Here & There
Flanieren und geniessen an der Rue Saint James
Andreas GüntertMit bloss 250'000 Einwohnern gilt Bordeaux als City-Zwerg. Die Wein-Metropole im Südwesten Frankreichs rangiert erst an neunter Stelle der grössten Städte der Grande Nation.
Aber um Grösse im konventionellen Sinne geht es bei der Starken Strecke sowie nie. Worum es hier geht: Um Vielfalt fernab der grossen globalisierten Ketten, um Schaffenskraft, die lokal entsteht und regional verwurzelt ist.
Bordeaux Altstadt: Grosses Angebot auf kleinem Raum
In dieser Hinsicht ist Bordeaux stark. Ganz stark. Kaum je hat der Internaut eine Stadt dieser Grösse gesehen, die auf kleinem Raum so viel zu bieten hat.
Bordeaux, etwa hundert Kilometer vom Atlantik entfernt, wird oft auf die Rolle als einst sehr wichtige Hafenstadt und als Welthauptstadt des Weins reduziert. Aber in der Altstadt lässt sich auch jede Menge entdecken.
Unsere Starke Strecke Bordeaux beginnt mit einem wunderbaren Eingangstor, der «Grosse Cloche».
Das massive Bauwerk ist der Glockenturm des ehemaligen Rathauses und damit eines der wenigen bürgerlichen Denkmäler, welche sich die Stadt aus dem Mittelalter bewahren konnte.
Vieux Bordeaux, Rue Saint-James: Drei Dinge noch
Wer durch das Tor der «dicken Glocke» schreitet, macht in Bordeaux schon mal ziemlich viel richtig.
Denn jetzt geht es über die Rue Saint-James hinunter bis zur lauschigen Place Fernand Lafargue, die hier ebenfalls noch eine dicke Rolle spielen wird.
Drei Dinge noch, bevor wir losziehen. Die Rue Saint-James klingt zwar recht anglophil, aber in englischer Art und Weise spricht das in Bordeaux niemand aus.
Lege Dir in ein näselndes «ä» bereit und sage dann: «Sän Schaam» Das trifft es schon mal ziemlich gut.
Zweitens: Bedenke beim Abschreiten der Rue Saint-James mit einer gewissen Ehrfurcht, dass Du hier auf einem Abschnitt des Pilgerwegs nach Santiago de Compostella wandelst.
Und drittens: Die Rue Saint-James ist auch deshalb so speziell, weil sie gleich drei Quartiere von Bordeaux streichelt. Saint-Michel und La La Victoire liegen westlich, Saint-Pierre östlich.
Aber genug herumparliert jetzt. Los gehts in diese Strasse, die bestimmt nicht meine letzte Starke Strecke aus Bordeaux sein wird.
Bordeaux Rue Saint James: Ein Kaffeehalt
Die unbestrittene Pole Position für diese Starke Strecke ist das kleine Frühstücks-Café Pain de Soleil. Nirgends sitzt es sich hier schöner mit einer Tasse Kaffee.
Getarnt als einfache Sandwich-Bude ist das Pain de Soleil der Ort in Bordeaux, wo sich Quartieranwohner wie Touristen einander ewig lange ihre Geschichten erzählen.
Leider fällt mir bei meinem erneuten Besuch im April 2022 auf, dass das Pain de Soleil Vergangenheit ist. An dessen Stelle hat Khaan Burger übernommen. Aber immerhin: Die Aussicht auf die Place Fernand Lafargue ist weiterhin gegeben.
Ein Shop
Bonendroi gehört zur Sorte Läden, für die man vor allem auf Städtereise Zeit hat. Eine Menge an Krimskrams, die von Seife über Bürsten bis hin zu Dekogegenständen aus Frankreich und der ganzen Welt reicht.
«Sachesächeli» würde man ein solches Sortiment wohl im Schweizerdeutschen zusammenfassen; Bonendroit selber nennt sich «La Droguerie moderne». Kann man natürlich auch so sehen.
Bordeaux Altstadt: Noch ein Laden
Was mir an der Rue Saint-James und in ganz Bordeaux auffällt: Die Auswahl an Männermode ist ungewöhnlich gross.
Alleine an der kurzen Rue Saint-James habe ich fünf Herrenausstatter der unterschiedlichesten Bereiche gezählt.
Being Human etwa hält alles bereit, was Monsieur beim Rendez-Vous an der Garonne, bei einer Landpartie oder auf dem Elektro-Scooter gut aussehen lässt.
Wie man «being human» hier richtig ausspricht? Nun, ich würde es im englischen Original versuchen. Vielleicht etwas näseln dabei.
Ein Tee-Stopp
Ja, das Wetter kann schon mal etwas frisch sein in Bordeaux, Niederschlag ist nicht unbekannt. Am stilvollsten kannst Du der garstigen Meteo im Books & Coffee bei einem Tee trotzen. Oder bei mehreren Tees.
Die Tee-Auswahl in diesem charmanten Coffee- und Tea-Room ist riesig, wir haben bei Nummer 50 aufgehört zu zählen. Wir hatten auch deshalb keine Lust zum Zählen mehr, weil uns längst vor numéro 50 ein hübscher Brunch serviert wurde.
Bordeaux Rue Saint James: Ein Drink
Vor allem abends übt diese «Bar musical» magische Ausstrahlung auf aus alle, die über die Place Fernand Lafarge gehen. Das Apollo in Bordeaux ist eine Wohlfühl-Höhle des Soul und Funk und R&B, besucht von Menschen, die nur eines haben wollen.
Und zwar dies: A good time. Ja, das wird auch in Frankreich verstanden. Und im L’Apollo sowieso.
Zum Einstieg empfiehlt sich ein Platz nahe des Billardtisches, weil da immer viel los ist.
Angenehmerweise mit einem «French Garden» in der Hand, wie man hier den Mix aus Zedersirup, Enzian-Likör, Gin, Tonic und einer Prise gespraytem Basilicum nennt.
Bordeaux Altstadt: Eine Mahlzeit
Du hast keine Zeit, eines der berühmten Wein-Châteaux im Umland von Bordeaux zu besuchen? Kein Problem. Dann kommt das Château halt in die Stadt. So jedenfalls lautet die Philosophie des Château en Ville.
Allerlei Degustationsplatten, übervoll mit Brie und Camembert, Ente, Wurst und anderen ruralen Köstlichkeiten sorgen fürs Wohlbefinden. Welches sich natürlich vor allem dann einstellt, wenn zum Essen auch die guten Tropfen vom Château ausgeschenkt werden.
Bordeaux Altstadt: Zwei Mitbringsel
Bordeaux ist ein Paradies für Krimskrams-Shopping. Die Innenstadt ist proppenvoll mit Shops – pardon: magasins und boutiques – die einen magisch anziehen.
Es sollte also kein Problem sein, ein Souvenir zu finden. Auch solche, die sich ausserhalb der gängigen Wein-Kategorien bewegen.
Souvenir aus Bordeaux: Seife
Es ist nach menschlichem Ermessen nahezu unmöglich, die Krimskrams-Landschaft namens Bonendroi (siehe oben) mit leeren Händen zu verlassen.
Hier habe ich ein hübsches Mitbringsel gefunden: Handgemachte Seife, 3.50 Euro das Stück.
Kommt es Dir vielleicht irgendwie bekannt vor, dass Dich der Internaut einseifen will? Richtig, das war schon an der Starken Strecke München der Fall. Ich mag hübsch verpackte Seifenstücke als Mitbringsel, auch für Menschen, die sich lieber mit Flüssigseife frisch halten im Leben.
So ein Seifenstück macht in jeder Schublade und in jedem Schrank gute Figur. Und vor allem: Es verbreitet guten Geruch.
Noch ein Bordeaux-Souvenir: die Nostalgie Postkarte
Bei einer späteren Visite im Frühling 2022 fällt mir ein Neuzuzüger an der Rue Saint-James auf: Marcel Travelposters, ein Spezialist für touristische Nostalgie.
Im Laden drin wimmelt es nur so von Posters und Postkarten, die – wohl mit modernster Computertechnik hergestellt – im romantischen Flair des letzten Jahrhunderts daherkommen.
Natürlich hat sich der Künstler namens Marcel vor allem auf Bordeaux und die unmittelbare Umgebung wie Biarritz oder Lacanau spezialisiert.
Aber auch weitere populäre französische Destinationen sind hier verewigt, vereinzelt blitzen auch Schweizer Motive auf. Die Postkarten gehen weg für zwei Euro pro Stück.
Bordeaux Altstadt: ein Hotel
Nur gerade zehn Gehminuten entfernt von der Rue Saint-James befindet sich das enorm quirlige Hotel Mama Shelter.
Wer es gerne jugendlich-verspielt mag, liegt hier richtig.
Zumal sich im Mama Shelter gleich drei Dinge treffen, die dem Internauten immer gefallen. Erstens Tischtennis-Tische im Souterrain. Zweitens eine Dachterrasse mit tollem Ausblicken. Essen, Trinken, Aussicht – auch in Bordeaux ein unschlagbares Duo.
Und drittens die ganze Art des Hotels, die ganz klar in die Kategorie jener Häuser gehört, die einen jeden über 40 gleich zehn Jahre jünger machen. Wer früh bucht, ist im Mama Shelter mit einem Zimmer ab 79 Euro dabei.
Bordeaux Rue Saint James: Die Anreise
Mit der Tramlinie A (Bordeaux weist eine unglaubliche Dichte an Trams auf, gefühlt jede Sekunde kommt jederzeit eine Tramway ums Eck) bis Station Sainte-Catherine.
Von dort aus schnurstracks an die Place Fernand Lafargue – et voilà.
Besonders am Abend entfaltet die kurze Strasse ihren ganz eigenen Zauber.
Wer seinen Lieben zu Hause einen schönen Foto-Gruss schicken will, zielt kurz nach Sonnenuntergang zum grossen Glockenturm. Magnifique!
Sehenswürdigkeiten in der Nähe der Rue Saint James Bordeaux Altstadt
In nur wenigen Gehminuten gelangst Du von der Rue Saint-James zur Garonne hinunter. Majestätisch liegt der Fluss mitten in der Stadt, seine Ufer eignen sich hervorragend, um per Mietvelo entdeckt zu werden.
Mal ein bisschen Histoire schnuppern? Dann aber ab ins Musée Aquitaine, das prallvoll ist von Geschichten aus der Region Aquitanien. Und der bewegenden Story des Hafens Bordeaux in seinen Glanzzeiten von 1800 bis 1939.
Histoire schnuppern in Bordeaux, aber lieber nicht im Museum? Dann aber ab an die Place de la Bourse. Der Platz gilt als eines der Wahrzeichen der Stadt.
Zuerst Histoire schnuppern und dann abkühlen? Auch gut. Gleich an der Place de la Bourse liegt der Miroir d’Eau. Eine spiegelglatte Wasserfläche mit geringer Tiefe sorgt dafür, dass für einmal jeder und jede tatsächlich übers Wasser gehen kann.
Dass zwischendurch in regelmässigen Wasserspiel-Einlagen Fontänen und Nebel-Effekte auftreten – auch gut.
Für die Serie «Starke Strecke» porträtieren der Internaut und seelenverwandte Autorinnen und Autoren städtische Strassen aus aller Welt, die nicht globalisiert sind.
Kein Starbucks, kein Zara, kein Hennes & Mauritz, kein McDonald’s – sondern lokale und regionale Anbieter aus Gastronomie, Hotellerie, Shopping und Kultur.
«Starke Strecke» ehrt Strassen, die Locals und Zugereiste gleichermassen glücklich machen.
Hier gehts direkt zu allen Starken Strecken.