Flug

Durchschnittlich wird für Flüge heute mehr Zeit einberechnet als noch vor zehn Jahren. Na und? Bild: Fotolia

Einwurf Warum dauern viele Flüge heute länger als noch vor zehn Jahren?

Jean-Claude Raemy

Laut einer britischen Konsumentenschutz-Organisation wird im Flugplan heute für Flüge meist mehr Zeit einberechnet als noch vor zehn Jahren. Und bringt dies schnöde in Zusammenhang mit dem Verhindern von Kompensationszahlungen. Doch Airlines haben noch manche bessere Gründe für die grosszügige Zeitberechnung.

Die grösste britische Konsumentenschutzorganisation «Which?» hat die «scheduled flight times» der britischen Fluggesellschaften British Airways, Virgin Atlantic, Easyjet sowie der irischen Ryanair untersucht und hat dabei festgestellt, dass deren Flüge mit bis zu 35 Minuten mehr als noch vor zehn Jahren veranschlagt sind. Grund dafür sind sicher nicht langsamere Flugzeuge – technologische Verbesserungen müssten eigentlich das Gegenteil bewirken.

Insgesamt analysierte die Organisation 125 Flugrouten. Bei 76 davon war die angegebene Flugdauer länger als noch vor 10 Jahren. Beispielsweise dauern 9 von 11 Ryanair-Routen plötzlich länger als früher, darunter auch Kurzstrecken von London nach Berlin. Auch Langstreckenflüge von British Airways oder Virgin Atlantic sind im Schnitt länger geworden (ein Flug von London nach New York dauert nun 35 Minuten länger), oder zumindest wird dafür eine längere Zeit im Flugplan vorgegeben.

«Which?» geht davon aus, dass die Airlines sich selber mehr Zeit geben, um damit Kompensationszahlungen aus dem Weg zu gehen. Bekanntlich müssen für Verspätungen von über drei Stunden bzw. für verpasste Anschlussflüge von den Airlines Entschädigungen bezahlt werden, ausser es liegen «aussergewöhnliche Umstände» vor, was immer wieder Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen ist.

Pünktlichkeit kommt vor Schnelligkeit

Vermutlich liegt «Which?» nicht ganz falsch. Aber kann man den Airlines denn diesbezüglich einen Vorwurf machen? Die grosszügige Auslegung der Flugzeiten erlaubt es ihnen, pünktlicher zu sein. Piloten können bei einer Startverzögerung die verlorene Zeit meist einfach wieder «einfliegen». Als pünktlich gilt ein Flug ja, wenn er bis spätestens 15 Minuten nach der angegebenen Landezeit am Zielort ankommt. Wer sich mehr Zeit gibt, wird also pünktlicher sein. Und Anschlussflüge sind ja im Flugplan abgestimmt – eine grosszügigere Berechnung erhöht also auch die Chance, den Anschlussflug tatsächlich zu erreichen.

Die Airlines selber geben als Grund für verlängerte Flugzeiten primär operative Gründe an. Das können beispielsweise längere Flugrouten aus Sicherheitsgründen oder wegen veränderter Überflugrechte sein. Manche Airlines fliegen aber auch absichtlich langsamer, um den Treibstoffverbrauch niedrig zu halten. Die Einsparungen erlauben wiederum das Anbieten günstigerer Flugtarife. Und wegen dem extrem gewachsenen Flugverkehr und den damit verbundenen Problemen in der Regulierung dieses Flugverkehrs ist es nur sinnvoll, etwas mehr Zeit einzuberechnen. Vor allem die «Taxi Time» am Boden sei heute deutlich länger als früher - und diese ist ja Bestandteil der Gesamtflugzeit.

Kurz: Wenn weniger Kompensationszahlungen bezahlt werden müssen, ist das ein schöner Nebeneffekt – und nicht der Hauptgrund – der verlängerten Flugzeiten. Eine Airline hat nicht die Pflicht, einen Passagier möglichst schnell oder möglichst optimal zu befördern, sondern diesen innerhalb der angegebenen Flugzeiten zu befördern. Warum also sich damit aufhalten, dass ein Flug heute zehn Minuten länger dauert als früher, wenn man damit immerhin pünktlich ankommt? Man könnte meinen, manche Konsumenten fliegen nur, um Kompensationszahlungen zu erhaschen…