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Die Suche nach dem Flug mit dem geringsten CO2-Ausstoss
Gregor WaserMan suche einen x-beliebigen Flug, zum Beispiel vom 1. bis 15. September 2022 von Zürich nach Bangkok und zurück. Wie bei jedem Online-Reiseportal lassen sich auch bei Google Flights die Flugtarife nach dem herkömmlichen Prinzip «Preis» suchen und auflisten:
- Austrian Airlines, 494 Franken
- Etihad, 527 Franken
- Finnair, 563 Franken
- Swiss, 567 Franken
- Thai, 599 Franken
Die Auswahl ist gross und die Preise sind tief. 500 oder 600 Franken für ein Returnticket? Einen Umweltpreis gewinnt man wohl nicht, wenn man zu diesem Spottpreis kurz nach Asien jettet und wieder zurück. In Zeiten wachsender Nachhaltigkeitsbemühungen bei Konsumentinnen und Konsumenten – die Nachtzug-Buchungen gehen gerade durch die Decke –, ist es ohnehin fraglich, ob nun der Unterschied weniger Franken den Ausschlag gibt, welchen Flug man bucht oder überhaupt im selben Mass wie noch vor einigen Jahren in ein Flugzeug eingestiegen wird.
Flugsuche nach «Emissionen»
Seit Oktober 2021 verfügt Google Flights über eine neue Option, die zunächst einmal als interessante Spielerei erscheint, aber das Potenzial hat, sowohl auf das Konsumenten-Interesse zu stossen wie auch möglicherweise einen neuen Industriestandard zu setzen, der einen mächtigen Einfluss in Zukunft auf Flugbuchungen haben könnte. Denn die Ergebnisse der Flugsuche werden neuerdings angereichert mit der effektiven CO-Emission jedes Fluges und die Flugergebnisse lassen sich nach diesem Kriterium, dem geringsten CO2-Ausstoss, auflisten.
So sortieren wir nun also die Bangkok-Flugsuche neu nach «Emissionen». Dann sieht das Ranking nämlich so aus:
- Finnair, 816 kg CO2 (-16%)
- Etihad, 910 kg CO2 (- 6%)
- Swiss, 972 kg CO2 (mittlere Emission)
- Austrian 975 kg CO2 (mittlere Emission)
- Thai, 1086 kg CO2 (+ 11%)
Doch wie kommt diese Angabe überhaupt zustande? Was wohl Airlines zu dieser Auflistung sagen? Und überhaupt, welche Motivation treibt Google an, die komplizierte Rechnerei durchzuführen und auf Google Flights zu integrieren?
Das wollen wir genauer wissen und nehmen den Weg von Travelnews zu Google Flights auf uns. Nein, das ist keine mehrtägige Expedition nach Mountain View in Kalifornien. Sondern gemäss Google Maps genau 1,5 Kilometer respektive 19 Minuten zu Fuss von der Zürcher Hohlstrasse 216 an die Europaallee 36 (CO2-Ausstoss = 0). Und hier treffen wir auf Patrik Reali, Engineering Manager für Travel Sustainability auf Google Flights. Er ist einer von heute 4500 Google-Mitarbeitenden in Zürich. Der 50-jährige Tessiner ist schon länger ein Googler, nämlich schon seit 2005, als am Limmatquai gerade mal 20 Leute für Google im Einsatz standen, in einer Zeit, als sich viel noch fragten, was ist Google, was ist eine Suchmaschine?
Besuch bei Google Flights
Eine löbliche Eigenheit bei Google heute: Jede und jeder Mitarbeitende kann 20 Prozent seines Pensums für selber ausgewählte Projekte, Entwicklungen oder für das Lernen beanspruchen. Schon vor drei Jahren haben wir einen Googler mit seinem Projekt «Google Plus» vorgestellt. Und so ist auch die Anreicherung von Google Flights mit einer Emissions-Option aus einem solchen «Seitenprojekt» entstanden, wie Patrik Reali schildert.
«Vor vier Jahren haben wir unter Kollegen über die Umweltbelastung der Flugindustrie gesprochen und gesagt, jetzt müssen wir etwas machen. So entschieden wir uns, die Entwicklung anzugehen, CO2-Werte bei der Flugsuche abzubilden. Es gab zwar schon andere Ansätze, was wir dann verfolgten war die Idee, bei jedem einzelnen Flug zu zeigen, wieviel CO2 dieser ausstösst.» Und daraus sei dann auch die Sortierbarkeit nach CO2 entstanden.
Innerhalb eines Jahres brachte Realis Team einen Prototyp zum Laufen, der in der Schweiz, Deutschland, Österreich, Frankreich und den Niederlanden im Hintergrund lief. Wegen der Pandemie sei das Flugvolumen gering gewesen, entsprechend zurückhaltend sei etwaiger Unmut der Airlines ausgefallen.
Google habe schon immer sehr viel intern für den Umweltbereich gemacht, schildert der Google-Flights-Manager, derzeit verfüge das Unternehmen Verpflichtungen für grünen Strom im Bereich von sechs Gigawatt. Das Interesse, etwas für die Umwelt zu machen, sei dann weiterverfolgt worden hinein in die Produktentwicklung. So kam es zu Investitionsansätzen und der Überprüfung, welche Produkte dafür geeignet sind. Es folgte die Offizialisierung des CO2-Projekts bei Google Flights. «Und heute können wir nun weltweit auf jedem Flug diese Emissions-Daten ausweisen», sagt Patrik Reali.
Der Ansatz, den Google Flights verfolgt, ist für jede Strecke einen Durchschnittswert festzuhalten, von dem aus dann jeder einzelne Flug in Relation gesetzt wird. Beim Bangkok-Beispiel werden etwa die 972 kg CO-Ausstoss der Swiss und die 975 kg der Austrian als mittlere Emission taxiert, von diesem Wert weichen Finnair (-16%) oder Thai (+11%) dann ab. Damit könne die Einsparung oder Mehrbelastung verdeutlicht werden.
Jedes Flugzeug mit anderem CO2-Fussabdruck
Nun wird es aber kompliziert. Wie die Werte zustande kommen, dafür spielen nämlich mehrere Faktoren eine Rolle. Und das ist auch ein umstrittener Punkt, über den in der Airline-Industrie schon lange debattiert wird, welche Kalkulation nun richtig sei. Was damit einhergeht: so lange es verschiedene Rechenarten gibt, sagen sich zum Beispiel grosse Travel Management Companies, wir verzichten noch auf eine Integration dieser Daten, wenn es beim Thema noch so viel Unklarheit gibt.
Das bestätigt auch Patrik Reali: «Es gibt noch keinen Standard». Es sei für Anwender verwirrend und töne nicht seriös, wenn jeder andere Zahlen, teilweise dreimal höhere Werte, angibt. «Einerseits gibt es verschiedene Annahmen, was alles dazugehört», erklärt Reali. «Zudem gibt es zwei Zahlen. Einerseits die effektiv anfallende CO2-Emission. Andererseits noch ein CO2-Äquivalent, wo alle umweltbelastenden Faktoren in CO2 umgerechnet, einfliessen.» Als Beispiel hierzu nennt er die Kondensspur.
Während sich gewisse CO2-Rechner auf blosse Annahmen und Durchschnittswerte abstützten, teilweise ohne Berücksichtigung, welches Fluggerät eingesetzt werde, verfüge Google über den Vorteil vieler vorhandener Daten, erklärt Reali. «Wir wissen, dass jeder Flugzeugtyp einen anderen Fussabdruck hat, neuere Flugzeuge haben bis zu 40 Prozent bessere Werte».
Wieviel Treibstoff der ganze Flug braucht, sei ein erster Schritt. Beim zweiten Schritt wird die gesamte Emission auf jeden einzelnen Passagier hinuntergebrochen, im Wissen, wie viele Leute im Flugzeug sind. Und diese Angabe sei eine Schätzung, schliesslich könne der Flug bis elf Monate in der Zukunft liegen. Google Flights rechnet hier mit einem Durchschnittswert von 84,5 Prozent Belegung eines Fluges, zudem werde jede Klasse berücksichtigt, bei einem Business-Passagier falle aus Gründen des grösseren Platztes mehr Emission an, basierend auf IATA-Standards.
Der grünere Tarif hat Priorität
Nach den bisherigen Reaktionen der Userinnen und User gefragt, sagt Patrik Reali: «Was wir feststellen, wenn zwei Airline-Tarife gleich sind, wählen die Leute jenen Tarif, der grüner ist». Die Bereitschaft, deutlich mehr zu zahlen, sei noch nicht festzustellen. «Aber», so Reali, «die Industrie hat gemerkt, diese Entwicklung ist wichtig. Ich denke, 2020 ist die Airline-Industrie gekippt. Davor war noch sehr viel Widerstand auszumachen. Plötzlich wollten alle grün gesehen werden, was wiederum auch mit Corsia zu tun hat, dieses Regelwerk sieht vor, die Emissionen auf dem Niveau von 2020 einzufrieren.» Google Flights habe in den letzten zwei Jahren sehr viel Feedback der Airlines erhalten, ebenso den Wunsch nach Zusammenarbeit.
Seit letztem Herbst arbeitet nun Google mit der Travalyst Coalition zusammen, einer Initiative für umweltbewussteres Reisen, hinter welcher Reiseunternehmen wie Booking, CTrip, Skyscanner oder Tripadvisor stehen. «Wir möchten diesen Schritt gehen und mit der Industrie zusammenarbeiten», sagt Reali, «so dass jeder die gleichen Daten haben kann.» Google sehe sich dabei nicht als Modell-Provider, sondern als Tech-Provider, «da müssen auch die Airlines mitreden, da braucht es ein Komitee. Dabei muss man auch noch einen Schritt weitergehen. Alles, was die Airlines machen, muss auch honoriert werden. Wenn eine Airline wie Easyjet sagt, wir kaufen Kompensationen, muss das als Abzug ins Modell ebenfalls einfliessen oder auch die Nutzung von Sustainable Airlines Fuels».
Die Entwicklung und die Zusammenarbeit mit der Reiseindustrie schreitet also voran. Wie er den aktuellen Stand der CO2-Datenintegration bei Google Flight denn nun erachte, wollten wir zum Schluss unseres Gespräches von Patrik Reali erfahren. «In den letzten Monaten hatten wir regen Kontakt mit der Airline-Industrie. Sie wollen natürlich genau wissen, wie die Werte zustande kommen und mit welchen Massnahmen sich diese positiv beeinflussen lassen. Insofern ist ein grosses Potenzial für eine Zusammenarbeit da.»
Und welche Empfehlung er für Flugpassagiere habe, die so grün wie möglich fliegen möchten? «Einerseits gilt es die Anzahl Flugstarts so tief wie möglich zu halten, Starts benötigen am meisten Kerosin. Zweitens gilt es den Flugzeugtyp zu beachten, je moderner desto besser».
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