Flug

Die Saab200 von Skywork bleiben für immer am Boden: Hart für den Flughafen Bern, für Skywork-Mitarbeitende und 11'000 Passagiere - und für die Regionalluftfahrt in der Schweiz allgemein. Bild: Skywork

Kommentar Skywork-Grounding schafft nur Verlierer

Jean-Claude Raemy

Bei der dritten Pleite einer Schweizer Airline innerhalb eines Jahres überrascht vor allem die Art und Weise des Groundings. Das Vertrauen in Regional-Airlines wird weiter leiden.

Gestern Abend noch war Skywork ganz prominent in der Tagesschau zu sehen: Die Airline hatte die erfolgreichen Kicker der Young Boys Bern nach deren Champions-League-Qualifikation von Zagreb nach Bern-Belp geflogen, wo sie triumphal empfangen wurden. Die gelb gekleideten Fussballer steigen aus der Skywork-Maschine, der Tower des Flughafens Bern-Belp ist in YB-Fahnen gehüllt – ein Glückstag für Bern.

Niemand wusste zu jenem Zeitpunkt, dass es noch als ein Katastrophentag für Bern enden würde. Nach Landung der letzten Skywork-Maschine in Bern um 22.20 Uhr, aus Hamburg ankommend, kommt der Hammer: Sofortige Einstellung des Flugbetriebs. Personal und Passagiere wurden «aus Sicherheitsüberlegungen und in Absprache mit dem Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL)», wie es in einer Medienmitteilung heisst, erst post factum informiert. Geschäftsführung und Medienstelle von Skywork beantworten keine Anfragen; heute Morgen ist auch die Webseite von Skywork zeitweise wegen Überlastung lahmgelegt.

Warum kein geordnetes Grounding?

Ein Hammerschlag einerseits für über 100 Angestellte, die sich nun auf Jobsuche begeben müssen. Ein Hammerschlag für den Flughafen Bern, der fast zwei Drittel der Flüge verliert und nun vor einem zähen Wiederaufbau steht. Und ein Hammerschlag für über 11‘000 Passagiere, die nun ihre Flugpläne umdisponieren müssen, ohne die Sicherheit zu haben, ihr verlorenes Geld wieder zu sehen. Einmal mehr stellt sich die Frage, weshalb eigentlich jeder kleine Reisevermittler eine Kundengeldabsicherung haben muss, Airlines hingegen nicht. Wie Passagiere ihre Rechte einfordern können, hält das BAZL auf seiner Webseite fest.

Genau dieses BAZL, welches vorgestern noch auf Anfrage von travelnews.ch erklärte, es prüfe, aber kommentiere die wirtschaftliche Leistung von Airlines nicht. Das BAZL war laut Mitteilung von Skywork vorgängig über das kommende Grounding informiert. Aber hat man dies denn nicht längerfristig kommen sehen? Sollte eine Kontrollinstanz wie das BAZL nicht dafür sorgen können, dass eine Airline ein «geordnetes Grounding» hinlegt und zumindest noch den Sommerflugplan beenden kann? So wie damals bei der Hello, welche ihren letzten Flug frühzeitig bekannt gab und damit niemanden auf dem falschen Fuss erwischte? Warum rät das BAZL der Skywork, die Kommunikation des Groundings bis zuletzt geheim zu halten?

Es ist doch Aufgabe des BAZL, Airlines in der Schweiz auf deren operationelle und wirtschaftliche Rahmenbedingungen hin zu prüfen – und diesen danach eine Betriebsbewilligung zu erteilen. Im November, nach einem «Kurz-Grounding» von Skywork, wurde eine unbefristete Betriebsbewilligung erteilt. Neun Monate später ist das damals erhaltene Geld von Skywork offenbar verbraten. Anfangs dieser Woche dann die Aktion mit der Verdoppelung des Eigenkapitals: Eine Bilanzsanierung, welche den Verdacht schürt, dass die Verluste höher als die 27 Millionen liegen, auf welche das neue Eigenkapital geschraubt wurde. Irrtümlicherweise gingen wir davon aus, dass dies Vertrauen ins eigene Geschäftsmodell signalisiere. Doch offenbar werden nur Verluste gedeckt - ein neuer Investor wird nicht gefunden, und bereits zwei Tage später ist die Liquidität bei Skywork dahin. Das Grounding kommt sofort, obwohl ja noch zwei umsatzstarke Monate anstehen würden.

Erschüttertes Vertrauen in Regional-Airlines

Das Unschöne am plötzlichen Grounding ist, dass dieses für viel Arbeit und blanke Nerven bei Passagieren, in Reisebüros, bei Reiseveranstaltern, an den Flughäfen und nicht zuletzt auch bei anderen Airlines sorgt. Das Vertrauen in Airlines, insbesondere kleinere Regionalairlines, erleidet weiteren Schaden.

Denn es ist das dritte Grounding einer Schweizer Airline seit November 2017: Damals entzog das BAZL der Darwin Airline die Betriebsbewilligung. Es gab zwar Hoffnung für ein neuerliches Abheben, doch diese zerschlug sich. Vor zwei Wochen gibt die Belair bekannt, dass sich hoffnungsvolle Gespräche mit einem Investoren zerschlagen haben und folglich an eine Wiederaufnahme des Flugbetriebs nach einer Stilllegung im Gefolge des Air-Berlin-Groundings nicht zu denken sei. Und nun also gibt Skywork freiwillig ihre Betriebsbewilligung ab.

Kein Ruhmesblatt für die Schweizer Luftfahrt. Einmal mehr findet sich kein Investor. Einmal mehr gab es «Hoffnungen», die sich jäh am Verhandlungstisch zerschlugen. Einmal mehr stösst man Passagiere und Partner mit dem plötzlichen Rückzug vor den Kopf.

Die Konsequenz? Reiseveranstalter werden wieder darauf pochen, dass Vorauszahlungen auf ein Sperrkonto gehen. Reisebürovereinigungen werden wieder mobil machen für Kundengeldabsicherungen, welche im Airlinebereich weiterhin utopisch sind. Nur Versicherungsgesellschaften, welche Annullationsversicherungen anbieten, freuen sich vielleicht über diese jüngste Entwicklung. Und: Im Schweizer Markt gibt es nebst der Swiss nur noch Helvetic Airways als «Airline mit Schweizer Kreuz». Vor allem Letztere wird nicht erfreut sein über das schlechte Image, welches die Schweizer Luftfahrt in den letzten Monaten hinterlässt, denn jetzt wird kleineren Regional-Airlines wohl erst recht auf die Finger bzw. auf die finanzielle Situation geschaut. 

Wie weiter in Bern-Belp?

Über die Bücher gehen muss nun auch der Flughafen Bern. Der Sommerflugbetrieb mit Helvetic Airways ab Bern findet unverändert statt. Der Zeitpunkt des Skywork-Groundings, welcher gleich 60 Prozent der Flüge ab Bern zunichte macht, kommt aber sehr ungünstig – September und Oktober sind schliesslich wichtige (Ferien-)Reisemonate in der Schweiz. Ob der Bern Airport einige der Paradestrecken im Winterflugplan aufrecht erhalten kann, mit anderen Flugpartnern, wird sich weisen müssen.

Fakt ist nämlich, dass Bern ein hartes Pflaster ist. Das Einzugsgebiet ist vergleichsweise klein, die Kosten dagegen vergleichsweise hoch. Die Passagiertaxe liegt mit 36 Franken gleichauf mit jener in Zürich, einem viel grösseren Flughafen mit deutlich modernerer und breiterer Infrastruktur. Und der Treibstoff kostet in Bern nach aktuellem Stand rund 40 Prozent mehr als in Zürich oder Genf. Swiss setzt auf Zürich, Easyjet hat sich in Basel und Genf gut eingenistet – das Interesse an Bern dürfte also limitert sein, zumal mit Skywork nun ein weiteres Unternehmen in der langen Liste der in Bern gescheiterten Airlines Platz findet.

Die Existenz des Flughafens sei durch das Aus der Regionalfluggesellschaft unmittelbar nicht gefährdet, teilte der Bern Airport inzwischen bereits mit. Natürlich gebe es kurzfristig einen erheblichen Umsatzrückgang; der Flughafen will aber möglichst bald die nachfragestärksten Destinationen im Streckennetz ab und nach Bern erhalten. Die Umsetzung werde von den Ergebnissen der Akquisitionsbestrebungen der Airlines abhängen, heisst es in der Mitteilung. Also einmal mehr das Prinzip Hoffnung.

Die Young Boys haben es vorgemacht: Mit dem Meistertitel und der Champions-League-Qualifikation haben sie den Begriff «veryoungboysen», also das ewige Scheitern, zu einem obsoleten Begriff gemacht. Wann schafft es auch der Luftfahrtstandort Bern, sich endlich von seinem Fluch zu befreien?