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Sonja Müller Lang, die Gründerin von Women Travel (links) besucht hier ein Frauenprojekt in Delhi. Bild: Women Travel

«Reiseleiterinnen sind in vielen Ländern vom Wohlwollen der Männer abhängig»

Am 14. Juni ist Frauenstreiktag. Was müsste in der Reisewelt für Frauen anders laufen? Travelnews hat mit Sonja Müller Lang, der Gründerin von Women Travel, gesprochen.

Frau Müller Lang, am 14. Juni gehen viele Frauen auf die Strasse. Welche Bedeutung hat der Frauenstreiktag für Sie?

Sonja Müller Lang: Wenn Frauen für die Gleichberechtigung streiken, ist es für mich ein Zeichen, dass die Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern zwar Fortschritte gemacht hat, aber noch nicht erreicht ist. «Frauenrechte sind Menschenrechte», wie es die UNO formuliert. Und solange diese nicht erreicht sind, finde ich den Frauenstreik berechtigt.

Welche Themen brennen Schweizer Frauen – auch solchen im Tourismus – besonders unter den Nägeln?

Ein wichtiges Anliegen ist, Frauen überall sichtbar zu machen. Sowohl in der Schweiz als auch in unseren Tourismusdestinationen. Als ich in den 90er-Jahren des letzten Jahrtausends mit Women Travel begann, fanden viele aus der Tourismusbranche, Frauenreisen seinen überflüssig. Unterdessen ist aus der Nische ein allgemein anerkanntes Thema geworden. So gab es beispielsweise auf der diesjährigen ITB zahlreiche Panels und Diskussionen zu Gleichstellung im Tourismus und viele Anbieterinnen von Frauenreisen.

Was müsste künftig ändern?

Es muss selbstverständlich werden, dass Wünsche und Bedürfnisse von Frauen im Tourismus und in der Gesellschaft als selbstverständlich angenommen werden, dass Frauen gleichberechtigt sind. Ebenso normal muss es sein, dass Frauen Verantwortung übernehmen. Der grösste Wunsch, den ich mit mir trage, ist folgender: Ich habe vor über 30 Jahren Women Travel gegründet und seither geleitet. Nun ist es an der Zeit, dass ich meine Nachfolge regle. Ich wünsche mir, dass sich – am besten eine Frau – findet, die Women Travel mit Ideen, Leidenschaft und neuem Schwung in die Zukunft führt.

«Wir können direkt helfen und dazu noch Begegnungen 'von Frauen für Frauen' erleben.»

Sie haben viel mit Frauen in den einzelnen Reiseländern zu tun. In welchen Bereichen machen Sie dort die grössten Probleme aus?

Leider ist es in vielen Ländern so, dass Frauen, die wir beispielsweise als Reiseleiterinnen engagieren wollen, vom Wohlwollen der Männer abhängig sind. Diese bestimmen, ob Frauen arbeiten oder für die Dauer einer Reise ausserhalb von zu Hause sein und übernachten) dürfen. Es ist sehr schwierig, überall berufstätige Frauen im Tourismus zu finden.

Welche Verbesserungen und Entwicklungen wünschen Sie sich?

Konkret sind alltägliche Probleme in den Destinationen vorhanden, die relativ einfach zu lösen wären. Etwa dass wir gute Unterkünfte in den Hotels für die Rundreiseleiterinnen buchen, damit sie nicht in den meist einfachen Unterkünften der Fahrer und männlichen Reiseleiter übernachten müssen. Wir verlangen von den Agenturen, dass sie Frauen auf allen Ebenen engagieren und unterstützen. Die Rahmenbedingungen müssen von uns festgelegt werden.

Welche konkreten Massnahmen könnten getroffen werden, um die Stellung der Frauen in touristischen Jobs zu verbessern?

In Marokko beispielsweise haben ländliche Frauen Kooperativen gegründet, in denen sie Arganöl-Produkte nachhaltig herstellen. Sie haben sich also so zu einem eigenen Einkommen geschaffen und können dies mit der Familienbetreuung koordinieren. Solche Realitäten finden wir in zahlreichen Ländern. Wir im Tourismus haben die Verpflichtung, auf solch wichtige Lebensweisen der Frauen Rücksicht zu nehmen und sie zu unterstützen. Besser ist es, eine Frauen-Kooperative zu besuchen anstatt das Arganöl in der Stadt in einem touristischen Shop zu kaufen. Die Wertschöpfung wird in der Familie verteilt. Wir können direkt helfen und dazu noch Begegnungen «von Frauen für Frauen» erleben. Das bereichert sowohl uns Reisende als auch die Bewohnerinnen an den Destinationen.

(TN)