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28 Prozent aller Flüge über Europa sind Kurzstreckenflüge. Der Anteil des verbrauchten Kerosins beträgt aber nur 5,9 Prozent. Bild: TN

Flugverbot auf der Kurzstrecke in Frage gestellt

Gregor Waser

Langstreckenflüge verursachen den Löwenanteil der weltweiten Flugemissionen, hält eine neue Studie fest und kommt zum überraschenden Schluss: ein Verbot von Kurzstreckenflügen könnte für das Klima kontraproduktiv sein.

Mit der immer drängenderen Klimadiskussion stehen Kurzstreckenflüge mehr und mehr am Pranger. Flüge von weniger als 500 Kilometern seien ein Unsinn. Politiker profilieren sich gerne mit dem Thema. Frankreich verbietet sogar Kurzstreckenflüge. Die Hälfte der Schweizer Bevölkerung würde ein Verbot ebenfalls begrüssen. Und unrecht haben sie ja nicht, es gibt gute Alternativen mit Bahn, Bus oder Auto.

Nur: die Abschaffung von Kurzstreckenflügen bringt für das Klima kaum etwas. Eine neue Studie von Forschenden aus Belgien, Deutschland und Grossbritannien, über die «Der Spiegel» (Abo) zunächst berichtete, zeigt auf, dass 28 Prozent aller Starts in Europa Kurzstreckenflüge betreffen, diese aber nur für einen Anteil von 5,9 Prozent des verbrauchten Kerosins stehen. Demgegenüber erfolgen 6,2 Prozent der Starts an Langsreckenziele von weiter als 4000 Kilometern. Diese benötigen aber 47 Prozent des Kerosins.

Damit richtet die Studie das Scheinwerferlicht auf Flüge von Mitteleuropa etwa nach Dubai, New York oder Bangkok. Vor allem solche Flüge seien zu hinterfragen, lautet das Fazit. Auf Flügen von mehr als 4000 Kilometern Distanz sei der Klimaeffekt deutlich höher, wie Studienleiter Giulio Mattioli von der Technischen Universität Dortmund festhält, total werde viel mehr Treibstoff benötigt. Auch würden Gase in grösserer Höhe ausgestossen, wo sie einen stärkeren Einfluss auf das Klima hätten.

In der Analyse kommen die Forschenden darauf, dass ein Verbot von Kurzstreckenflügen sogar negative Auswirkungen auf das Klima haben könnte. Diese überraschende Aussage basiert auf dem Thema der Slots: Flughäfen vergeben ihre Startzeiten sowieso, und diese sind vielerorts bis auf den letzten Slot ausgebucht und heftig umkämpft.

Sollten nun Kurzstreckenverbindungen gestrichen werden, müssen die Fluggesellschaften ihre Sots mit anderen Flügen füllen oder sie verlieren diese. Wenn dann anstelle der verbotenen Kurzstreckenflüge vermehrt Mittel- und Langstreckenflüge aufgelegt werden, sei der Schaden für das Klima viel grösser. Ein Verbot von Kurzstreckenflügen sei nur dann sinnvoll, wenn auch die verfügbaren Slots begrenzt werden und damit ein Ausbau von Mittel- und Langstreckenflügen verhindert wird.

Und ein weiterer Punkt, der in der Studie erwähnt wird: sollte es zu einem Verbot von Kurzstreckenflügen kommen, sei eine Zunahme von klimaschädlichen Autofahrten absehbar.