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«Der Stern» in Obsteig gilt als eines der nachhaltigsten Hotels Österreichs. Bild: Stern

Einwurf Wie die Reduktion von Fleisch das Hallenbad rechtfertigt

Sarah Sidler

Beim Verzicht auf die Zimmerreinigung und die Benutzung des Lifts gibt's Punkte. Sarah Sidler schildert ihren Aufenthalt im ersten klimaneutralen Hotel Österreichs.

Die Erwartungen sind hoch. Es geht ins Tirol, in eines der nachhaltigsten Hotels Österreichs. Eine Gegend, welche man im Winter eher mit Wellnesshotels und grossen Skigebieten in Verbindung setzt. Anton lässt grüssen. Wie empfohlen, reisen wir mit dem Zug an und sind überrascht, wie angenehm die Fahrt im Ruhewagen des Railjet ist. Dank gratis W-Lan lässt es sich problemlos arbeiten im Zug. Nach drei Stunden Fahrt ohne umsteigen, kommen wir im Ötztal an und werden abgeholt. Für die grüne Anreise ins Familienhotel Stern in Obsteig, das erste klimaneutrale Hotel Österreichs, gibts fünf Prozent Rabatt.

Gleich bei der Ankunft erhalten wir das Klimaspiel des Hauses in die Hand gedrückt. Punkte sammeln, ist angesagt. Gastgeber René Föger erklärt, wie leicht es im Urlaub bei ihnen ist CO2 einzusparen. Um Punkte zu sammeln, verzichten wir am zweiten Tag gerne auf die Zimmerreinigung. Diesen schönen Hotelzimmern aus regionalem Lärchenvollholz trägt man sowieso Sorge.

Während des Wartens auf den Lift wird uns bewusst, dass Treppensteigen Punkte erzielt und ärgern uns, dass wir so gedankenlos Energie verschwenden wollten. Schliesslich wollen wir unsere Gastgeber in ihrem Tun unterstützen. Der CO2-Ausstoss pro Nächtigung und Gast liegt im Stern derzeit bei sieben Kilogramm. Dies entspricht einem Spitzenwert in der weltweiten Hotellerie und der Energieklasse AAA. Weil René Föger seit 2012 regelmässig CO2-Kompensationszahlungen an Klimaschutzprojekte im globalen Süden tätigt, übernachtet jeder Gast sogar klimaneutral.

Das Hallenbad – eine ökologische Wildsau

Für den rekordtiefen Verbrauch wird vieles getan, was uns während des Aufenthalts bewusst wird. Einiges ist gewöhnungsbedürftig, doch macht durchaus Sinn: Erst schlucken wir leer, als uns mitgeteilt wird, dass keine Einweg-Badelatschen zur Verfügung stehen. So begeben wir uns barfuss zum unterirdischen Öko-Hallenbad und fühlen uns ein bisschen wie im Sommer.

Dabei überlegen wir uns, wie viele zehntausende Wellnessschlarpen jährlich nach kürzestem Gebrauch im Abfall landen und schaudern bei dem Gedanken. Obwohl das Öko-Hallenbad für Familien konzipiert ist und wir als Paar angereist sind, wollen wir uns einen Eindruck verschaffen. Vom Hoteldirektor als ökologische Wildsau verschrien, dient das Hallenbad heute als Vorzeigeobjekt.

Da im Zuge des Hallenbad-Baus die komplette Haustechnik erneuert wurde, verbraucht der «Stern» nun auch weniger Energie als vorher ohne Hallenbad. Bild: Stern

Es wurde an allen Rädchen gedreht: Um Wasser zu sparen, kommen im Hotelrestaurant etwa vermehrt vegetarische Gerichte auf den Tisch. Die Reduktion von Fleisch auf der Speisekarte verhilft dem Dreisternehaus heute trotz Hallenbad insgesamt weniger Wasser pro Nächtigung zu verbrauchen als früher. Denn umgerechnet werden für die «Produktion» eines Kilogramms Rindfleisch 14'000 Liter Wasser verbraucht. Aus Wärmedämmungszwecken wurde das Bad unterirdisch gebaut. Auf dem Dach gedeihen eine Bienenweide sowie alte Obstsorten für die eigenen Bienen.

Da im Zuge des Hallenbad-Baus die komplette Haustechnik erneuert wurde, verbraucht der «Stern» nun auch weniger Energie als vorher ohne Hallenbad. Ein Beispiel, das uns besonders in Erinnerung bleibt: Um die Kinder vom Hineinspringen abzuhalten – übergeschwapptes Wasser fördert den Verbrauch – wurde auf den Boden des Schwimmbades ein Rätsel aufgemalt. So ist plötzlich tauchen statt spritzen angesagt. Wir begeben uns in die leere Sauna.

Auf der Mundräubertour

Obsteig liegt auf dem Mieminger Plateau, einer Gegend, die zu tief liegt, um Ski zu fahren. «Das würde sowieso zu viel Energie verbrauchen», geht er mir durch den Kopf. Hier sind Langlaufen, Rodeln, Schneeschuhlaufen bei Sonnenaufgang und Winterwandern angesagt. Im Sommer darf bei der Kartoffelernte geholfen werden, Kräuterwanderungen stehen an und Waldbaden wird angeboten. Es heisst hier Lärchbaden. Einige Male wird sogar im Freien am Feuer oder im Heustock übernachtet. Wer möchte, darf sich für eine Runde zu Fuss durch die nahen Lärchenwälder ein Shetlandpony mieten.

Auch wenn es die meisten Erwachsenen nicht so richtig zugeben, haben sie doch mindestens genauso grosse Freude an den kleinen Vierbeinern wie die Kinder. Höhepunkt jeden Tages ist die Fütterung der Ponies, Ziegen und Hasen mit Opa Toni. Haben sich die Kleinen noch immer nicht genug ausgetobt, dann ab in den Erlebnis-Spielstadl in der umgebauten Scheune. Dieser unbeheizte Indoor-Spielplatz bietet Rutschen ohne Ende, Bobby-Car-Rennstrecken mit Tunnels und klettern im Seilpark.

Die Erwachsenen sind in der Zwischenzeit mit Elfi unterwegs, einer Schwester des ehemaligen Hoteldirektors. Sie ist eine der 14 involvierten Verwandten im Familienbetrieb, der seit über 500 Jahren Gäste beherbergt. Auf einer Mundräubertour sammeln wir Wacholder für unser Sauerkraut, das wir im Kochkurs gemeinsam herstellen. Den Gastgebern im «Stern» ist es wichtig, dass die Gäste auf den Geschmack der regionalen und saisonalen Küche kommen und diese möglichst auch zu Hause zelebrieren. Obwohl der Transport des mit Sauerkraut gefüllten Weckglases im Zug etwas tricky ist, freuen wir uns auf unser erstes selbstgemachtes Sauerkraut. Verschiedene feine Gerichte mit Kabis werden folgen.

CO2-Sparen kann so einfach sein. Dies bestätigt uns übrigens ein Zertifikat. Weil wir im Hotel genügend Punkte gesammelt haben, sind wir nun offizielle Stern-Botschafter und nehmen an einem Wettbewerb teil.