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Bei wem landet Alitalia? Noch sind diverse Szenarien möglich. Das Gespann Easyjet/Air France scheint aktuell aber beste Karten zu haben. Bild: Miradortigre

Alitalia-Übernahme: Ist jetzt Easyjet in der Pole?

Im Tauziehen um den italienischen National Carrier scheint es auf einen Zweikampf zwischen Lufthansa und Easyjet herauszulaufen. Doch Überraschungen bleiben möglich.

Wer krallt sich Alitalia? Im Mai 2017 drehte Grossaktionär Etihad Airways den Geldhahn zu, woraufhin Alitalia ein Insolvenzverfahren einleitete. Seither wartet der seit Jahren chronisch defizitäre National Carrier Italiens auf ein vernünftiges Angebot. Eine ursprünglich am 2. Oktober 2017 auslaufende Bieterrunde lockte 14 Interessenten an, doch dann verlängerte die italienische Regierung – einmal mehr – ihren Brückenkredit, um mehr Zeit für Verkaufsverhandlungen zu haben.

Das Resultat: In den letzten Wochen gab es immer wieder Meldungen zu Interessenten, wobei nie ganz klar war, wer jetzt mit einem Kauf kokettiert, um Medienaufmerksamkeit zu erhalten, und wer es ernst meint. Bis vor kurzem schien jedenfalls die Lufthansa klarer Favorit für die Übernahme zu sein. Die Kranich-Airline ist seriös, hat genügend finanzielle Muskeln und nachvollziehbares Interesse am italienischen Quellmarkt. Doch die Deutschen verhandeln knallhart: Während der italienischen Regierung ein Preis von 500 Millionen Euro vorschwebt, bietet Lufthansa 300 Millionen – und hat klar gemacht, dass 2000 Jobs bei Alitalia überschüssig sind. Genau an der Stabilität der Posten beim Staatsunternehmen waren bisherige Sanierungsversuche gescheitert, weshalb die harte Position von Lufthansa verständlich ist. Obwohl die italienische Regierung verlauten liess, dass Lufthansa das Angebot gewiss noch aufbessern werde, ist davon bislang noch nichts zu sehen.

Hat Easyjet die Lufthansa überboten?

Doch gestern (23. Januar)  ist Easyjet auf den Plan getreten. Dass der Low-Coster-Interesse hat, war zwar länger bekannt. Neu hingegen war die Bekräftigung von Easyjet, dass man ein Angebot ausgearbeitet habe, welches «zu 100 Prozent den Forderungen der Kommissare  von Alitalia» entspricht, wie Frances Ouseley (Direktorin Easyjet Italien) öffentlich verlauten liess. Kommissare sind die Herren Luigi Gubitosi, Enrico Laghi und Stefano Paleari, welche möglichst viel Geld herausholen und die Kosten der Abwicklung von Alitalia möglichst tief halten müssen – also auch die teuren Entlassungen. Konkreteres wurde natürlich noch nicht verlautbart.

Doch was soll Easyjet mit dem einzigen einigermassen profitablen Teil der Alitalia, nämlich den Langstreckenverbindungen? Das ist ja kein Kerngeschäft von Easyjet, welche in Italien dieses Jahr schon aus eigener Kraft rund 18,4 Millionen Passagiere befördern will. Der Trick: Easyjet hat sich offenbar mit Air France verbündet. Die frühere Alitalia-Partnerin würde sich bei einer Übernahme organisatorisch und logistisch um die Alitalia-Langstrecken kümmern.

In diesem Zusammenhang ist auch noch Delta Air Lines zu erwähnen. Der Allianzpartner von Air France-KLM könnte sich bei einem Angebot dem Tandem Easyjet-Air France anschliessen. Doch nach letztem Vernehmen soll Delta auf eigene Faust für Alitalia geboten haben.

Weitere Interessenten für Teile von Alitalia

Zu den offiziellen Bietern gehört ausserdem Wizz Air, der ungarische Low-Cost-Carrier, der den osteuropäischen Markt dominiert und in Europa hinter Ryanair, Easyjet und Norwegian bereits zur vierten Kraft im Low-Cost-Segment aufgestiegen ist. Laut der «Repubblica» hat CEO József Váradi das Interesse der Airline an der Alitalia bekräftigt, «allerdings nur für die Mittel- und Kurzstrecken». Konkret will Wizz Air in Italien selber, aber auch im Mittelmeerraum und in Nordafrika wachsen, wo der Carrier noch schwach ist. Die Marke Alitalia sei aber nicht von Interesse.

Vor dem Hintergrund, dass Italien die Alitalia eigentlich lieber als Ganzes abstossen möchte, dürften die Chancen von Wizz Air eher gering sein. Allerdings wird eine Filetierung des Unternehmens nicht mehr kategorisch ausgeschlossen.

Und dann ist ja da noch der US-Investmentfonds Cerberus Capital Management, welcher schon lange offiziell Interesse bekundet. Cerberus soll mit dem italienischen Kreditinstitut Cassa Depositi e Prestiti (CDP) ein Angebot gemacht haben. Dieses dürfte finanziell interessant sein, aber ob Italien seine Airline in die Hände einer Private-Equity-Firma legt, darf angezweifelt werden.

Überraschungen sind jedoch nicht ausgeschlossen. Mit einer definitiven Entscheidung wird inzwischen ohnehin erst im März gerechnet – also nach den italienischen Parlamentswahlen.

(JCR)