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Ende des Aufstiegs für Unbelehrbare
Urs Wälterlin, YularaEs war der Aufstieg der Unbelehrbaren: in den Tagen und Wochen vor der offiziellen Schliessung des Uluru-Aufstiegs vor drei Jahren pilgerten tausende von Touristen ins Rote Zentrum des Kontinents, um noch einmal – oder zum ersten Mal – den wohl ikonischsten Berg des Landes zu besteigen.
Der Uluru, oder Ayers Rock, wie ihn frühe weisse Kolonialisten getauft hatten, gilt als eine der führendsten Touristenattraktionen Australiens. Journalisten hatten damals berichtet, nicht wenige weisse Australierinnen und Australier hätten von einem «Geburtsrecht» gesprochen, als sie mit dem Aufstieg begannen. Andere wurden mit rassistischen Aussagen gegen die Ureinwohner zitiert, die seit mindestens 30'000 Jahren im Schatten des Uluru leben.
Nach Jahrzenten des Bittens und des Bettelns hatten die Menschen vom Stamme der Anangu die Schliessung des Aufstieges erreicht, und die Entfernung der Kette, die 1964 von einem weissen Bauern montiert worden war – ohne Erlaubnis der Urbewohner. Es war ein Sakrileg: wie viele Schluchten, Wasserlöcher und Höhlen des 348 Meter hohen Inselberges gilt auch der Gipfel als heilig und tabu.
«Kommt hierher – und lernt».
Der Uluru ist eng mit den Gesetzen und der Kultur der Anangu verbunden – dem «Tjurkurpa». Trotzdem kletterten im Verlauf der Jahrzehnte hunderttausende Touristen aus aller Welt auf den Gipfel. Unter ihnen war auch die Schweizerin Hanny Gerber, Ende der achtziger Jahre. Vom Wunsch der Urbesitzer, auf das Klettern zu verzichten, habe man damals nichts gewusst: «Man hatte keine Ahnung», so Gerber, bei ihrem jüngsten Besuch am Uluru. So sei man «eben hochgestiegen».
Drei Jahre nach der Schliessung sei das Klettern unter Touristen kein Thema mehr, meint Sammy Wilson, Anangu-Ältester und einer der traditionellen Wächter über die Geheimnisse des Uluru. «Die Frage wird auch kaum noch gestellt. Denn die Leute wissen schon vor der Ankunft, dass das Besteigen des Uluru verboten ist». Auf die Besucherzahlen hatte die Schliessung offenbar keine messbaren Folgen.
Mit dem Ende des Aufstiegs endete für die Anangu ein Jahrzehnte dauernder Kampf um die Anerkennung ihrer Forderungen. Zwar hielten Aboriginal Sitze in der von weissen Verwaltern dominierten Uluru-Nationalparkbehörde. Doch zu sagen hatten die ersten Australier wenig. Die Tourismusindustrie pochte darauf, dass die ihrer Meinung nach wichtige Attraktion für alle Besucher zugänglich bleibe. Sie fürchtete um ihre Einkünfte, sollte der Aufstieg geschlossen werden.
Schliesslich begangen Umfragen zu zeigen, dass immer weniger Touristen noch klettern wollten. Die meisten respektierten den Wunsch der Anangu. Seit den neunziger Jahren hatten Schilder Besucher aufgefordert, nicht zu klettern. Erlaubt aber blieb es. Bis zum 26. November 2019.
Für Besucher wie Hanny Gerber wäre es heute undenkbar, den Berg zu besteigen. «Ich weiss ja jetzt, dass es ein heiliger Berg für die Aboriginal ist. Somit achte ich das und gehe da sicher nicht mehr hoch», sagt Gerber. Sie finde, man habe «viel mehr Achtung von diesem Berg, wenn man ihn nur von unten sieht».
Sammy Wilson empfiehlt, die Enormität des Uluru zu Fuss zu erkunden. Die neun Kilometer lange Wanderung um den Berg dauert etwa zwei Stunden. Dabei solle man auf die Schilder achten, welche die Bedeutung von Orten erklärten, die seit Jahrtausenden eine wichtige Rolle in der Geschichte der Anangu spielen. Wilson’s Aufruf an die Menschen der Welt: «Kommt hierher – und lernt».