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Regulierung behindert Wachstum. Doch unkontrolliertes Wachstum ist nicht immer zum Vorteil der Konsumenten - was gerade bei Airline-Passagieren zutreffend ist. Bild: Lunchtimemama

Kundengeldabsicherung für Airlines: IATA und ERA sagen Nein

Die Begründungen von Seiten der Airline-Verbände sind nicht wirklich überraschend. Was ist Ihre Meinung dazu?

Vor einer Woche haben 30 Landesverbände der Reisebüro- und Reiseveranstaltervereinigung ECTAA, darunter der Schweizer Reise-Verband (SRV), beim EU-Verkehrsministerium eine Forderung nach Einführung einer Kundengeldabsicherung eingereicht. Natürlich sind die Mühlen in Brüssel langsam. Und einzelne Airlines haben sich auf Anfrage von Travelnews.ch auch bereits negativ gegenüber diesem Vorhaben geäussert. Der zu erwartende Widerstand der Airlines hat sich inzwischen weiter formiert.

In einer Pressemitteilung erklärt die ERA (European Regions Airline Association), dass sie mit der IATA einig gehe, dass neue Regeln hinsichtlich Airline-Pleiten, wie etwa die Schaffung einer Kundengeldabsicherung, nicht notwendig seien. Die ERA stützt ihre Haltung auf folgende Feststellungen, im Einklang mit der IATA:

  • «Airline-Insolvenzen sind selten.» Dabei wird zusammengerechnet, dass zwischen 2011 und 2020 nur 0,7 Prozent der Nur-Flug-Passagiere (Pauschalreise-Passagiere also ausgenommen) von Insolvenzen betroffen sein würden. Des Weiteren rechnet ERA vor, dass von diesen 0,07 Prozent nur 12 Prozent gestrandet bleiben, also 0,0084 Prozent aller Reisenden.
  • Es sind genug Mechanismen vorhanden, welche im Fall einer Airline-Pleite garantieren, dass sich um die Passagiere gekümmert wird und diese nach Hause kommen.
  • Die Schaffung einer Kundengeldabsicherungspflicht würde die Wettbewerbsfähigkeit der Airlines verringern und die Flugkosten für Konsumenten erhöhen.
  • Konsumenten können via Kreditkarte oder über die Absicherung der Veranstalter und Reisebüros einen Refund erhalten; die Reiseprofis seien durch den BSP geschützt.
  • Es wird empfohlen, statt einer Kundengeldabsicherung eine Flexibilisierung der Insolvenz-Gesetze ins Auge zu fassen (wonach Airlines auch im Pleitefall noch temporär weiterfliegen könnten). Alternativ soll den Passagier-Refund-Programmen mehr Gewicht gegeben werden.

Wenig überzeugende Argumente

So richtig stichhaltig sind die Argumente indes nicht. Beim ersten Punkt geht es schon los: Wie man erhärtete Zahlen aus der Vergangenheit (2011-2017) mit Prognosen (2018-2020) vermischt, bleibt etwas schleierhaft. Zudem mag die reine Prozentzahl tief sein – bei rund 3,8 Milliarden Passagieren pro Jahr sind das doch Tausende Touristen, die gestrandet bleiben und um die man sich kümmern muss. Diese zu einer schnöden Zahl zu reduzieren, zeugt nicht von viel Kundenpflege-Verständnis. Und dass behauptet wird, es gebe wenig Insolvenzen, stimmt einfach nicht – es gibt zahlreiche kleine, kaum bemerkte Insolvenzen, aber allein in den letzten Monaten 2017 kam es zu gewichtigen Insolvenzen, welche enorme Probleme nach sich zogen und Tausende Passagiere gestrandet liessen.

Punkt 2 sagt implizit, dass sich ja dann schon wer kümmert – leider eben sehr oft die Vertriebspartner, welche hier Gratisaufwand leisten. Die weiteren Punkte steuern darauf zu, dass Airlines nicht mehr Regulierung wollen, aus Angst vor Nachteilen im modalen Wettbewerb (wirklich?) und weil höhere Preise drohen könnten. Was wäre denn an höheren Preisen so falsch? Klar, das Wachstum wäre beschränkt. Die IATA geht ja davon aus, dass sich bis 2036 die Anzahl weltweiter Flugpassagiere auf 7,2 Milliarden verdoppeln wird. Ist das wirklich wünschenswert, zumal in so einem engen Zeitfenster? Und würden höhere Preise nicht für bessere Yields sorgen?

Keine Frage, Airlines sind Wirtschaftstreiber und einer globalisierten Welt unverzichtbar. Aber ein sanftes Abfedern von Wachstum und Nachhaltigkeit – worunter nicht nur ökologische Aspekte fallen, sondern auch solche des Kundenkomforts etc. – ist doch sicher nötig. Wer sich durch die Communiqués der IATA klickt, findet vor allem rauschende Wachstumsprognosen oder düstere Warnungen, dass Regulierung deutlich weniger Wachstum bedeuten könnte.

Wie sehen Sie die Problematik?

(JCR)