Here & There

Strampeln, strampeln, strampeln – und dann Pause machen. Geht gut an der Bruchstrasse Luzern. Bilder: Internaut

Das leichte Leben abseits der Postkarten-Stadt

Andreas Güntert

Luzern versammelt Sehenswürdigkeiten in Rekordzahl. Hier aber gehts um «Lucerne beyond the postcard». Im Bruchquartier entdecken wir eine Strasse mit Charme, Shabby Chic und Hosenträgern.

Auf dem Vierwaldstättersee schippern, Pilatus und KKL bewundern. Über die Kapellbrücke wandeln, das Verkehrshaus besuchen und unterwegs beäugen, wie (mindestens in vorcoronären Zeiten) halb China seine Uhren auf dem Schwanenplatz einkauft: Das ist die Postkartenseite von Luzern.

Nicht weit weg von der weltrekordmässigen Ansammlung von Sehenswürdigkeiten gibt es noch ein anderes Stadtleben, ein entspannt quirlendes Biotop fernab der Touristenbusse.

Quartierleben versus Touristen-Hochburg in Luzern – ein Bruch? Aber sicher, aber gern.

Heute soll für einmal das «Lucerne beyond the postcard» der Star sein. Genauer gesagt: Die Bruchstrasse Luzern, im Luzerner Bruchquartier.

Passend zum Manifest der Starken Strecke, wie es vor ziemlich genau drei Jahren erschienen ist: Städte entdecken abseits der globalen Händler und Ströme; lieber dort stromern, wo das wahre urbane Leben zu Hause ist.

Bruchstrasse Luzern: Vom Viehmarkt zur lebendigen Meile

Was dem Internaut auf seinen Stadttouren immer mal wieder auffällt: Dort, wo früher Viehmärkte und Metzger regierten, stehen die Chancen gut, dass Trendquartiere erwachen und wachsen.

Nun will ich das Bruchquartier Luzern zwar nicht gerade mit dem Meatpacking District in New York oder der ehemaligen Fleischer-Meile in Kopenhagen-Vesterbro vergleichen, aber auch hier ging es einst um das sprichwörtliche Fleisch am Knochen: Noch bis ins Jahr 1971 war die Bruchstrasse Luzern der Ort für den städtischen Viehmarkt.

Tempi passati.

Weihnachten als Antrieb fürs Luzerner Quartier-Feeling

Natürlich: Die Leute, die schon immer an der Bruchstrasse wohnten, wissen um den Charme ihres Quartiers. Alle anderen lernten es spätestens kennen, als sich die Gegend vor bald zehn Jahren mit einer eigenen Weihnachts-Aktion zu schmücken begann.

Seither gehört die Bruch-Weihnachten zur Stadtkultur. Mir selber gefallen Strasse und Quartier im Sommer fast besser. Weil sich dann mehr Menschen draussen bewegen und auch mal Pause machen. Wofür sich die Bruchstrasse an nicht wenigen Orten hervorragend eignet.

Wie wir noch sehen werden.

Im mehrjährigen Starke-Strecke-Vergleich erinnert mich die Bruchstrasse Luzern durch ihre Unaufgeregtheit und ihren Quartiercharakter etwas an die Bertastrasse in Zürich.

Beim Shabby-Chic-Ambiance fühle ich mich so ein wenig zurückversetzt an die Schleifmühlgasse in Wien, und bei der Initiative für den lokalen Konsum kommen mir die Berliner Kiezhelden in den Sinn.

Lokale Heldinnen und Helden unterstützen ihre Lokale. Heldenhaft.

Aber natürlich ist das Luzerner Bruchquartier eine ganz eigene Welt. Eine übrigens, die auch im digitalen Raum gut gehegt wird.

Immerhin hat das Quartier eine eigene Website und pflegt mit einem Gutscheinheft den lokalen Gedanken ebenso hübsch wie vorbildlich. Und das wollen wir jetzt gleich auch tun.

Bruchstrasse Luzern: Ein Kaffeehalt

Die Café/Bar Picollino eignet sich hervorragend für einen ersten Kaffee. Und einen letzten.

Und ziemlich vieles zwischendrin.

Cafe Bar Piccolino: Eine kleine Oase an der Bruchstrasse Luzern.

Durch seine Lage an der Ecke Bruchstrasse/Klosterstrasse bietet das Piccolino vor allem jenen, die draussen Platz nehmen, einen guten Überblick zu allem, was sich so tut auf der Strasse.

Ein beliebter Ort für Verabredungen aller Art. Und, wenn man mit seiner eigenen kleinen Welt mal nicht so zufrieden sein sollte: Für eine Verabredung mit sich selber.

Ein Shop

Vom Shabby-Chic (wie lange gibt es diesen Trend eigentlich schon?) hatten wir es ja bereits. Und wenn wir davon sprechen, dann darf ein Shop nicht unerwähnt bleiben.

Die Hochburg des Shabby-Chic an der Bruchstrasse.

Retro, aber rüüdig: Bei Beartrice an der Bruchstrasse Luzern.

Bei Beartrice stehen Einzelstücke aus der Vintage-Welt zum Verkauf, ebenso wie Farbe für all jene, die ihr Zuhause in den Zustand der romantisiert-abgeranzten Pastell-Hygge-Harmonie bringen wollen.

An alle Retro-Polizistinnen und -Polizisten: Habe ich «Shabby-Chic» so einigermassen genau beschrieben?

Luzern Bruchstrasse: Noch ein Shop

Der gemeine Hosenträger, man muss es hier in aller Allgemeinheit einmal sagen, hat nicht das allermodischste Image. In der Regel ist es doch so:

Hosenträger, glaubt man zu wissen, tragen Greise nur deshalb, damit ihnen die Hosen beim Schlurfen nicht verlorengehen. Aber diese Regel gilt an der Bruchstrasse nicht.

Lebenselixier für alle toten Hosen: Hosenträger von Treger.

Ich jedenfalls habe noch nie erlebt, auf welches Hipness-Level man das Thema Hosenträger bringen kann. Im Atelier Treger an der Bruchstrasse geht das spielend.

Handgemachte Hosenträger, produziert in Luzern: Damit ist Treger eine tragende Säule des lokalen Gedankens im Bruchquartier.

Eine Mahlzeit

Wer den Internauten kennt, weiss von seiner Vorliebe für die italienische Küche. Es mag simpel klingen, aber eine wunderbare Pasta begeistert mich zu fast jeder Tageszeit.

Okay, sagen wir: Zu jeder Tageszeit ab Mittag.

Blaue Stunde an der Bruchstrasse. Zeit für einen Znacht. Gerne im Drei Könige.

Zwar war ich kürzlich im Tessin, in einem jener Grotti, wo Risotto und Gnocchi vom Fabelhaftesten serviert werden. Aber als ich nun im Drei Könige an der Luzerner Bruchstrasse von den Baumnuss-Gnocchi mit Salbei, Randen und Blauschimmelkäse kosten durfte, da wollte ich fast schon mit Euro bezahlen. Weil ich mich im Bel Paese wähnte.

Das Lokal ist wirklich eine Entdeckung wert. Vor dem Entdecken zu reservieren ist übrigens eine gute Idee.

Bruchstrasse Luzern: Ein Mitbringsel

Um noch einmal auf die vielzitierte Postkarte zurückzukommen: Natürlich habe ich nichts, aber auch rein gar nichts, gegen dieses touristisch relevante Sendungsprotokoll.

Und noch weniger habe ich gegen Postkarten, wenn sie mit einem künstlerischen Anspruch aufreten.

Luzerner Karten-Set Nr 1: Unser Mitbringsel aus dem Bruchquartier.

Sehr hübsch etwa finde ich die Luzerner Postkarten, welche einerseits bekannte Wahrzeichen zeigen – und dann aber auf einer zweiten Ebene anderes Leben hineinbringen.

Ein solches Achter-Set habe ich für 16 Franken eingetütet im hübschen Laden von Portmann Grafik. Die Karten entstammen einer Zusammenarbeit der Luzernerinnen Margherita Delussu und Yvonne Portmann.

Wer in diesem Laden übrigens noch etwas über den Karten- oder Tellerrand hinausblickt, kann gleich noch in die Kaffeerösterei von Hässig & Hässig spähen. So geht local street culture.

Ein Instagram-Moment

Ebenso bekannt wie meine Vorliebe für italienische Küche: Schöne Böden. Wobei es da einen wichtigen Unterschied gibt.

Während ich die Mitwelt (fast) nie mit Foodie-Bildern quäle, kann ich es bei schönen Böden selten sein lassen.

Instagrammable Lucerne: Runterschauen. Abdrücken, Aufleben.

Ein solcher schöner Boden ist mir im Restaurant 3 Könige über den Weg gelaufen. Zauberhaftes Ornament, finde ich.

Runterschauen hat für mich eben oft auch etwas mit Aufleben zu tun.

Bruchstrasse Luzern: Eine Bar

Was mir die Menschen im Bruchquartier, Eingeborene wie Zugezogene, ganz dringend aufgetragen habe: Dass man die Bruchstrasse unbedingt als Teil eines Quartiers begreifen müsse.

Und dass sich in einer Seitenstrasse die unvergleichliche Kneipe befinde. Diese habe ich wohl gefunden, sie war aber an jenem Abend leider geschlossen.

Eine Bar wie ein Wohnzimmer. Wo Raucher den nötigen Segen erhalten.

Für einen Drink in einer Quartierbar reichte es trotzdem. In der Bar 58, gleich neben der Kneipe. Ein wunderbares Quartier-Wohnzimmer, wo Menschen, die unvernünftig genug sind, immer noch rauchen zu wollen, etwas sonst Verbotenes tun dürfen.

Ihrer Unvernunft frönen.

Die Anreise zur Bruchstrasse Luzern

Man könnte hier einiges an Anreisemöglichkeiten per Individual- oder öffentlichem Verkehr auflisten. Aber die schönste Art finde ich, vom Postkarten-Luzern ins Geheimtipp-Luzern zu gehen. Ja, zu Fuss.

Dafür folgt man ab Bahnhof etwa zehn Minuten lang der Pilatusstrasse, um danach rechts in die Bruchstrasse abzubiegen. Einfach, oder?

Jetzt sind wir definitiv wieder bei der konventionellen Postkarte angelangt. Fast alles, was in Luzern Ruf und Rang und Namen hat, lässt sich von der Bruchstrasse aus bequem erreichen.

Wovon wir da sprechen? Nun ja, das stand eigentlich alles am Anfang schon. Was auch noch gleich ums Eck liegt: Das famose erste Kapselhotel der Schweiz, über das der Internaut schon einige Male berichtet hat.

Der kurze Weg zur Bruchstrasse.

Vom See her kaum zehn Minuten entfernt: Bruchquartier mit Bruchstrasse Luzern. All jene mit scharfen Augen sehen dabei auch Peppernet Webdesign. Dort sitzt mein Webmaster, der Glückliche: So nahe an der Bruchstrasse.

Für die Serie «Starke Strecke» porträtieren der Internaut und seelenverwandte Autorinnen und Autoren städtische Strassen aus aller Welt, die nicht globalisiert sind.

Kein Starbucks, kein Zara, kein Hennes & Mauritz, kein McDonald’s – sondern lokale und regionale Anbieter aus Gastronomie, Hotellerie, Shopping und Kultur.

«Starke Strecke» ehrt Strassen, die Locals und Zugereiste gleichermassen glücklich machen.

Hier gehts direkt zu allen Starken Strecken.