Flug

Ryanair bleibt eine erfolgreiche Airline. Das vergangene halbe Jahr war für CEO Michael O'Leary eine harte Landung in der Realität heutiger Luftfahrt. Bild: AtomUK

Die stille Revolution bei Ryanair

Die Piloten haben die Anerkennung von Gewerkschaften beim streitbaren CEO Michael O'Leary praktisch durchgesetzt. Der irische Low-Coster wurde dafür an der Börse abgestraft.

Ryanair-CEO Michael O'Leary ist ein Mann klarer Worte. In der Vergangenheit hat er immer wieder betont, dass er «niemals» gewerkschaftliche Organisationen in seinen Arbeitnehmerreihen dulden werde; sogar seine eigenen Piloten verunglimpfte er immer wieder und nannte sie einst «hochgejubelte Taxifahrer».

Doch siehe da: Ende letzter Woche eröffnete Ryanair die Möglichkeit, dass sich ihre Piloten, aber auch die Crews und das Bodenpersonal, doch noch in Gewerkschaften organisieren könnten. Zwar wird darüber noch verhandelt, aber allein der Umstand, dass zu Beginn dieser Woche die Ryanair-Geschäftsleitung mit Pilotengewerkschaftsvertretern zusammen sass, ist bemerkenswert. Bislang hatte die Fluggesellschaft stets nur mit lokalen Piloten-Komitees an europaweit verteilten Stationen gesprochen.

Was hat zum Umdenken bei Ryanair geführt?

Zum einen verfolgte die Verhandlung mit Gewerkschaftsvertretern ein kurzfristiges Ziel: Damit wurden europaweite Streiks der Ryanair-Piloten zunächst verhindert. Die Ryanair-Piloten aus Irland, Deutschland, Italien und Portugal wollten eigentlich an diesem Mittwoch (20.12.) streiken. Sie hatten sich dafür koordiniert, die Streiks nach dem überraschenden Gesprächsangebot aber abgesagt. Die Gewerkschaften kritisieren unter anderem die Einsatzplanung, Entlohnung und Beschäftigungsmodelle beim Billigflieger.

Am Mittwoch nun trafen sich Firmenvertreter in Dublin mit einer Delegation der deutschen Pilotengewerkschaft «Vereinigung Cockpit» (VC), ohne dass zunächst Ergebnisse bekannt wurden. Die VC hatte Ryanair vorab vor Tricksereien gewarnt. Man müsse herausbekommen, ob das Unternehmen wirklich Tarifverhandlungen anstrebe, sagte VC-Vorstand Markus Wahl: «Es kann auch sein, dass sie sich nur über die Weihnachtstage retten wollen.» Für diesen Fall müsse den Iren klar sein, dass Streiks vor Weihnachten durchaus noch möglich seien, betonte Wahl. Er persönlich rechne allerdings damit, dass man Fortschritte erziele und einen weiteren Termin vereinbare.

Zuvor hatte sich die irische Gewerkschaft «Impact Trade Union» (Mitglied der Gewerkschaft ist die irische Pilotenvereinigung IALPA) enttäuscht gezeigt über ihre Gespräche mit dem Management vom Vortag - Ryanair sei nicht bereit gewesen, die irische Gewerkschaft schriftlich anzuerkennen. Man habe jetzt dem Unternehmen eine Reihe von Vorschlägen unterbreitet und erwarte bis Donnerstagmittag eine Antwort.

[Update 21.12.2017, 15.00 Uhr]

Ryanair hat inzwischen die irische Gewerkschaft «Impact Trade Union» schriftlich anerkannt und wird vom 3. Januar 2018 an verhandeln. Die Fluggesellschaft hat schriftlich zugesagt, die Gewerkschaft als Vertretung der Ryanair-Piloten in Irland anzuerkennen. Ryanair legte nach eigenen Angaben auch Vorschläge zum Gehalt und den Arbeitsbedingungen auf den Tisch.

Die Piloten haben Oberhand gewonnen

Wahls Einschätzung dürfte zutreffen, denn die Piloten haben eine vorübergehende Schwäche von Ryanair ausgenutzt und sitzen nun am längeren Hebel. Ausgangspunkt dafür war das Piloteneinsatz-Planungschaos bei Ryanair im September, welches zur Streichung von hunderten von Flügen führte. Obwohl Ryanair betonte, dass dadurch das Jahresergebnis nur marginal betroffen sein würde, war der Imageschaden angerichtet und die Piloten erkannten ihre Chance. Sie begannen sich europaweit zu organisieren und eine Streikandrohung erfolgte, zunächst hinter den Kulissen. Als Ryanair davon erfuhr, wurden die Piloten laut der irischen Zeitung «The Independent» bedroht - mit Gehaltsverschlechterungen, Promotionsstopps oder Umteilungen auf wenig attraktive Einsatzzeiten. Dies hat die Ryanair-Piloten aber europaweit noch mehr zusammengeschweisst.

Ryanair erkannte die Gefahr durchaus. Im Oktober schrieb O'Leary einen offenen Brief an seine 4200 Piloten und bat diese, doch bitte nicht zur Konkurrenz abzuwandern. DIes also von jemandem, der die Piloten mit Taxifahrern verglich. Zwar verliessen nicht mehr Piloten als üblich das Unternehmen, doch das band die Bemühungen um gewerkschaftliche Organisation nicht zurück. Schliesslich war es dann Ryanair-COO Peter Bellew, erst Mitte Oktober im Amt, der erstmals die Tür zu Verhandlungen mit Gewerkschaften aufstiess.

Wie es jetzt weitergeht, ist noch unklar. Aber es hat sich klar abgezeichnet, dass Ryanair ihren Sololauf der Gewerkschafts-Verachtung nicht mehr durchziehen kann. Das hat auch die in der Regel gewerkschaftsfeindliche Börse gemerkt und Ryanair sogleich abgestraft: In den letzten Tagen hat der irische Low-Coster über 1,5 Milliarden Pfund an Börsenwert eingebüsst.

(JCR/AWP)