bodie, Kalifornien: Die goldenen Zeiten sind vorbei

Wer eine Goldgräberstadt mit Laiendarstellern in Cowboykleidung, funktionalen Saloons und sonstigem Halligalli sucht, ist in Bodie falsch. Anders als bei anderen Westernstädtchen wurde aus dem verlassenen Ort kein Vergnügungspark gemacht. Hier sammeln sich nur der Staub und entdeckungsfreudige Touristen. Dabei soll die in der Sierra Nevada gelegene Geisterstadt einst bis zu 10'000 Einwohner gezählt haben. Das war in den 1870er Jahren, zur Blütezeit des lokalen Goldrauschs. Es gab jede Menge Saloons, Bordelle, und Hotels, eine Bank und selbst ein eigenes kleines Chinatown.

Von der Goldgräberstadt Bodie blieb ausser Gebäudehüllen nicht mehr viel übrig. Bild: dtavres

Allzu viel ist davon heute nicht mehr zu sehen. Denn schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts zog es viele der Minenarbeiter in vielversprechendere Gegenden, und spätestens als 1942 das Postamt dichtmachte, war das Ende Bodies besiegelt. 1962 zum National Historic Landmark erklärt, wurde gerettet, was noch nicht zerfallen oder abgerissen war. Gut hundert Gebäude, eine Tankstelle und der Friedhof lassen sich darum heute noch im Originalzustand besichtigen.

Kolmanskop, Namibia: Von der Wüste zurückerobert

Gerade etwa zur selben Zeit, als im kalifornischen Bodie der Goldrausch und mit ihm der Bevölkerungswachstum langsam versiegte, geschah in einem verschlafenen Nest im Südwesten Namibias das Gegenteil. Ein aufsehenerregender Diamantenfund machte Kolmanskop zu einer der reichsten Städte des Landes – und das mitten in der Wüste.

Als die Mine in Kolmanskop nichts mehr hergab, zogen die Arbeiter mit ihren Familien weiter. Bild: Adobe Stock

Allerdings währte auch hier das Glück nicht ewig. Als die Mine nichts mehr hergab, die Diamantenfunde weiter südlich lukrativer wurde, zogen die Arbeiter mit ihren Familien in den frühen 1930er weiter. Seit 1956 komplett verlassen, wohnt in der einstigen Wüstenmetropole heute nur noch der Sand – und der macht wirklich vor gar nichts halt. Das macht den Besuch in Kolmanskop zu einem eindrücklichen Erlebnis.

Hashima, Japan: Kompakte Geisterinsel

Ziemlich kompakt präsentiert sich die Geisterstadt Hashima im Ostchinesischen Meer. Von den Japanern selbst wird die verlassene Insel ob ihrem wuchtigen Aussehen auch gerne als «Kriegsschiff» bezeichnet. Von hier aus wurde ab 1887 unterseeischer Kohleabbau betrieben. Und um so viele Arbeiter wie möglich auf dem begrenzten Raum einzuquartieren, errichtete der Mitsubishi-Konzern auf Hashima 1916 die landesweit ersten mehrstöckigen Wohngebäude aus Stahlbeton. Das ermöglichte über 5000 Arbeitern und ihren Familien gleichzeitig auf der 160 mal 480 Metern «grossen» Insel zu leben.

Auf der japanischen Insel Hashima wohnten einst 5000 Leute. Bild: Adobe Stock

Komfortabel war das nicht!  Nachdem die Werke aufgrund von Energiereformen 1974 geschlossen wurden, konnte es den meisten Bewohnern wohl nicht schnell genug gehen, von der Insel mit ihren knappen Platzverhältnissen wegzukommen. Maschinen, Möbel, Spielzeuge – vieles ist zurückgeblieben. 2015 wurde die Geisterstadt als «Industriedenkmal» in der Liste des Unesco-Welterbes aufgenommen, Rundgänge sind auf einem gesicherten Pfad möglich.

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