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Welches sind die besten Rezepte gegen Overtourism? Die Reiseveranstalter setzen auf unterschiedliche Ansätze. Bild: TN

Overtourism im VisierBranche erteilt Reise-Stopps eine Absage

Reto Suter

Die Schweizer Reiseveranstalter lehnen Reiseverbote ab und setzen stattdessen auf kreative Ansätze gegen Overtourism. Sie fördern das Reisen in der Nebensaison und entwickeln nachhaltige Alternativen, die sowohl Reisenden als auch Einheimischen zugutekommen sollen.

Zahlreiche beliebte Reiseziele ächzen unter der Last von zu vielen Touristinnen und Touristen. Zu den bekanntesten Beispielen zählen Venedig, Amsterdam, Mallorca, die Kanaren und Barcelona. Die Behörden gehen mit unterschiedlichen Ansätzen gegen die Auswüchse des Massentourismus vor. Zu den gängigsten Massnahmen zählen Zutrittsgebühren, Besucherlimiten (vor allem in Bezug auf Kreuzfahrtschiffe) und die Beschränkung von Kurzzeitvermietungen, wie sie etwa Airbnb anbietet.

Jetzt erreicht das Thema Overtourism eine neue Dimension. Denn erstmals zieht ein Reiseveranstalter Konsequenzen, um die Hotspots zu schützen. Basierend auf einem Overtourism-Index hat Evaneos angekündigt, das Angebot von Reisen nach Santorini und Mykonos in der Sommersaison ab 2025 bis auf weiteres einzustellen. Die Begründung: Der massive Andrang von Reisenden beeinträchtige die Lebensqualität der einheimischen Bevölkerung und schüre dadurch deren Zorn (Travelnews berichtete).

Schweizer Anbieter winken ab

Sind angeordnete Reise-Stopps tatsächlich ein vielversprechender Ansatz, um die Probleme des Overtourism in den Griff zu bekommen? Travelnews hat bei den drei grössten Schweizer Reiseveranstaltern, Hotelplan, Dertour Suisse und TUI Suisse, nachgefragt – und der Tenor ist eindeutig. Sie halten nichts von dieser Massnahme und setzen auf andere Ansätze, um die Reise-Hotspots weniger zu belasten.

«Die Kuoni-Marken engagieren sich auf mehreren Ebenen für eine bestmögliche Verteilung von Reiseströmen», so Markus Flick, Sprecher von Dertour Suisse, auf Anfrage. «Wir fördern das Reisen in der Nebensaison, bewerben die ganze Bandbreite unseres über 100 Reiseländer umfassenden Portfolios und unterstützen noch eher unbekannte, aber attraktive Reisedestinationen beim Aufbau eines nachhaltigen Tourismus, von welchem die einheimische Bevölkerung profitiert.» Dazu zählen unter anderem Projekte in Südschweden und Indonesien.

Flick nimmt auch die lokalen Behörden und die Reisenden in die Pflicht. «Nachhaltige Konzepte für eine gesunde Tourismusentwicklung mit Massnahmen, die vor Ort zur Steuerung des Tourismus ergriffen werden, finden unsere volle Unterstützung», sagt er. Zudem sei eine überwältigende Mehrheit der Destinationen nicht beziehungsweise nur zu bestimmten Zeiten von Overtourismus betroffen. «Wir empfehlen den Kundinnen und Kunden, diesen Aspekt bei der Reiseplanung zu berücksichtigen.»

Mallorca gehört zu den Reisezielen, die unter den Auswüchsen des Massentourismus leiden. Bild: Pixabay

«Massnahmen gegen Overtourism werden an verschiedenen Orten auf dieser Welt diskutiert und teilweise von den Behörden bereits eingeführt», erklärt Muriel Wolf Landau, Sprecherin der Hotelplan Group. «Wenn die Massnahmen das Kundenerlebnis erhöhen und der nachhaltigen Entwicklung dienlich sind, begrüssen wir sie.»

Die Hotelplan Group evaluiere ihr Angebot kontinuierlich und passe es an die Marktanforderungen, die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden sowie die eigenen strategischen Ziele an. «Dies erfolgt stets in enger Abstimmung mit unseren Partnerunternehmen und den Destinationen, um eine bestmögliche Weiterentwicklung für alle Beteiligten sicherzustellen», so die Sprecherin.

Sebastian Ebel, CEO der TUI Group, sagte kürzlich bei einem Treffen mit dem spanischen Tourismusminister und der spanischen Tourismus-Staatssekretärin, dass Tourismus nur dann langfristig erfolgreich sei, wenn er von der lokalen Bevölkerung als Mehrwert angesehen wird. Grüne Energie, nachhaltige Treibstoffe und der Einbezug lokalen Bevölkerung sind laut Ebel zentrale Massnahmen, um den Tourismus umweltfreundlicher und sozial verträglicher zu gestalten.

SRV-Präsident Martin Wittwer spricht Klartext

Martin Wittwer, Präsident des Schweizer Reise-Verbands (SRV), äusserte sich am Mittwoch im Rahmen der SRV-Jahres-Medienkonferenz zu den unliebsamen Folgen des Massentourismus. «Der Overtourism ist in bestimmten Hotspots definitiv ein Problem», sagte er. Die gesamte Reisebranche stehe in der Pflicht, mit lokalen Organisationen und politischen Behörden einen Konsens zu finden.

Es müsse eine Balance zwischen dem durch den Tourismus massgeblich miterwirtschafteten Bruttoinlandprodukt und der Beeinträchtigung der Lebensqualität der lokalen Bevölkerung geschaffen werden. Dass dieses Gleichgewicht ohne Regulationen nicht erreicht werden kann, steht für Wittwer fest: «Es braucht Regularien für einen kontrollierten Tourismus an bestimmten Destinationen.»

Welche davon zielführend, massvoll und umsetzbar sind, hänge von den jeweiligen Rahmenbedingungen in der Destination ab. «Als Quellmarkt können wir im Dialog unterstützen, die Verabschiedung neuer Regularien obliegt jedoch den Entscheidungsträgern vor Ort», so der SRV-Präsident.

Von einem auferlegten Reise-Stopp, wie von Evaneos vollzogen, hält Martin Wittwer überhaupt nichts. «Für mich ist das reiner Populismus», poltert er im Gespräch mit Travelnews. Die Aufgabe der Branche bestehe nicht darin, den Kundinnen und Kunden vorzuschreiben, wo sie hinreisen dürfen, sondern sie kompetent zu beraten. «Wenn ein Kunde nach Mykonos will, dann erfüllen wir diesen Traum», sagt der SRV-Präsident.