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Laut Tobias Pogorevc, CEO Helvetic Airways, wird die Airline im Herbst voraussichtlich Charterflüge anbieten, welche bisher von der Pleite gegangenen Skywork angeboten wurden. Bild: Thomas Lüthi

«Das Modell von Helvetic Airways hat sich in den letzten Jahren bewährt»

Jean-Claude Raemy

Tobias Pogorevc, CEO von Helvetic Airways, äussert sich im Gefolge der Skywork-Pleite darüber, was diese für seine Airline bedeutet und warum Helvetic Airways im Gegensatz zu anderen Schweizer Regional-Airlines erfolgreich ist.

Die plötzliche Pleite von Skywork sorgt aktuell für grosses Chaos in Bern-Belp. 11‘000 Passagiere sind auf ihren Tickets - welche zum Teil noch am Tag des Groundings gekauft wurden - sitzen geblieben. Der Flughafen Bern sowie die betroffenen Passagiere bzw. Reiseveranstalter und Reisebüros müssen mit Hochdruck sofortige Lösungen suchen. Eine der naheliegendsten war bislang, Passagiere auf Flugzeuge der Helvetic Airways umzubuchen, welche ebenfalls ab Bern-Belp fliegt – allerdings nur zu «Ferienzielen» und nicht in Hub-Städte wie Skywork. Profitiert nun Helvetic Airways vom Wegfall von Skywork? CEO Tobias Pogorevc nimmt Stellung.

Herr Pogorevc, Helvetic Airways erhält aktuell viel Aufmerksamkeit, weil sie für gestrandete Skywork-Passagiere einspringen kann, etwa bei planmässigen Flügen von Bern nach Palma. Gibt es Pläne, in den kommenden Tagen bei weiteren Skywork-Strecken ab Bern als «Notnagel» einzuspringen?

Tobias Pogorevc: Bei Skywork-Destinationen, die wir auch anfliegen, also eben Palma oder auch Olbia, geht dies selbstverständlich. Es ist allerdings eng, denn das in Bern stationierte Flugzeug ist gut ausgelastet. Wir können jetzt nicht einfach unsere Planung auf den Kopf stellen. Aber so wie es heute aussieht, werden wir eine oder zwei Skywork-Charterdestinationen im Herbst auflegen. Dazu sind wir in Gesprächen mit den Reiseveranstaltern.

Wie erfolgt die Bezahlung, wenn gestrandete Passagiere kurzfristig auf einen Helvetic-Flug umgebucht werden?

Eigentlich alles normal: Chartert ein Reiseveranstalter ein ganzes Flugzeug, so ist er unser Vertragspartner und bezahlt den Flug. Wenn einzelne Kunden kurzfristig von einem TO auf unseren Flug umgebucht werden, erfolgt dies im Sinne einer guten Partnerschaft über Rechnung. Vorauszahlen tut der Kunde, der selber über unsere Website bucht. Dieser Kunde muss bei seiner Versicherung - sofern dieses «Risiko» mitversichert wurde - den bei Skywork verlorenen Betrag einfordern. Was wir überdies getan haben: Wir haben in Zusammenarbeit mit dem BAZL wie andere Airlines auch «Rescue Fares» angeboten, also günstigere Tarife für kurzfristig auf uns umgebuchte, gestrandete Passagiere. Um solche zu erhalten, muss man eine Buchungsbestätigung von Skywork vorweisen können.

Ist eine Kundengeldabsicherung für Airlines aus Ihrer Sicht realistisch?

Nein. Schon rein aus «Cash Management»-Sicht ist das unrealistisch. Des Weiteren müssten diese Kosten auf alle Kunden überwälzt werden. Auch auf diejenigen, die das nicht wollen. Heute hat jeder Kunde die Möglichkeit zu entscheiden, ob er dieses Risiko bei der Buchung eingeht oder bei einer guten Reiseversicherung versichern will.  

«Eine Kundengeldabsicherung für Airlines ist unrealistisch.»

Helvetic Airways ist die letzte komplett unabhängige Schweizer Airline. Befürchten Sie, im Soge von drei Groundings von Schweizer Airlines innert zehn Monaten, einen «Kollateralschaden» in Form eines Vertrauensverlustes der Kundschaft?

Es ist wichtig festzuhalten, dass wir wirtschaftlich gesund dastehen. Wir sind seit Jahren gut kapitalisiert und haben eine Flottenerneuerung ins Auge gefasst. Trotzdem besteht - eigentlich seit längerem - ein Kollateralschaden: Seit dem Grounding von Hello im Jahr 2012 müssen wir im Ausland fast alles im Voraus bezahlen: Treibstoff, Handling-Taxen, zum Teil sogar die Hotelkosten für die Crew. Alles Vertrauen, das in der Zwischenzeit bei den Partnern aufgebaut wurde, wird mit diesem neuen Grounding wieder zunichte gemacht.

Man darf nämlich etwas nicht vergessen: Es sind nicht nur Passagiere betroffen. Ganz viele KMU’s, Zulieferer sind davon betroffen und müssen jetzt dem verlorenen Geld hinterher rennen. Vielleicht haben sie Kapazitäten aufgebaut. Das tut weh. Hinter jedem Geschäft stehen auch Existenzen! 

Was sind Ihrer Ansicht nach die Gründe, weshalb Helvetic Airways nicht in ähnlichen Problemen verwickelt ist wie Skywork oder Darwin?

Wir verfolgen seit Jahren ein konservatives Geschäftsmodell. Im Bereich ACMI [Aircraft, Crew, Maintenance & Insurance, eine Variante des Flugzeug-Leasings, Anm.d.Red.] arbeiten wir mit Swiss als starkem Partner. Beim zweiten Standbein, den Charterflügen, können wir auch auf hervorragende Reiseveranstalter und Kunden zählen. Und beim dritten Standbein, dem Liniengeschäft, agieren wir auch konservativ. Wo Märkte übersättigt sind, sind wir mit unseren 100-plätzigen Flugzeugen nicht konkurrenzfähig. Solche Destinationen bedienen wir überhaupt nicht und suchen uns lieber Nischen. Unser Modell hat sich in den letzten Jahren bewährt.

Aber wieso steht der Schweizer Luftfahrtmarkt so desolat da? Sind das hausgemachte Gründe oder exogene Faktoren?

Jedes Grounding hatte eigene Gründe: Darwin war seit längerer Zeit am Boden, Belair wurde in den Sog von Air Berlin gezogen und jetzt hat sich Skywork verzettelt... die Aviatik ist nicht ganz einfach. Unser Kunde, sowohl als Passagier als auch als Reiseveranstalter, will europäische Preise, wir bezahlen aber schweizerische Löhne, Mieten etc. Wir versuchen, die etwas höheren Preise mit einem tollen Produkt und einer hohen Dienstleistungsbereitschaft zu rechtfertigen. Den jüngst gescheiterten Fluggesellschaften war gemeinsam, dass sie «high cost» flogen, dabei aber «low fares» anboten. Das kann auf Dauer nicht aufgehen.

«Vom Grounding sind nicht nur Flugpassagiere betroffen, sondern auch viele KMUs»

Bern-Belp hat nun ein Problem: Wie beurteilen Sie die Chancen, dass ab Bern «vernünftige» Flugrouten im Linienflug angeboten werden können? Und welche Rolle könnte Helvetic da spielen?

Dazu kann ich mich im Moment nicht äussern. Mit unserem jetzigen Fluggerät können wir heute aber kein Linienfluggeschäft ab Bern betreiben. Jetzt müssen alle involvierten Parteien eine saubere und realistische Auslegeordnung machen. Erst dann wird sich zeigen, wohin sich der Flughafen entwickeln soll.

Zum Abschluss: Sehen Sie das Skywork-Grounding als Chance für Helvetic Airways, oder eher als ein Problem, in das Helvetic mit hineingerissen wird?

Weder noch. Wir haben in der Schweiz eine hervorragende Infrastruktur, sei es am Boden (Bahn) oder in der Luft. Helvetic hat einen starken Eigentümer. Unsere langfristigen Pläne – nebst der Flottenerneuerung auch eine eventuelle Expansion - werden wir weiter durchziehen. Und falls sich kurzfristig eine Chance ergeben sollte, dann werden wir versuchen, diese zu packen.