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Alleinreisende im Hotel wollen nicht wie eine halbe Portion behandelt werden. Bild: Shutterstock

«Zweiertische für Einzelgäste sind tödlich»

Andreas Güntert

Wie sollen Hotels Alleinreisende behandeln? Was geht gar nicht? Und warum treten Kellner bei Einzelgästen oft als Terminator auf? Hospitality-Profi Adrian Stalder hat Rat.

Als Einzelgast ins Hotel reisen und dort einen guten Service erwarten: Eigentlich das normalste Ding auf dieser Hotel-Welt. Und doch haben Hotelbetriebe beim Thema Solo-Travel noch Lernbedarf. Das zeigt die Schilderung von Karin Kofler. Die Autorin erzählte hier, was bei ihrem Aufenthalt in einem 4-Sterne-Haus schief gelaufen ist.

Während sich die Stadthotellerie schon länger auf die Bedürfnisse von Alleinreisenden ein- und ausrichtet, gibt es in der Ferienhotellerie Luft nach oben. Im Interview sagt Hospitality-Profi Adrian Stalder, was schief läuft. Und was besser laufen muss.

Herr Stalder, kürzlich schilderte Karin Kofler, wie schlecht sie sich als Alleinreisende in einem 4-Sterne-Haus in Arosa behandelt fühlte. Können Sie den Frust unserer Autorin nachvollziehen?

Adrian Stalder: Ja, das kann ich durchaus.

Was ist bei diesem Erlebnis schief gelaufen?

Man kann das so zusammenfassen: Hotels möchten gerne die Bedürfnisse ihrer Gäste erfüllen. Dazu müssten sie aber zunächst einmal fragen, was denn die Bedürfnisse sind. Gerade für Alleinreisende ist das eine zentrales Thema.

Adrian Stalder: «Alles vermeiden, was Alleinreisende stigmatisiert.» Bild: zVg

Wie meinen Sie das?

Manche Alleinreisende möchten im Hotel und im Speisesaal lieber alleine sein und bleiben. Andere wiederum schätzen es sehr, in Gesellschaft zu sein, also beispielsweise an einem Kitchen Table oder Community Table zusammen mit anderen Gästen zu speisen. Wer will was? Das sollten Gastgeber zuvor in Erfahrung bringen.

Wie und wann?

Am besten schon bei der Buchung. Oder dann beim Check-In an der Rezeption.

In Koflers Schilderung wurde dem Halbpensionsgast für Nachtessen und Frühstück der gleiche Tisch zugeteilt. Wie zeitgemäss ist das?

Das ist nicht zeitgemäss, das ist vorgestrig und auch nicht hilfreich – weder für den Gast noch für das Hotel.

Gibt es No-Gos bei der Behandlung Alleinreisender im Hotel und im Restaurant?

Die gibt es tatsächlich. Fangen wir bei der Behandlung durch den Service an. Oft tritt der Kellner wie ein Terminator mit Scanner-Blick an. Er taxiert die Einzelperson als einen Konsumenten, der nur den halben Franken-Ertrag abwirft. Er bucht einen Einertisch so gleich zu Beginn als Verlustgeschäft ab und lässt das den Gast spüren. Aber das ist zu kurzfristig gedacht.

Was wäre der korrekte Langfrist-Gedanke?

Nicht der alleinige und blödsinnige Fokus auf den erstmalig erzielbaren Umsatz ist massgeblich. Sondern der Fokus darauf, diesen Gast so happy zu machen, dass sie oder er wiederkommt. Oder zumindest ein positives Erlebnis auf Social Media postet.

«Alle Alleinreisende in einem Single-Corner parkieren: Ein No-Go.»

Alleinreisende im Hotel: Welche weiteren No-Gos gibt es?

Schlimm ist alles, was Alleinreisende im Speisesaal stigmatisiert. Katzentische für Singles: Vermeiden. Alle Alleinreisende in einem Single-Corner parkieren: Ein No-Go. Ebenso gilt: Eingedeckte Zweiertische für Alleinreisende sind tödlich. Und natürlich ist es komplett daneben, Alleinreisende im Hotelzimmer mit einem Bett zu empfangen, das mit Duschtuch und Duvet für einen zweiten – nicht anwesenden – Gast aufwartet.

Jetzt kennen wir die No-Gos für Alleinreisende. Wie macht man es besser?

Wichtig ist von Beginn weg, dass Alleinreisende nicht gestraft werden dürfen. Preislich ebenso wenig wie emotional. Wenn Leute auf Reisen lieber alleine bleiben wollen, sollen sie im Speisesaal nicht irgendwo an den Rand gedrängt oder ausgestellt werden, sondern ihren Tisch selber wählen dürfen.

Mit Namenskärtli auf dem Tisch?

Bitte nicht!

Wie reagieren, wenn Alleinreisende Gesellschaft suchen?

In vielen Speisesälen gibt es gute Angebote mit Gemeinschaftstischen, sogenannten Community-Tables. Oder auch Kitchen-Tables. Da sitzt man zusammen an einem grossen Tisch und sieht, wie die Köche hantieren. Alleine essen hat oft etwas Tristes – da kann ein bisschen Entertainment nicht schaden. Wenn man sich das so wünscht. Das Community-Gefühl kann aber auch ausserhalb des Speisesaales entstehen.

Wie und wo?

Zum Beispiel, wenn Rezeption und Bar oder Rezeption und Lounge als eine Einheit geführt werden. Der Gast kommt so quasi mitten im Leben an.

Am Abend spielt das gesellschaftliche Leben oft an der Hotel-Bar.

Natürlich ist eine Hotel-Bar per se ein guter Ort, auch für Alleinreisende. Wobei man auch hier wieder Fingerspitzengefühl und Verständnis dafür aufbringen muss, dass sich alleinreisende Frauen möglicherweise an einer Bar weniger wohl fühlen als Männer. Ferienhotels können Alleinreisenden aber auch ein Community-Gefühl ausserhalb des Hotels bieten.

Die Hotelbar: Ein guter Ort für Alleinreisende. Wenn auch nicht jederfraus Sache. Bild: Internaut

Wie geht das?

Zum Beispiel mit geführten Wanderungen. Oder mit Yoga- oder Pilates-Einheiten frühmorgens auf der Wiese vor dem Haus.

Welche Hotels machen heute schon einen guten Job bezüglich Community-Gedanke für Alleinreisende?

Spontan kommt mir da die Motel-One-Gruppe in den Sinn, die meistens eine sehr geräumige Bar bietet, die 24 Stunden lang geöffnet ist. In Zürich mag ich das Hotel Townhouse gleich neben der Bahnhofstrasse, auch wegen des stimmungsvollen Cafés im Erdgeschoss.

Welche Relevanz hat das Gästesegment der Alleinreisenden heute und in Zukunft bei Urlaub und Geschäftsreisen? Wo geht die Reise hin?

Das spielt eine grosse Rolle. Nur schon aufgrund der steigenden Zahl der Single-Haushalte werden wir in Zukunft noch mehr alleinreisende Gäste sehen. Kommt dazu: War es früher etwas verpönt, alleine auf Reisen zu gehen, ist Solo-Travel heute eine normale Sache.

Wie bauen Sie dieses Trend-Thema in die Planung neuer Betriebe ein?

Bei der Planung nehmen wir das so vorweg, dass wir dem Community-Aspekt Rechnung tragen und schon gar keine Einzelzimmer mit 90-Zentimeter-Betten mehr bauen. Das will heute kein Gast mehr. Und auch kein Mensch bei sich zu Hause.