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Fluggäste am BER Berlin Brandenburg Airport können sich nur mit ihrem Gesicht identifizieren. Bild: KI generiert

Jetzt wird das Gesicht zur Bordkarte

Klaus Oegerli

Contactless travel, kontaktloses Reisen, steht am Berlin Brandenburg Airport vor der Einführung. Thomas Hoff Andersson, COO des Berliner Flughafens, beantwortet die Fragen von Travelnews.

Herr Hoff Andersson, der BER Berlin Brandenburg Airport plant kontaktfreies Reisen einzuführen. Was kann man darunter verstehen und wie sieht der genaue Prozess aus Sicht des Passagiers aus?

Thomas Hoff Andersson: Kontaktfreies Reisen bedeutet, dass sich unsere Fluggäste ohne Boardingpass nur mit ihrem Gesicht identifizieren. Das Scannen von ausgedruckten Unterlagen oder Codes vom Handy wird dabei durch den Abgleich biometrischer Daten ersetzt. Als Erkennungsmerkmal dient das Gesicht der Fluggäste. Somit ist beim Self-Check-in und dem Zugang zur Sicherheitskontrolle und – ganz neu seit Januar – an einem ersten Gate der Blick in eine kleine Kamera ausreichend, um den Prozesspunkt am Flughafen zu durchlaufen.

Ist das Projekt bereits live und läuft es parallel zum analogen Prozess?

Das Projekt mit dem Produktnamen «BER Traveller» läuft seit Mai 2023. In der Testphase richtet sich das Angebot zunächst an Statuskunden der Lufthansa-Gruppe. Durch die gezielte Ansprache von Vielfliegern können wir schnell viele Daten sammeln, die für die weitere Entwicklung des Projekts sehr wertvoll sind. Die Nutzung ist dabei vollkommen freiwillig. Auch alle weiteren Möglichkeiten, sowohl analog am Schalter als auch digital per Smartphone, stehen unseren Fluggästen parallel zur Verfügung. Dabei können Nutzerinnen und Nutzer von BER Traveller bei jedem Flug individuell darüber entscheiden, ob sie die Funktion nutzen möchten oder die anderen Möglichkeiten bevorzugen.

Wie lange hat die Implementierung gedauert?

Von der Idee bis zur Umsetzung waren es nur einige Monate.

Wann soll das analoge Prozedere ganz abgelöst sein?

Auf absehbare Zeit werden analoge, digitale und hand-free Prozesse parallel angeboten werden.

«Die Fluggäste behalten die volle Kontrolle über ihre persönlichen Informationen.»

Setzt Ihr Vorhaben auf dem one ID Ansatz der IATA an?

Wir verfolgen mit BER Traveller einen eigenen Ansatz. Die Besonderheit ist die dezentrale Speicherung der Daten nur auf dem Smartphone der Nutzerinnen und Nutzer. Dadurch werden die Daten nicht mit Dritten geteilt und die Fluggäste behalten die volle Kontrolle über ihre persönlichen Informationen.

Wie bewerben Sie die neuen Abläufe bei den Passagieren und sie bauen Sie mögliche Skepsis ab?

In der Testphase richtet sich das Angebot exklusiv an Statuskunden der Lufthansa-Gruppe. Daher war es den Fluggesellschaften recht einfach möglich, die Zielgruppe treffsicher über das Vielfliegerprogramm anzusprechen. Im bisherigen Testzeitraum haben wir die Erfahrung gemacht, dass diese reiseaffinen Fluggäste dem Angebot sehr aufgeschlossen gegenüberstehen und diese zusätzliche Möglichkeit begrüssen. Dies liegt sicher auch zu grosen Teilen daran, dass BER Traveller den Fluggästen die volle Kontrolle über ihre Daten gewährt, man sich bei jedem Flug individuell dafür entscheiden kann und die bisherigen Möglichkeiten an den Prozesspunkten weiter bestehen.

Thomas Hoff Andersson ist sei Mai 2022 Geschäftsführer Operations am Flughafen Berlin Brandenburg.

Ziehen die Airlines mit?

Vertreter der Lufthansa-Gruppe haben dieses Produkt gemeinsam mit uns am 16. Mai 2023 zur Inbetriebnahme vorgestellt. Auch von anderen Fluggesellschaften gibt es an diesen modernen Prozessabläufen grosses Interesse und wir werden regelmässig darauf angesprochen.

Welches sind im Detail Ihre Erwartungen an contactless travel am BER?

Wir wollen unseren Fluggästen dadurch mehr Komfort ermöglichen. Die erforderlichen Prozesse können noch schneller durchlaufen werden. Gleichzeitig hat man seine Hände frei für das Gepäck, die Jacke oder die Familie. Für uns als Flughafenbetreiber bietet es die Vorteile, bei gleicher Infrastruktur die Kapazität zu steigern und Prozesszeiten besser abschätzen zu können. Beispielsweise wird das Suchen nach einem Ticket oder dem Smartphone am Eingang zur Sicherheitskontrolle ausgeschlossen, wodurch wertvolle Zeit eingespart werden kann.

Welcher Prozentsatz der Reisenden soll das System gemäss Ihren Erwartungen nutzen?

Wir werden zunächst die Testphase gründlich auswerten. Wieviel Reisende diesen Service nutzen können, ist darüber hinaus davon abhängig, welche weiteren Fluggesellschaften sich beteiligen werden.

Welche Bereiche im BER werden im Einzelnen abgedeckt – etwa auch Duty Free Shops? – und ist es sowohl für abreisende als auch für ankommende Passagiere gedacht?

Die Identifikation ist beim Abflug wichtig. An verschiedenen Prozesspunkten ist es vor dem Flug erforderlich, sich auszuweisen. Mit BER Traveller können wir das heute beim Self-Check-in, am Eingang zur Sicherheitskontrolle sowie an einem Gate mit der biometrischen Erkennung hands-free ermöglichen. Ein nächster interessanter Punkt könnte der Zugang zu den Lounges werden. Das liegt aber noch in der Zukunft. Bei der Ankunft ist die Einreise ausserhalb des Schengen-Raums ein interessanter Prozesspunkt. Dieser Schritt liegt aber in der Verantwortung der Bundespolizei.

«Das Projekt ist ein Serviceangebot für unsere Fluggäste. Es bietet einen weiteren Gewinn an Planbarkeit und Komfort beim Abflug.»

Es erstaunt, dass ausgerechnet einer der grossen Flughäfen in Deutschland eine Vorreiterrolle in der digitalen traveller journey übernimmt; vor allem wenn man um die in Deutschland vorherrschende Skepsis gegenüber der elektronischen Datenspeicherung weiss. Wie sicher sind die Daten und wo werden sie gespeichert?

Aus genau diesem Grund haben wir uns für eine Lösung entschieden, bei der die Daten dezentral nur auf dem Gerät der Nutzerinnen und Nutzer gespeichert werden. Unsere Fluggäste haben somit die volle Kontrolle und können ihre Daten jederzeit eigenständig löschen. Die Daten sind daher so sicher wie das jeweilige Smartphone der Reisenden.

Dient das Projekt einer Imagepolitur von BER?

Das Projekt ist ein Serviceangebot für unsere Fluggäste. Es bietet einen weiteren Gewinn an Planbarkeit und Komfort beim Abflug. Die Reisenden sind der Mittelpunkt unserer Arbeit. Zufriedene Fluggäste sind das Beste, was wir für unser Image tun können.

Was passiert wenn das von der Firma fastID in Den Haag gelieferte System einmal ausfällt?

Dann können wir alle Prozesse in Echtzeit analog oder digital mit dem Smartphone umgehend weiterführen.

Wie viel investiert BER in das Vorhaben?

Die Investition ist fortlaufend mit dem kontinuierlichen Ausbau des Angebots.

Wo hat das System noch Schwachpunkte ?

Falls es welche gibt, werden wir diese in der Testphase identifizieren und gemeinsam mit dem Lieferanten daran arbeiten, bevor wir den Kreis der Nutzerinnen und Nutzer erweitern.

Sie sind dem Vernehmen nach die treibende Kraft hinter dem Projekt. Sehen Sie noch andere Bereiche, wo contactless travel zum Einsatz kommen kann? Zum Beispiel wenn das Gesicht zum Hotelzimmerschlüssel wird oder zum Bahnticket, so die DB wieder mal fährt?

Sie sprechen da sehr spannende Ansätze an. Wir fokussieren uns auf das Angebot am BER. Natürlich sind wir aber offen für Kooperationen mit den Prozesspartnern am Flughafen.