Future

Beim Trailgazer-Workshop in Zürich ging es auch um Sinneserfahrungen – und darum, wie sich Beratung emotional aufladen lässt. Bild: TN

Kommentar Alle reden von Wandelkaum jemand kommt

Reto Suter

Ein Workshop zur Zukunft der Reiseberatung hätte für viele Büros genau zur richtigen Zeit kommen können – doch das Interesse blieb erstaunlich gering. Damit liess die Branche eine wertvolle Chance zur Erneuerung ungenutzt verstreichen.

Ein ganztägiger Workshop mitten in Zürich. Zentral gelegen, thematisch am Puls der Zeit – und einem klaren Ziel: neue Impulse für die Reisebüros der Zukunft. Andreas Gerber und Raphael Marty vom Start-up Trailgazer hatten sich einiges vorgenommen. Nach einem erfolgreichen Kurz-Workshop auf der Mitgliederreise des Schweizer Reise-Verbands (SRV) im vergangenen Herbst und einem gut besuchten Webinar im Februar wollten sie das Thema «Magic Moments in der Reiseberatung» vertiefen. Nicht als Theorie-Blase. Sondern als konkretes Arbeitsinstrument für den Alltag.

Die Idee dahinter: Reisebüros können sich über persönliche Erlebnisse profilieren – wenn sie wissen, wann und wie den Kundinnen und Kunden emotionale Höhepunkte geboten werden können. Das Konzept funktioniert bei Marken wie Disney oder Starbucks seit Jahren. Warum nicht auch in der Reiseberatung? Gerber und Marty hatten ursprünglich geplant, zwei ganztägige Workshops anzubieten. Letztlich kam einer zustande – mit einer Beteiligung, die sehr überschaubar blieb: Gerade einmal acht von rund 6000 Mitarbeitenden der Schweizer Reisebranche nahmen daran teil.

Kommt hinzu: Die Teilnehmerinnen – ja, es waren ausschliesslich Frauen – stammten alle aus dem inneren Kreis. Vier Plätze gingen an Hotelplan Suisse respektive Travelhouse. Wohl nicht zufällig, denn Nicole Pfammatter sitzt im SRV-Vorstand und verantwortet dort das Ressort Ausbildung. Weitere drei Teilnehmerinnen reisten von Helbling Reisen an, deren Teamleiterin Touristik, Birgit Sleegers, ebenfalls SRV-Vorstandsmitglied ist. Und schliesslich war auch Patricia Röösli von der SRV-Geschäftsstelle mit dabei.

Lobenswertes Engagement – aber auch ein deutliches Signal, wer Verantwortung übernimmt und wer lieber abwartet. Immerhin: Dertour Suisse hat Interesse angemeldet, einen vergleichbaren Workshop mit Trailgazer intern für seine Mitarbeitenden durchführen zu wollen.

Eine verpasste Chance

Wo waren die Stimmen, die sich sonst über mangelnde Zukunftsperspektiven beklagen? Wo die kleinen, unabhängigen Büros, für die der Workshop wie gemacht gewesen wäre? Und wo blieben die älteren Geschäftsinhaber, die ihr Büro zukunftsfähig aufstellen und dereinst in neue Hände übergeben möchten?

Natürlich gibt es Gründe: ein voller Kalender, eine lange Anreise, gewisse Skepsis gegenüber dem Nutzen. Alles nachvollziehbar – aber eben auch: vorgeschoben. Gerade in einer Zeit, in der viele Reisebüros über eine ruhigere Phase berichten, bot sich dieser Tag als wertvolle Investition in die eigene Relevanz an. Vereinzelt war zu vernehmen, der Preis sei etwas gar hoch angesetzt gewesen. Klar, mit 375 Franken für SRV-Mitglieder (450 für Nicht-Mitglieder) war der Workshop sicherlich kein Schnäppchen – aber auch keine Investition, die ein Reisebüro in den Ruin treibt.

«Was bringt mir das konkret?» ist sicher eine berechtigte Frage. Aber sie ist auch bequem. Die spannendere Frage wäre gewesen: «Was kann ich mitnehmen, um morgen anders zu denken – und übermorgen besser zu handeln?» Die nächste Chance wird kommen. Vielleicht wieder mit Trailgazer. Vielleicht mit anderen Formaten. Vielleicht wieder mit den Gleichen, die Verantwortung übernehmen. Und hoffentlich mit ein paar mehr, die erkennen, dass Zukunft auch heisst: sich heute bewegen.