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Am 28. November (gegen Brasilien) und am 2. Dezember 2022 (gegen Serbien) spielt die Schweizer Fussball-Nationalmannschaft im Stadium 974 in Katar. Das vollständig rückbaubare Stadion fasst 40'000 Zuschauer – wie viele Schweizerinnen und Schweizer werden an den WM-Spielen live dabei sein? Bild: Fifa

Wer bei der Fussball-WM mitmischt – und wer die Finger davon lässt

In zehn Wochen beginnt die Fussball-Weltmeisterschaft in Katar. Zieht diese WM überhaupt Schweizer Fans an? Und wird sie zum Geschäft für die Sportreisen-Veranstalter?

Am 20. November – also in rund zehn Wochen – geht die FIFA Fussball-WM los, einer der grössten Sport-Events der Welt. Auch die Schweizer Fussball-Nationalmannschaft ist wieder dabei; sie trifft am 24. November auf Kamerun, am 28. November auf Brasilien und am 2. Dezember auf Serbien; natürlich hofft das ganze Land auf ein Weiterkommen in die KO-Phase.

An Kritik mangelte es dieser ersten WM auf arabischem Boden – die auch die erste WM ist, die nicht im (europäischen) Sommer stattfindet und für welche mehrere klimatisierte Stadien erbaut werden mussten – wahrlich nicht. Dazu gab es seit der umstrittenen Vergabe vor vier Jahren ja noch eine Pandemie. Tut das der Nachfrage Abbruch? Travelnews hat bei fünf Spezialisten nachgefragt.


Victor Tinari

Victor Tinari, Travelclub Sports Worldwide: «Als wir im Mai 2022 die Packages für die WM lancierten, gab es sofort einen Run darauf - wie üblich bei solchen Grossanlässen. Wir sind sehr zufrieden mit der Nachfrage - es gab gewiss einige Länder, in denen man diese WM kritisch beäugt, darunter auch die Schweiz, doch einen spürbaren Effekt auf die Nachfrage hatte das kaum. Wir haben noch ein paar freie Plätze, jedoch wurde sehr viel schon früh abgesetzt. In diesem Fall kann man also nicht behaupten, dass kurzfristig gebucht wird, wie das bei normalen touristischen Leistungen in diesem Jahr der Fall war.

Wir haben als offizielles Reisebüro des Schweizer Fussball-Verbands Packages für alle drei Spiele der Schweiz sowie auch für jeweils zwei Spiele oder nur eins aufgelegt.

Die Packages mit allen drei Spielen sind ausverkauft, jenes für die ersten beiden Spiele gegen Kamerun und Brasilien ist ebenfalls sehr gut verkauft worden. Das etwas günstigere Package für die Spiele gegen Brasilien und Serbien war etwas weniger nachgefragt, doch da kommt derzeit noch etwas herein; ähnlich verhält es sich beim kürzeren Package, wo lediglich das Spiel gegen Brasilien gesehen wird. Günstig sind die Zweier-Packages mit Serbien aufgrund der günstigeren Flüge; das hat nichts mit der Doppeladler-Episode von 2018 zu tun. Bei allen unseren Packages wird auf der topmodernen MSC World Europa übernachtet, eine von zwei Schiffen, die in Doha während der WM ankern. Wir haben da kaum Vorbehalte gespürt, im Gegenteil: Es wird geschätzt, dass man Kabinen, Restaurants und Unterhaltung an einem Ort hat. In den normalen Hotels in Doha hat es sowieso kaum Platz, dort müssen ja 32 Teams mitsamt Begleitung, die Schiedsrichter, Sponsoren, Hospitality-Gäste und mehr unterkommen. Eine ganze WM an einem einzigen Ort ist schon aussergewöhnlich... das hat aber auch dazu geführt, dass es für Selbstbucher schwierig ist: Tickets bei der FIFA kriegte man, Flüge mit Qatar Airways hat es aus der Schweiz auch genug, aber Hotelplätze fast keine, oder zu überrissenen Preisen. Wir sind froh, haben wir uns Kontingente auf dem MSC-Schiff sichern können.

Die Alternativen mit den Shuttle-Flügen ab Dubai oder Abu Dhabi sind auch nur bei Selbstbuchern ein Thema. Wir schauten uns das an, hätten aber angesichts unserer Volumen Probleme bekommen mit den Linienflügen. Charter waren indes kein Thema, die Preise für die kurzen Flüge waren viel zu hoch. Überdies sind wir bei der Logistik vorsichtig: Der ‹Testlauf› mit dem FIFA Arab Cup in Katar vor einem Jahr ging logistisch ziemlich schief. Nun schauen wir aber einer für uns erfreulichen WM entgegen - und auch sonst läuft das Geschäft mit Fussball-Arrangements in den grossen Ligen aktuell sehr erfreulich.»

Roger Geissberger. Bild: Rémy Steiner

Die grossen Turniere wie Fussball-WM und -EM liegen bei Knecht Reisen traditionell in den Händen von Roger Geissberger – nach seiner aktiven Fussballkarriere und seinem jahrzehntelangen Involvement beim FC Aarau ist das auch naheliegend. Da steckt viel Herzblut drin. Auch 2022 wird Roger Geissberger eine kleine Gruppe an den Ort des Geschehens begleiten. Knecht Reisen hat ein Kontingent von 20 Plätzen inklusive Eintrittskarten. Die Gruppe wird drei Tage in Abu Dhabi verweilen und anschliessend für fünf Tage nach Dubai weiterreisen. Von Abu Dhabi aus fliegt die Gruppe 40 Minuten nach Doha, um an zwei Schweizer Spielen im Stadion mitzufiebern. Die Hälfte der Gäste reist an alle drei Schweizer Spiele.

Die Logistik habe gewisse Herausforderungen gestellt, aber diese haben wir dank verlässlichen Partnern und unserer jahrzehntelangen Erfahrung bestens im Griff, sagt Matthias Reimann, Sprecher von Knecht Reisen. «Zurzeit haben wir noch vier Plätze zu verkaufen, der Rest ist durch Stammgäste gebucht, die seit 1994 immer mit Roger Geissberger zu den Fussball-WM-Turnieren gereist sind.»

Richard Wey

Richard Wey, Destinations Travel: «Es ist schwierig. Flugkontingente haben wir erhalten, Eintrittstickets hätten wir auch gekriegt, aber keine überzeugenden Hotels. Wir lassen vorerst die Hände von der diesjährigen Fussball-WM. 30 bis 40 Anfragen liegen vor, einige der Kunden haben auch schon Eintrittstickets. Doch eben, es fehlt an Hotels. Und obwohl ich gerne mal auf einer Kreuzfahrt bin, die Möglichkeit auf einem Kreuzfahrtschiff im Hafen zu übernachten während zehn Tagen, überzeugt mich nicht. Und die Packages, die nun auftauchen, sind äusserst teuer. Tickets für drei Gruppenspiele, dann der Aufenthalt in einem Dreisterne-Hotel und die Flüge zu über 8000 Franken, das ist enorm.

Ob wir nochmals einen Anlauf nehmen, lasse ich offen. Wir waren personell reduziert und hatten in den letzten Tagen sehr viel zu tun, etwa mit der Organisation der Conference League Spiele. Wenn alle Mitarbeitenden wieder hier sind, schauen wir die Situation nochmals an. Ein konkretes Angebot haben wir noch nicht aufgeschaltet. Bei anderen Veranstaltern habe ich auch schon Packages gesehen mit der Übernachtung in Abu Dhabi. Aber für jedes Spiel dann wieder rüber- und zurückfliegen, das ist alles nicht überzeugend.»

Michael Boggio

Michael Boggio, Ivanmeyertours: «Die Fussball-WM ist bei uns kein Thema. Rein personell könnten wir das aktuell nicht stemmen, es läuft sonst schon so viel. Dass die WM in Katar ausgetragen wird, hat auch nicht gerade dafür gesorgt, dass wir uns damit beschäftigt haben. Schon die WM in Russland und die Euro im letzten Jahr über Europa verteilt, waren nicht unser Ding. Bei der WM 2006 in Deutschland und der Euro 2016 in Frankreich sah das noch anders aus, das war einfacher in der Abwicklung. Aber jetzt lassen wir die Finger davon und haben die einzelnen Buchungsanfragen unserem Partner Travelclub weitergeleitet.»

Markus Meier

Markus Meier, Kuoni Sports/Ochsner Sport Travel: «Wir haben uns komplett aus diesem Thema rausgehalten. Wir bieten keine Nationalmannschafts-Spiele an, da wir keine Ticket-Kontingente für die Schweiz haben. Tatsächlich hatten wir trotzdem ein halbes Dutzend anfragen, die wir dann aber dankend abgelehnt haben. Dass die WM im November stattfindet, ist aber unglücklich: Auf die Europäischen Ligen hat es insofern einen Einfluss, weil damit einer der besten Monate für Live-Fussballspiele wegfällt für 2022. Da wir eben keine Nationalmannschaft anbieten, fehlt uns für diesen Monat das komplette Business.»

Fazit

So verheissungsvoll die drei Gruppenspiele der Schweiz mit den Gegnern Kamerun, Brasilien und Serbien sind: Den grossen Run wie in anderen Jahren, als etwa an der WM 2006 in Dortmund 40'000 Schweizer Fans live mitfieberten, wird es an der WM 2022 in Katar natürlich nicht geben. Zum einen ist Katar nicht um die Ecke, obwohl eigentlich gut an die Schweiz angebunden. Doch zu teuer fallen die Packages aus, Hotels in Katar sind zum jetzigen Zeitpunkt kaum noch zu bezahlen und auch die Anreise hat ihren Preis. Dazu sind die Aussichten, rund um die Spiele eine grosse Fussball-Party zu erleben, eher fraglich - das Land ist nicht gerade als Fussball- und Party-Hochburg bekannt. Nicht zuletzt haben die umstrittene Wahl des Austragungsortes und die Entstehung der Stadien, die viele Opfer unter den Arbeitern forderte, bei einigen dafür gesorgt, dass sie diese WM nicht wirklich zu verfolgen gewillt sind.

Wie aus der Travelnews-Umfrage hervorgeht, haben drei von fünf grösseren Schweizer Sportreisen-Spezialisten schon im Vorfeld das Handtuch geworfen. Zu mühselig hat sich die Organisation von WM-Reisen gestaltet. Die Personaldecke ist vielerorts zu dünn, um auch noch diesen Grossanlass zu stemmen. Immerhin läuft aber das sonstige Sportgeschäft gut, gerade auch im Bereich Fussball, wo die Nachfrage für Spiele der Champions League, Premier League oder Bundesliga grösser als in anderen Jahren sei.

Traditionell an der WM dabei ist Knecht Reisen mit Ex-CEO Roger Geissberger als kompetentem Tourguide. Indes beschränkt sich die Gruppenreise auf 20 Fans. Grösser richtet der Travelclub an, das offizielle Reisebüro des Schweizer Fussball-Verbands. Das Angebot mit Übernachtungen im Hafen von Doha auf der MSC World Europa, nahe an den Stadien in einer in sich geschlossenen Cruise-Welt, scheint gut anzukommen. Aber es ist klar: Die WM 2022 wird in vielerlei Hinsicht anders sein als frühere Weltmeisterschaften.

(JCR/GWA)