Future

Andy Gantenbein, Geschäftsführer der Aerticket Suisse AG, beim Treff mit Travelnews im schönen Illnau: «Wir bieten mit Cockpit einfach eine super Plattform.» Bild: JCR

«Unsere Tarifsuche ist nicht auf die Schweiz beschränkt»

Jean-Claude Raemy

Seit etwas mehr als einem Jahr ist die Aerticket Suisse AG, ein Joint Venture zwischen der Globetrotter Travel Service und dem deutschen Reisebranchen-Dienstleister Aerticket, im Schweizer Markt aktiv. Laut Geschäftsführer Andy Gantenbein versteht sich das Unternehmen als Content-Leader im Flugbereich, doch habe man für konzernunabhängige Reiseveranstalter und Reisebüros noch mehr als das zu bieten.

Im Mai 2021 wurde die Aerticket Suisse AG gegründet, ein Joint Venture zwischen der Globetrotter Travel Service AG und der Aerticket Intl. Conso Holding (Travelnews berichtete). Die Geschäftführung übernahm Andy Gantenbein, der langjährige FTI- und TUI Flextravel-Manager, welcher bereits 2019 zu Aerticket gewechselt hatte (Travelnews berichtete). Seitdem gab es die eine oder andere News, doch Aerticket war nicht sonderlich «laut» im Markt, sondern brachte sich in Stellung. Nun sei man bereit für die nächsten Schritte, erklärt Andy Gantenbein im nachfolgenden Interview mit Travelnews.


Andy Gantenbein, Aerticket ist der grösste unabhängige Flugticketgrosshändler Europas - aber auch noch viel mehr. Ist das genügend bekannt in der Schweiz?

Wir sind in der Schweiz, vor allem pandemiebedingt, bislang eher langsam gestartet. Ich denke, es ist noch nicht allen klar, was wir genau bieten können. Wir werden im Spätsommer sicherlich etwas aktiver werden in Sachen Marketing bzw. Kundengewinnung und -Onboarding. Denn was wir bieten, hat es in sich.

Zunächst einmal: Wen haben Sie im Visier?

Wenn Sie die Kundenakquisition meinen, dann sind wir bisher vor allem im Fulfilment für mittelständische Reiseveranstalter aktiv gewesen, aber natürlich auch für Retailer. Wir arbeiten mit Gruppierungen wie auch mit Einzelbüros zusammen.

Gruppierungen? Davon gibt es in der Schweiz ja nicht mehr sehr viele - und die Grossveranstalter haben alle eigene Flugbroker.

Es ist tatsächlich so, dass der Zusammenschluss in der TPS - in welchem TTS, TWD, TPA und weitere aufgegangen sind - die Landschaft der Grossveranstalter-unabhängigen Gruppierungen verdünnt hat. Natürlich sind wir mit der TPS im Gespräch, mit STAR sind wir bereits eine Partnerschaft eingegangen. Darüber hinaus zählen wir auch unabhängige Reisebüros mit mehreren Betrieben/Filialen als «Gruppierungen». Der Markt ist überschaubar, bietet aber durchaus noch Potenzial.

Ihr Angebot für diese Zielgruppen hat es in sich, haben Sie gesagt. Bitte präzisieren Sie das.

Zum einen bieten wir «Cockpit». Das ist eine topmoderne Buchungsoberfläche mit intuitiver Benutzerführung. Darin erhält man mit einer einzigen Suchabfrage Ergebnisse aus bis zu sieben GDS, aus rund 50 Airline-Direktanbindungen inklusive Low-Cost-Airlines, Züge und Flixbus. Ich darf hier getrost behaupten, dass wir Content-Leader im Flugbereich sind. Eines unserer USPs ist der International Content, also mit einer Tarifsuche, die nicht auf die Schweiz beschränkt ist, sondern in über 100 Locations weltweit verteilt gesucht wird. Dies ermöglicht uns die Anzeige und Buchung von besseren Tarifen, welche andernorts ausgestellt werden können – dies vor allem bei Abflügen ausserhalb der Schweiz oder Vice-Versa-Tarifen. Wir haben Airlines verfügbar, die man in der Schweiz sonst nicht einfach verkaufen kann. Weiter sind etwa Ancillaries wie Sitzplätze/Zusatzgepäck mit einem Klick zubuchbar.

Für die Bearbeitung der Buchungen bieten wir direkten Zugriff auf das PNR im GDS innerhalb von Cockpit, die Umbuchung nach Ticketing in Cockpit und vieles mehr.

Nicht zuletzt werden Hotels, Mietwagen, Fähren, Ausflüge und mehr innerhalb der Buchungsstrecke mit der Veranstaltermarke «Cockpit Holidays» angeboten. Das ist, aufbauend auf den genannten USPs von Cockpit, eine Oberfläche, auf welcher man beliebig Hotels, Transfers oder ganze individuelle Reisen buchen kann. Also ideal für alle, die bereits schon Mikrotouroperating betreiben. In wenigen Clicks lassen sich hierüber Multi-Stop-Reisen und Auto-Touren zusammenstellen und bequem via Online-Offerte dem Kunden zustellen. Man kombiniert also den besten Flug-Content mit touristischen Angeboten.

«Was wir bieten, hat seinen Wert und seinen Preis.»

Das heisst unter dem Strich, dass sie den Veranstaltern den bestmöglichen Flugcontent liefern und den Reisebüros das Leben erleichtern?

Genau das. Wir bieten mit Cockpit einfach eine super Plattform. Bei uns muss man nicht mehrere Plattformen abklappern und miteinander vergleichen. Dank unserer weltweiten Angebotssuche bieten wir die benötigte Transparenz im Tarif-Dschungel. Wir verstehen uns als «tailor-made Dienstleister», indem wir in Cockpit Produkte bieten, welche dem User grösstmögliche unternehmerische Freiheit erlauben wie z.B. auch Filing und Zusteuerung von kundenspezifischen Tarifen. Wir nehmen viel Komplexität heraus, gerade beim Thema NDC-Buchungen oder beim Zugriff auf das PNR und den Import eines PNRs in Cockpit, das durch das Reisebüro erstellt wurde.

Darüber hinaus erlauben wir unseren Kunden mit unserem dynamischen Touroperating-Tool, ihre eigenen Kommissionen zu definieren. Gepaart mit den hervorragenden Flugticket-Angeboten lassen sich so immer wieder gute Margen erzielen - bei gleichbleibenden Verrechnungsprozessen.

Gewiss, aber Sie sagten, dass Sie mittelständische unabhängige Reiseunternehmen im Visier haben. So unabhängig sind diese doch meist nicht, sondern - auch wegen den Kommissionen - einem oder gar mehreren Grossveranstaltern verpflichtet. Hat es da genügend Potenzial?

Zum einen gibt es noch Reisebüros und Veranstalter, die ihr eigenes Ticketing machen. Da bieten wir mit unseren Produkten sicherlich sehr interessante Lösungen für eine Zentralisierung des Flug-Fullfilments mit uns.

Zum anderen müssen sich die einzelnen Unternehmer auch fragen: Wäre es nicht besser, nur bei einem oder zwei Reiseveranstaltern in hohe Kommissionsstufen zu kommen, und die Flüge und dynamischen Angebote mit eigenen gesteuerten Margen mit adäquatem System bei uns zu buchen? So kann man das Know-How und die Beziehungen auf weniger Partner bündeln.

Wer arbeitet denn aktuell bereits mit Ihnen?

Natürlich arbeitet Globetrotter mit uns, also unser Joint-Venture-Partner. Unser Ticketing Office befindet sich bei Globetrotter in Bern, dort arbeiten die top Leute vom langjährigen Globetrotter Ticketoffice unter der Führung von Nick Gerber für Aerticket Suisse AG. Dann gibt es schon einige weitere Unternehmen, welche mit uns arbeiten - aktuell sind es rund 70 Reiseunternehmen, die ein Login bei uns haben. Das Login ist übrigens gratis...

Aber sie arbeiten natürlich nicht gratis.

Nein, wir sind serviceorientiert und für unsere Partner da. Langjährige Win-Win-Partnerschaften zeichnen Aerticket aus. Was wir bieten, hat seinen Wert und seinen Preis - etwa den 24-Stunden-Service, welcher optimalen Support garantiert.

«Aktuell haben 70 Reiseunternehmen ein Login bei uns.»

Sprechen wir mal über Entwicklungen der letzten Monate. Zum Beispiel die Anbindung von Paxconnect.

Hierüber lassen sich Buchungen aus unserem Cockpit direkt in die Paxlounge übertragen, eine Multichannel-Software, die Angebote aus Preisvergleichssystem integriert und welche es Reisebüros ermöglicht, Kunden sowohl offline als auch online zu beraten. Das ist eine weitere deutliche Verbesserung des Angebots - vorausgesetzt, man nutzt Paxconnect und die Paxlounge. Ich muss sagen, ich war erstaunt, dass in der Schweizer Reisebürolandschaft Paxconnect teils noch unbekannt ist.

Da verhält es sich bei Nezasa, dem Schweizer Reisetechnologie-Unternehmen, doch sicher anders. Mit Nezasa wurde im letzten Oktober eine Zusammenarbeit bekannt gegeben. Worum geht es da genau?

Achtung, wir verlassen nun den Bereich der Aerticket Suisse AG. Die Kooperation wurde mit der Aerticket Gruppe getroffen. Im Kern geht es darum, dass Nezasa mit Aerticket als Partner ihren Kunden einen Marketplace mit touristischen Leistungen anbieten kann. AER übernimmt hierbei die operativen Aspekte und die Angebotsentwicklung. Damit ist Nezasa in der Lage, eine gebrauchsfertige Lösung anzubieten, welche ihre Planungs- und Buchungstechnologie für mehrtägige Reisen, den sogenannten «TripBuilder», mit einer grossen Auswahl an Angeboten in allen Produktkategorien kombiniert. Sprich: Nezasa-Kunden haben Zugang zu wettbewerbsfähigen Preisen für Flüge, Hotels, Aktivitäten, Mietwagen und mehr von einer Vielzahl von Anbietern, ohne dass sie mit jedem einzelnen von diesen eine Geschäftsvereinbarung treffen müssen. Auch hier wird Komplexität herausgenommen.

Oder einfacher ausgedrückt: Ein Reiseunternehmen macht mit Nezasa einen Vertrag für den Zugang zum Marketplace sowie separat mit Aerticket. So hat man Zugriff auf den gesamten Reiseerstellungs-Content, den man aber mühelos mit eigenem Content auch ergänzen kann - je nach Nezasa Produkt-Plan. Es erlaubt also bessere Differenzierung, oder meinetwegen Spezialisierung. Denn es ist klar, dass kein Buchungssystem jemals alles abdecken kann.

Theoretisch ist dies also auch schon jetzt für Schweizer Reiseunternehmen nutzbar, nicht?

Manche findige Reiseunternehmer nutzen dies bereits, ja.

Darf man annehmen, dass auch der jüngst von Aerticket übernommene Fernreiseveranstalter Boomerang Reisen von dieser Möglichkeit Gebrauch macht?

Gewiss.

«Wir verstehen, was KMU-Veranstalter und Reisebüros brauchen.»

Sie bewegen sich übrigens in einem ähnlichen Umfeld wie das französische Unternehmen Worldia, welches in der Schweiz etwas aktiver sein will. Was haben Sie dem entgegenzusetzen?

Ich denke, unsere Plattformen sprechen für sich. Ausserdem sind wir ja physisch hier vor Ort, mit meiner Person, mit dem Team in Bern mit Nick Gerber, der mein Stellvertreter ist, sowie mit Jost Nolle, der sich vom Bodensee aus um Kunden-Support, Onboarding und mehr in der Schweiz kümmert. Da sind wir deutlich weiter.

Zusammenfassend: Sie sehen ihre Plattformen als Zukunft des Reisens. Was ist dann ihre Botschaft an die Schweizer Reisebüros?

Moderne Technologie ermöglicht es, speditiv und aus einer Hand eine extrem grosse Bandbreite an Reisemöglichkeiten schnell zu erstellen. Wir verstehen, was KMU-Veranstalter und Reisebüros brauchen, schliesslich wurde die AER Kooperation bereits vor mehr als 35 Jahren als Interessenvertretung unabhängiger Reiseanbieter und und AERTICKET als deren Flug-Dienstleister gegründet.

Ich denke, Reisebüros sollten sich genau fragen, was Sie zum Profi macht. Sind es lediglich die guten Destinationskenntnisse? Nein, es ist auch das Vorhandensein der richtigen Arbeits-Tools. Und da sehe ich in der Schweiz sicherlich noch Verbesserungspotenzial, wo wir ins Spiel kommen können. Während der Pandemie haben einige Reisebüro-Inhaber ihre «technische Ausstattung» vielleicht etwas hinterfragt, jetzt ist man bereits wieder voll im Tagesgeschäft und hat kaum Zeit für sowas. Doch diese Zeit sollte man sich dringend nehmen.

Meine Botschaft könnte also lauten: Denken Sie nicht nur an den reinen Verkauf, sondern vor allem auch an die damit verbundenen Prozesse und Effizienz!