Flug

Beim Miami-Flug ans Metall-Festival reichte der Biervorrat nicht allzu lange. Bild: Fotolia

Einwurf Mit den Heavy-Metal-Fans an Bord

Kristina Roder

Ferienhungrige nach Miami, Geschäftsleute nach London: Flight Attendants kennen das Passagier-Profil auf den jeweiligen Strecken. Doch Überraschungen bleiben nicht aus.

Was haben MIA und AGP, LHY, FRA und ORD jeweils gemeinsam? Abgesehen davon, dass alles Abkürzungen für Flughafen sind (Miami, Málaga, London City, Frankfurt und Chicago) und sie alle von der Swiss, der Airline für die ich arbeite, angeflogen werden, wohl nicht allzu viel. Könnte man meinen. Bis man mit einer Flight Attendant spricht und sie fragt, welche Gäste denn jeweils wohin fliegen.

Miami? Champagner à gogo und Weisswein. Genau so nach Málaga. Denn die Gäste sind normalerweise eher reich, geniessen das Leben und freuen sich auf Strandferien, das Golfen oder die bevorstehende Karibik-Kreuzfahrt. Die Stimmung ist locker, es wird geprostet und der volle Service genossen.

Ganz anders die Flüge nach London, Frankfurt und Chicago: Die Gäste sind vor allem Geschäftsleute, die entweder schlafen oder arbeiten wollen und den Service als Nebensache wahrnehmen. Klar, ein Glas Wein für die Inspiration oder zum Entspannen liegt drin, dann aber bitte Ruhe. Das Fliegen ist schliesslich nur Mittel zum Zweck, die Magie der Wolkenspiele und die Vorfreude auf den Zielort sind bereits lange verflogen.

Das Bier reichte nur knapp über den ersten Service hinaus.

So wissen wir Flight Attendants also meistens schon, bevor die Gäste an Board kommen, was der Flug bringt. Aus Erfahrung oder wegen Geschichten von Kollegen und Kolleginnen. Darum erwartete ich auch an jenem winterlichen Morgen nach Miami sonnesuchende Geniesser und staunte nicht schlecht, als ein Metall-Fan nach dem anderen einstieg und die Economy Klasse schlussendlich eher einem Hardrock-Festival als einem Flug nach Miami glich. Also nicht, dass ich genau weiss, wer an solche Festivals geht (diese Art der Musik ist nicht so meins), aber so stelle ich sie mir vor: Bleiche Haut, ausschliesslich schwarze Kleidung, mit unzähligen Festivalbändchen oder alternativ groben Silberschmuck am Arm, lange Haare bei Frauen wie Männer und je nach Typ wird der Stil noch mit grossen Tattoos oder gewagter Bartfrisur vollendet.

Warum um Himmels Willen fliegen Metall-Fans ausgerechnet an einen Ort ewiger Sonne, wo die Häuser pastellfarben und der Soundtrack Latino ist? Und: Ist diese Kaperung des LX66 abgesprochen oder bloss ein extrem komischer Zufall, weil die Swiss in irgendeinem dunklem Forum Tickets verlost oder Werbung geschaltet hat? Ich fragte einen der harten Jungs aus. Seine Antwort: Bald schon starte das schwerste Metallfestival der Welt, 70'000 Tons of Metal. So heisst die Kreuzfahrt mit vielen Bands, wo sich Metall-Fans der ganzen Welt versammeln um zu headbangen, Spass zu haben und Bier zu trinken.

Und das mit dem Bier ist kein Klischee, sondern Tatsache. Im ersten Jahr tranken die Besucher der Festivalkreuzfahrt so viel Bier, dass bereits vor Ablegen des Schiffes die Vorräte ausgetrunken waren, erzählte mir der gesprächige Metaller nicht ohne Stolz. Die Veranstalter haben nun aber gelernt und haben einige Kajüten – statt sie zu vermieten – in Biervorratskammer umgenutzt.

Eine Vorahnung, wie durstig Metall-Fans sind, gab es schon auf unserem Flug: Obwohl die Economy halb leer war, reichte das Bier nur knapp über den ersten Service hinaus. Zum Glück waren die Metall-Fans unkompliziert und tranken während des restlichen Fluges bereitwillig Weiss- und Rotwein oder Scotch. Entgegen allen Klischees war der Flug bis auf das fleissige Zuprosten dann aber erstaunlich ruhig – die harten Jungs und Mädels waren eher zahme Schäfchen im Wolfspelz.

Das Festival begann für sie bereits in der Luft und mich lehrte dieses Erlebnis mal wieder, dass Passagierprofile zwar meistens, aber halt nicht immer der Destination entsprechen.