Future

Die Reisebuchungen wären wieder da. Doch in den Schweizer Reisebüros und bei den Reiseveranstaltern fehlen viele Mitarbeitende. Bild: TN

Einwurf Die Personalmisere ist selbst verschuldet

Simon Schnellmann

Reisebüro-Chef Simon Schnellmanns ausführliche Gedanken über den Personalnotstand, die lähmende Wirkung von Kurzarbeit und mögliche Ansätze darüber, wie die Reisebranche den Weg aus der Notsituation finden könnte.

Es schleckt keine Geiss weg, dass wir Reisebüros aktuell vor einem monstermässigen Personalproblem stehen. Teilweise ist das Problem sicher der Covid-Krise verschuldet, doch die Hauptschuld trägt unsere Branche selber, denn wir haben es zu einem grossen Teil selber verbockt. Die Pandemie war schlussendlich nur noch der berühmte Tropfen, welcher das Fass zum Überlaufen gebracht hat.

Wenn wir den Karren noch irgendwie aus dem Dreck ziehen und vor allem auch noch auf die Spur zurück bringen wollen, so werden wir nicht darum herum kommen, zuerst einen Blick in den Rückspiegel zu werfen. Wir können es uns nicht leisten, ein weiteres Mal überfahren zu werden, denn das würden wir mit Sicherheit nicht mehr überleben.

Im Jahr 2000 bot unsere Branche noch mehr als 20‘000 Arbeitnehmern einen Arbeitsplatz. Vor Ausbruch der Krise zu Beginn des Jahres 2020, also 20 Jahre später, waren es gerade mal noch deren 8000. Und jetzt, nochmals 2 Jahre später und natürlich pandemiebedingt, sind es wohl nicht mal mehr deren 6000. Im gleichen Zeitraum also, in welchem sich das weltweite Reisevolumen mehr als verdoppelt hat, schrumpfte unsere heimische Branche auf weniger als einen Drittel. In der gleichen Zeit, wo im Tourismus weltweit Millionen neuer Arbeitsplätze geschaffen wurden, vernichteten wir deren 14‘000. Sorry, aber da beisst sich der Hund doch in den eigenen Schwanz. Deshalb sollten wir zuerst vor der eigenen Haustüre aufräumen. Die Schuld dafür nur Booking und Konsorten in die Schuhe zu schieben wäre viel zu einfach und vor allem nicht zielfördernd.

Es verwundert nicht, dass die Basis kein Vertrauen mehr hat, denn aus unserem wertvollsten Gut, unseren Mitarbeitern, wurde schleichend eine namenlose Manöveriermasse gemacht, über welche man nach Lust und Laune richten konnten. Der Mensch war irgendwann nicht mehr wichtig. Dass jetzt die Verstossenen, welche irgendwann ihren Job und damit auch ihr Vertrauen in die Branche verloren haben, nicht mehr für eine Rückkehr zu begeistern sind, weder diejenigen, die man schon vor der Pandemie vom Hof gejagt hat, noch diejenigen, denen man während der Pandemie den Weg nach draussen gewiesen hat, ist die logische Konsequenz für jahrelanges Missmanagement.

Einst waren wir Reisebüros eine Anlaufstelle für Idealisten, die ihre Passion zum Beruf machen konnten, für die Auslebung ihres Traums im Gegenzug aber bereit waren, auf einen anständigen Lohn zu verzichten. Bis auf das tiefe Lohnniveau ist heute vom einstigen «Traumberuf Reisebranche» nicht mehr viel übrig. Deshalb verlieren wir on top mittlerweile auch Mitstreiter, die freiwillig das Weite suchen. Es ist nachvollziehbar, wenn sich die Leute sagen: «Hey, also wenn mich mein Job ja sowieso nicht mehr glücklich macht, wieso soll ich dann nicht in eine Branche wechseln, wo ich zwar auch nicht glücklich werde, dafür aber doppelt so viel verdienen kann?».

Haarsträubende Beispiele aus den vergangenen Jahren

Hotelplan kaufte im Jahr 2006 die Reisebaumeister Gruppe. Reisebaumeister beschäftige damals rund 380 Mitarbeiter, war die Nr. 4 im Land und nannte ein Portfolio mit ungefähr 10 Spezialisten sein Eigen, darunter solche Perlen wie Skytours, Caribtours, Sierramar oder Wettstein, um nur ein paar davon zu nennen. Ein Volltreffer im wahrsten Sinne des Wortes, hätte man zumindest meinen müssen, denn schon damals war absehbar, dass die Zukunft den OTA (Online travel agency) und den Spezialisten gehören wird. Es war deshalb für alle auch nur eine Frage der Zeit, bis Hotelplan daraus ein Monster machen und vor allem neue Arbeitsplätze schaffen würde. Ein bisschen Fingerspitzengefühl, Cleverness und bisschen Weitsicht durfte man dem Konzern ja durchaus attestieren. Doch tragischerweise passierte leider genau das Gegenteil. Reisebaumeister ist heute Geschichte, der Nachkomme heisst travelhouse und beschäftigt gerade mal noch ca. einen Fünftel des damaligen Mitarbeiter-Bestands. Statt also die Steilvorlage anzunehmen und daraus 300 zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen, wurden deren 300 vernichtet. Und das bei dieser Ausgangslage! Man nannte es «Reorganisation», ich nenne es «Perlen vor die Säue werfen».

Man stelle sich mal vor: da kauft jemand einen wunderschönen Ferrari, welcher vielleicht schon ein bisschen in die Jahre gekommen ist. Um ihn wieder fahrtüchtig und fit für die schnellste Runde zu machen (was ja die Absicht hinter dem Kauf sein sollte), müsste man nur ein paar Teile ausbauen, reinigen und wieder einsetzen oder ersetzen. Doch stattdessen baut man dieses Top-Auto ohne mit der Wimper zu zucken zu einem Fiat Uno um…

Und wer jetzt glaubt, dass es nicht noch schlimmer geht, der täuscht sich: Mit dem Kauf von travelwindow (travel.ch) und Esco holte man sich einen Lamborghini und einen zuverlässigen Volvo SUV in die Garage. Doch leider wusste man damit eben so wenig anzufangen wie mit dem Ferrari. Diesmal baute man die Autos aber nicht mal mehr zu Kleinwagen um, sondern fuhr sie auf mehr oder weniger direktem Weg zum Schrottplatz und liess sie einstampfen. Also ich weiss ja nicht so recht, aber mit diesen Steilvorlagen hätte man doch schlicht und einfach weitere Arbeitsplätze schaffen müssen? Doch stattdessen vernichtete man erneut um die 200. Man nannte es «konsolidieren», doch man konnte eigentlich nur noch «kondolieren», zumindest all den Menschen, welche nicht nur ihren Arbeitsplatz verloren haben, sondern eben auch den Glauben an ihren einstigen Traumberuf.

Die Ankündigung des damaligen Branchenprimus Kuoni aus dem Jahre 2015 , dass man sich aus dem Reisegeschäft zurückziehen wolle, war an Dummheit, Arroganz und Ignoranz nicht mehr zu toppen. Wie zum Teufel konnte so etwas nur passieren? Die entsprechende Pressemitteilung war eindeutig falsch und irreführend formuliert! Und das will in den heiligen Gemächern an der Neuen Hard (damaliger Geschäftssitz) wirklich niemand gemerkt haben? Sorry, aber das ist einfach nur kriminell, man kann es nicht anders sagen. Und ich wundere mich auch heute noch, dass die Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft gezogen wurden und man sie mehr oder weniger ungeschoren davonkommen liess. All den Arbeitnehmern, welche daraufhin auf einen Chlapf ihre Stellen verloren (es waren sicher um die 500, wahrscheinlich aber noch viel mehr), nützt diese Erkenntnis am Schluss herzlich wenig.  Immerhin zeigt die neue Besitzerin DER Touristik, dass sie durchaus mit Verstand ans Werk geht, denn man lässt die Töchter wie Manta, Kontiki oder Private Safaris weiterhin selbständig laufen, was diese wiederum mit einem wichtigen und positiven Beitrag an das Betriebsergebnis zurückzahlen und verdanken. Ich kann mir gut vorstellen, dass die heutige Führung in Glattbrugg (von welcher ich übrigens sehr viel halte!) beim Gedanken daran, was mit Reisebaumeister, travel.ch und Esco so alles möglich gewesen wäre, ab und zu ein bisschen neidisch und verstohlen nach Zürich Altstetten schielt.

Mitarbeitenden geht die Luft aus

Es geht mir beim besten Willen nicht um eine Abrechnung. Nein, es geht mir darum, dass wir verstehen, dass solche Nummern einfach nicht mehr drin liegen, denn sie würden uns als Branche mit Sicherheit das Genick brechen. Wir müssen mit allen Mitteln verhindern, dass nicht erneut nochmals irgendwelche Unersättliche an die Machthebel unserer Branche kommen, welche ihren eigenen Profit - wie auch denjenigen ihrer Auftraggeber, Besitzer und Shareholder - über das Gemeinwohl stellen. Die soziale Verantwortung steht an erster Stelle, und zwar immer! Jeder einzelne Arbeitsplatz ist tausendmal mehr wert als jegliche Befriedigung narzisstischer Profilierungsneurosen. Unsere ganze Branche hat mittlerweile ja auch nur noch ungefähr die Grösse eines Fiat Uno. Wenn wir also nicht aufpassen, fahren wir damit in ein paar Jahren maximal noch zu einem Nostalgietreffen, aber sicher nicht mehr an den Start eines Autorennens.

Aktuell ist die Talsohle der Fluktuation wohl noch nicht erreicht. Viele Unternehmen leiden enorm unter dem Personalmangel und stossen an ihre Grenzen. Den Mitarbeitern geht langsam die Luft aus, weil sie bis zum Umfallen arbeiten müssen und bald nicht mehr können. Die nächsten Abgänge sind nur noch eine Frage der Zeit.

Wir sind also brutal gefordert. Hier deshalb ein paar Vorschläge und Gedankenanstösse.

Kurzarbeit bremst Aufschwung

Der aktuelle Personalnotstand betrifft nicht nur uns, sondern zieht sich querbeet durch fast alle Branchen hindurch. Deshalb muss die Lösung des Problems auf die politische Ebene verlagert werden. Für mich ist sehr klar, dass die Wurzel des Übels in der jetzigen Aufschwungphase nur beim Kurzarbeitsentschädigungsmodell liegen kann. Kurzarbeit erfüllt ihren Zweck, wenn es darum geht, in Notsituationen den Kollaps zu verhindern. In Zeiten aber, wo wieder so etwas wie ein Licht am Horizont aufflackert, bremst es den Aufschwung. In meinen Augen müsste das Kurzarbeitsmodell lieber heute als morgen durch ein alternatives Entschädigungsmodell ersetzt werden, welches den Aufschwung unterstützt und eben nicht ausbremst. Wenn der Wirtschaft also eine Alternative geboten werden könnte (z.B. eine Verlustübernahme-Garantie für das aktuelle, vielleicht auch noch für das nächste Geschäftsjahr), dann wären wahrscheinlich so ziemlich viele der aktuellen Probleme lösbar, branchenübergreifend.

Wieso?

1. Wie überall im Leben muss man Säen, bevor man Ernten kann. So auch in der Wirtschaft. Zuerst wird produziert, erst danach kann man verkaufen. Der Aufwand kommt also immer vor dem Ertrag, was auch Einfluss auf die Buchhaltung hat. Je nach Branche ist die Zeitspanne zwischen Aufwand und Ertrag mal kleiner und mal grösser, in fast allen Branchen ist sie aber eher grösser als kleiner. In unserer Branche liegen zwischen Aufwand (Buchungszeitpunkt) und Ertrag (Abreisezeitpunkt) ungefähr vier bis sechs Monate. Das bedeutet, dass wir knapp die Hälfte des Aufwandes bereits im Vorjahr des ertragsrelevanten Geschäftsjahres verbuchen müssen. In gesunden und rollenden Zeiten ist das überhaupt kein Problem, denn diese zeitliche Verzögerung zwischen der Verbuchung von Aufwand und Ertrags gleicht sich laufend aus.

Jetzt sind wir aber an dem Punkt, dass nicht nur wir, sondern auch andere Branchen, mit praktisch leeren Auftragsbüchern ins aktuelle Geschäftsjahr starten mussten. Das klassische Start-Up-Problem halt, die Vorproduktion fehlt. Damit wir also den ausgefallenen Ertrag im aktuellen Jahr noch irgendwie kompensieren können, um nicht tiefrot abschliessen zu müssen, bleibt uns nicht viel anderes übrig, als wenn immer nur möglich auf das Kurzarbeitsmodell zurückzugreifen. Anstatt dass wir uns der Ertragsoptimierung widmen, müssen wir uns vor allem um die Aufwandminimierung kümmern. Damit verlagern wir das Problem aber nur ins Folgejahr, was sicher nicht Sinn und Zweck der Übung sein kann, wenn wir unsere Wirtschaft so schnell wie möglich wieder in den Normalzustand bringen wollen. Das entsprechende Tool gibt es ja bereits, nämlich die Härtefallhilfe. Aber ich glaube, dass in Zeiten des Aufschwungs der Bund den Lead übernehmen müsste. Denn wenn wir alle Firmen mit gleichlangen Ellen unterstützen möchten, dann sollte der Kantönligeist – zumindest aktuell – nichts zu melden haben dürfen. Es muss eine verbindliche Garantie dafür geben, dass jeder seriös arbeitenden Firma die Verluste gedeckt werden, egal in welchem Kanton sie tätig sind.

2. Aus obigem Grund wird ein Grossteil der Arbeitnehmer zu weniger Produktivität verdonnert, weil sie dazu angehalten werden, wenn immer nur möglich so wenig wie nur möglich zu arbeiten. Wir verschenken also zig-zig-zig von möglichen Produktivitäts-Stunden, welche unserer Wirtschaft jetzt notabene natürlich an allen Ecken und Enden fehlen. Am Anfang war es den Arbeitnehmern noch möglich, sich einen Zweitjob zu suchen und sich einen Zusatzverdienst zu sichern. Bei der aktuellen Auslegung des Kurzarbeitsmodells ist dies aber nicht mehr möglich. Wer liegt denn für den gleichen Lohn nicht lieber in der Badi rum als irgendwo in einem Grossraumbüro zu schuften? Genau überhaupt niemand. Also müssen wir den Arbeitnehmern mit freien Kapazitäten doch einen Mehrwert bieten können, damit sie die Arbeit der Freizeit vorziehen? Das schaffen wir aber nur, wenn wir ihnen zusätzliches Einkommen anbieten können.

Es wird ja nicht so sein, dass gleich alle ihre neu dazugewonnene Freizeit für einen finanziellen Zustupf aufgeben werden, Stichwort Work-Life-Balance. Einige mit Sicherheit aber eben schon. Wenn die Wirtschaft profitiert, profitiert auch der Steuervogt, also werden die unter dem Strich für den Bund anfallenden Kosten überschaubar bleiben. Return to Investment. Interessanterweise ist das Job- und Personalkarussell ja ungefähr genau zu dem Zeitpunkt zum Stillstand gekommen, als den Arbeitnehmern die Möglichkeit auf einen Zweitjob und einen entsprechenden Zusatzverdienst genommen wurde.

Hinterfragung der Organigramme und Firmenbewertungen

Solange auf politischer Ebene nichts passiert, werden auch wir den momentanen Personalnotstand nicht in den Griff bekommen, zumindest nicht kurzfristig. Würde es aber eine politische Lösung wie zum Beispiel oben beschrieben geben, so würde das unserer Branche mit Sicherheit helfen.

Gottes Garten ist gross. So bin ich mir auch sicher, dass einige  über genügend Fantasie verfügen, um kurzfristig an neues Personal zu kommen. Doch so wie es aussieht, gibt es eben auch diejenigen, die nicht über die nötige Fantasie verfügen und deshalb mit der Brechstange ans Werk gehen. Momentan versuchen doch tatsächlich einige Player, neues Personal mit höheren Salären anzulocken. Doch das ist doch einfach glatter Selbstmord. Wie soll man denn den langjährigen und treuen Mitarbeitern erklären, wieso der neue Arbeitnehmer mehr als sie selber verdienen wird? Die Palastrevolution ist so doch vorprogrammiert, denn das bisher treue Personal lässt sich das mit Sicherheit nicht bieten. Erst recht nicht in der aktuellen Situation, wo jeder Arbeitnehmer quasi freie Platzwahl hat und spielend leicht einen neuen Arbeitgeber finden würde. Für die Neubesetzung einer freien Stelle riskiert man also, im Gegenzug gleichzeitig zehn langgediente Mitarbeiter durch Meuterei zu verlieren und somit den Karren noch ganz an die Wand zu fahren? Das ist Pokern auf tiefstem Niveau, All-In mit 2 und 7 in der Hand… Ja natürlich, man hat Ruhe, wenn man die Saläre für alle erhöht. Aber wie soll das in der jetzigen Situation gehen, wenn es offenbar noch nicht mal in normalen Jahren möglich war? «Hey Leute, ab heute gibt’s eine saftige Lohnerhöhung für alle, dafür steigert ihr jetzt bitteschön den Umsatz um einen Drittel, ich zähle auf Euch»? Nein, wer so denkt und handelt, gefährdet nicht nur seine Firma und seine Mitarbeiter, sondern mittlerweile eben auch unsere gesamte Branche. Also hört bitte auf mit diesem Blödsinn!

Mittelfristig werden wir nicht drum herum kommen, unsere Branche wieder attraktiv zu machen. Mit leeren Worthülsen, Selbstbeweihräucherung und ein bisschen Schminke ist das nicht zu bewerkstelligen, denn wahre Schönheit kommt von innen. Auf Unternehmen wie uns übertragen heisst das, dass unsere Attraktivität nur von der Basis ausgehen kann. Wir würden also gut daran tun, uns an die Arbeit zu machen, denn die Zeit drängt.

Zwei Lösungsansätze

1. Jeder erdenkliche Organismus auf diesem Planeten braucht Nahrung, um überleben zu können. Bei einer Organisation – wie zum Beispiel einer Firma – gibt es die Aufgabenteilung, um noch effizienter an Nahrung zu kommen. Die «Häuptlinge» wissen, wo die besten Jagdgründe sind und wo die Jäger die besten Aussichten auf eine erfolgreiche Jagd haben. Über das Wissen der besten Jagdtechniken verfügen aber vor allem die Jäger und sie sind es schlussendlich auch, die uns die Nahrung nach Hause bringen, nicht der Häuptling. Also gilt es doch, den Jägern Gehör zu verschaffen und sie bei jeder noch so kleinen Entscheidung nach ihrer Meinung zu fragen und sie zu Wort kommen zu lassen. Denn nur sie kennen die Probleme der Front und wissen, was förderlich und was hinderlich für eine erfolgreiche Jagd ist.

Die Jäger unserer Branche arbeiten im Verkauf. Sie sind die heimlichen Chefs, ohne die nämlich gar nichts geht. Ich bin deshalb der Meinung, dass wir diese ganzen unsäglichen Organigramme endlich aus unseren Firmenkulturen verbannen sollten. Organigramme zeigen nur auf, wer sich nicht wichtig, wer sich ein bisschen wichtig, wer sich wichtig, wie viel wichtiger und am wichtigsten aufführen darf. Das ist das Gegenteil von Basis-Demokratie, welche von unten, und eben nicht von oben kommt. Für eine gut geölte Organisation ist nämlich jeder einzelne genau gleich wichtig und es soll sich auch jeder genau gleich wichtig fühlen dürfen.

Ein Organigramm im herkömmlichen Sinn verhindert aber, dass von oben bis unten (oder umgekehrt) jeder einzelne die Verantwortung übernimmt, die er aufgrund seiner Fähigkeiten übernehmen kann und soll. Logisch, denn wenn der Jäger ein Problem erkennt und sieht, dieses zuerst aber mit dem Jäger-Team-Chef besprechen muss, und dieser wiederum mit dem Vorgesetzten und Verantwortlichen der regionalen Jäger-Team-Chefs, dann ist die Chance relativ gering, dass die Probleme der Front auch wirklich den Weg bis zum Häuptling finden. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass wir mit diesem Hierarchie-Denken endlich aufhören. Es geht nämlich nur darum, wer welche Verantwortung zu übernehmen vermag, aber sicher nicht um die Befriedigung von persönlichen Egos durch Jobbezeichnungen auf irgendwelchen Visitenkarten. Es ist elementar wichtig, dass die Jäger die Häuptlinge mit den wichtigen Infos aus der Front versorgen können (besser noch, wenn der Häuptling selber an der Jagd teilnimmt!), also müssen wir auch dafür sorgen, dass die Wege kurz sind und sich keiner hinter jemand anderem verstecken kann und muss. Viele Wege führen nach Rom, ein Organigramm zeigt aber eben nur den einen Weg auf, was daran hindert, bei Stau eine Umfahrung zu finden …

Bei uns, also travel worldwide, ist es so, dass ich zwar der Chef bin und die Verantwortung für das Gelingen des Ganzen übernehme, zu den regulären Arbeitszeiten arbeite ich aber zu 100 Prozent im Verkauf und verkaufe Reisen nach Asien. Für die kreativen Ansätze, Ideen und der Suche nach erträglichen und in nützlicher Frist erreichbaren Jagdgründen bleibt mir abends und nachts ja noch mehr als genug Zeit. Tagsüber bin ich dort, wo die Jagd stattfindet und jage an vorderster Front mit. Ich bin ein vollwertiges Mitglied des Jäger-Teams, weshalb es mir auch nie in den Sinn kommen würde, meine Mitstreiter irgendwelchen Blödsinn ausführen zu lassen, denn ich müsste dabei ja selber mitmachen. Wir fahren damit ganz gut und haben auch Erfolg damit. Unsere Mitarbeiter sind hauptsächlich glücklich und zufrieden, weil sie eben nicht nur satt werden und mehr Geld für die Verwirklichung ihrer Träume haben, sondern weil sie auch wissen, dass sie ihr Häuptling, der an vorderster Front mitkämpft, niemals im Stich lassen würde. Das schafft Vertrauen.

Ich glaube, dass es genügend andere Möglichkeiten gäbe, ähnliche Modelle aufzugleisen, es muss ja nicht der Weg von travel worldwide sein. Wie gesagt führen viele Wege nach Rom. Entscheidend ist am Schluss, dass diese Wege gangbar sind und die Truppen ein erreichbares Ziel vor Augen haben, welches sie gemeinsam als ganze Organisation erreichen kann. Einer für alle, alle für einen…

2. Ich schlage vor, dass wir unseren Mitarbeitern einmal pro Jahr die Möglichkeit geben, ihre Arbeitgeber anonym zu bewerten. Es wäre nicht so schwer, ein entsprechendes Projekt aufzugleisen, aber das wäre die Aufgabe unserer Verbände. Daraus könnten wir ein öffentlich zugängliches, jährliches Firmenrating erstellen, welches 1:1 das Wohlbefinden unserer Mitarbeiter darstellen würde. Die Firmen, für die soziale Verantwortung kein Fremdwort ist, befinden sich in diesem Rating mit Sicherheit weit oben. Und die Firmen, die sich weiter unten des Ratings wiederfinden, werden so dazu gezwungen werden, ihre Geschäftsmodelle und vor allem ihren Umgang mit der Basis zu überdenken, denn sie würden es sonst unweigerlich schwerer haben, mit schäbigen Scores an gutes Personal zu kommen. Auf jeden Fall würde etwas in dieser Art positive Signale an unsere Mitarbeiter aussenden. Wir müssen es schaffen, dass unsere Mitarbeiter wieder das Vertrauen in unsere Branche zurückgewinnen. Ein solcher Ansatz wäre ein erster Schritt in diese Richtung. To be discussed.