Future
So könnte Saudi-Arabiens Mega-Stadt das Klima beeinflussen
Die futuristische Mega-Stadt The Line, die im Rahmen des saudischen Neom-Projekts entsteht, sorgt erneut für Diskussionen – diesmal aufgrund möglicher Auswirkungen auf Klima und Umwelt. Der renommierte Klimawissenschaftler Donald Wuebbles, Berater des Projekts und Mitautor von UN-Klimaberichten, warnt laut der Website «Futurezone» vor bislang unterschätzten Risiken: Die monumentale Struktur könnte das lokale Wettergeschehen erheblich verändern.
Geplant ist eine 170 Kilometer lange, 200 Meter breite und bis zu 500 Meter hohe Stadt, die schnurgerade durch die Wüste im Nordwesten Saudi-Arabiens verlaufen soll. Was als Modell für nachhaltige Urbanität gilt, wirft nun gravierende umweltwissenschaftliche Fragen auf. Laut Wuebbles könne The Line Regenmuster, Windrichtungen und sogar die Häufigkeit von Sandstürmen in der Region beeinflussen. Studien dazu wurden zwar beauftragt, doch liegen dem Berater bisher keine Ergebnisse vor.
Wuebbles zufolge erhält das Thema seit dem Abgang des früheren Neom-Geschäftsführers Nadhmi al-Nasr mehr Gewicht innerhalb des sogenannten Nachhaltigkeitsbeirats. Ein weiteres Mitglied des Neom-Beratungsausschusses, das anonym bleiben möchte, bestätigte gegenüber der «Financial Times», dass die geäusserten Bedenken geteilt würden. Insbesondere sei die physische Dominanz des Bauwerks in der offenen Wüstenlandschaft ein nicht zu unterschätzender Einflussfaktor auf lokale Mikroklimata.
Neben den klimatischen Auswirkungen kritisiert Wuebbles auch den hohen Einsatz von Zement – einem der klimaschädlichsten Baustoffe – und die langsame Einführung emissionsarmer Baumaschinen. Beides widerspreche dem eigenen Anspruch des Projekts, Vorreiter einer klimaneutralen Zukunft zu sein.
Technologische Ambitionen treffen auf Realität
Zwar zeigt sich Wuebbles zugleich beeindruckt von den technologischen Visionen des Projekts. Er betont, dass andere Städte langfristig von Neoms Innovationen lernen könnten. Doch gerade diese Ambitionen geraten zunehmend unter Druck: Bereits in der Vergangenheit wurde das Projekt wegen unrealistischer Ziele wie vollständiger Klimaneutralität, autarker Energieversorgung und der Lebensmittelproduktion in der Wüste kritisiert.
Auch Fragen zu den Menschenrechten beim Bau von Neom sorgen international für Unmut. Berichte über Zwangsumsiedlungen und mangelnde Transparenz bei Arbeitsbedingungen werfen einen Schatten auf das Hochglanzprojekt, das sich oft als Blaupause für die Zukunft urbanen Lebens präsentiert.
Kritiker bezeichnen Neom als Prestigeprojekt, das vor allem dem internationalen Image Saudi-Arabiens dienen soll. In einer Zeit, in der sich das Königreich zunehmend vom Erdöl unabhängig machen will, soll The Line symbolisieren, wozu eine technologisch ambitionierte Golfmonarchie in der Lage ist. Doch je weiter das Projekt fortschreitet, desto stärker drängt sich die Frage auf: Wird hier tatsächlich eine nachhaltige Stadt der Zukunft gebaut – oder doch eher ein monumentaler Marketing-Stunt?