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Der Öræfajökull-Gletscher mit dem darunter liegenden Vulkan: Auf Island droht neues Vulkan-Ungemach. Bild: Fotolia

Droht ein neues Vulkanasche-Chaos?

Der Vulkan unter dem Öræfajökull in Island ist seit Tagen am Rumoren. Die Einwohner Islands sind ebenso besorgt wie die europäischen Luftfahrtbehörden.

Erinnern Sie sich noch an den Eyjafjallajökull? Das war der isländische Vulkan, welcher im April 2010 durch seinen Ausbruch und der resultierenden Aschewolke den halben Flugverkehr Europas lahmlegte. Tausende Flugpassagiere blieben teils tagelang gestrandet.

Jetzt sollte man sich einen weiteren Zungenbrecher merken: Den Öræfajökull. Auch hier handelt es sich um einen unter einem Gletscher (isländisch: «jökull»), dessen Bezeichnung auch gleich für das darunter liegende Vulkansystem verwendet wird. Speziell hier: Der Öræfajökull gehört zum Vatnajökull, dem mit Abstand grössten Gletscher bzw. Gletschersystem Europas. Er liegt in dessen Südwesten, lediglich 320 Kilometer von Reykjavik entfernt.

Der Öræfajökull ist zwar letztmals 1727 ausgebrochen. Doch schon seit Wochen ist Aktivität in und um den Vulkan spürbar. Seit einigen Tagen ist auf der eisüberwachsenen Spitze des Vulkans eine 22 Meter tiefe Depression im Schnee zu sehen, ein so genannter Schmelzkrater. Dieser wird zurzeit täglich rund 45 Zentimeter tiefer. Laut dem Meteorologischen Institut Islands wurden zudem allein in den vergangenen 10 Tagen über 160 Erdbeben in der Region gemessen - nicht immer spürbare Beben, aber in grosser Menge und damit ein Hinweis auf erhöhte seismische Aktivität - so wie dies auch beim Mount Agung auf Bali vor dessen Ausbruch spürbar war. Überdies war in den vergangenen Tagen Schwefelgeruch am Fluss Kvía festgestellt worden. 

Deshalb wurde der Öræfajökull nun auf der «Aviation colour code map» des Meteorologischen Instituts von grün auf gelb hochgestuft - als einziger Vulkan auf Island. Das bedeutet zwar nur, dass Aktivität registriert wird und der Vulkan jetzt etwas genauer verfolgt wird. Erst ab Orange ist die Lage wirklich ernst (bei rot ist er bereits am Ausbrechen). Die isländischen Behörden überfliegen den Vulkan regelmässig, die Polizei ist in (niedriger) Alarmbereitschaft. Obwohl Vulkanausbrüche im Prinzip nichts aussergewöhnliches sind auf Island, hat man dort von den Auswirkungen des Eyjafjallajökull gelernt. Und es wird vermutet, dass ein Ausbruch des Öræfajökull dürfte deutlich explosiver sein, was vor allem auch Probleme mit dem Schmelzwasser des Vatnajökull verursachen könnte.

Island-Touristen sollen sich informieren

Was passiert nun? Das bestmögliche Szenario ist, dass die Aktivität einfach wieder zurückgeht und der Vulkan quasi wieder einschläft. Am anderen Ende der Skala liegt eine massive, explosive Eruption, mit grossem Ascheausstoss und voraussichtlich grossflächigen Überschwemmungen. Die Einwohner in der - spärlich besiedelten - Gegend haben von den isländischen Behörden bereits Informationen hinsichtlich möglicher Evakuierungen erhalten. Bei einigen beträgt die zur Verfügung stehende Evakuierungszeit im Fall einer Eruption gerade mal 20 Minuten. Falls eine Evakuierung angeordnet wird, erhalten alle Einwohner der Gegend ein SMS und am Radio wird über die Situation laufend informiert. 

Die lokale Polizei macht sich allerdings weniger Sorgen um die rund 200 Einwohner der Ortschaft Öræfi am Fusse des Vulkans, sondern viel mehr um die Touristen. In der Hochsaison reisen bis zu 2000 Touristen täglich durch Öræfi, welches an der Ringstrasse rund um Island liegt. Wer in der Ortschaft übernachtet, tut dies zwar meist im Fosshotel Glacier Lagoon, aber manche verbringen die Nacht auch in Campervans in der Gegend, wo sie nicht gewarnt werden können. In einem lokalen isländischen Blatt erklärt Polizeichef Sveinn Runarsson, dass Einheimische wissen, was im Fall eines Ausbruchs zu tun ist, was bei den meisten Touristen nicht der Fall sei. Deshalb empfehle es sich, dass Reisende sich in nächster Zeit vom Vulkan und den Flüssen der Umgebung fernhalten sollten.

Glücklicherweise sind nun im Winter deutlich weniger Touristen als auf Island. Ein Ausbruch könnte aber auch erst in ein paar Monaten stattfinden - und in der Nähe von Öræfi befinden sich beliebte Touristenattraktionen wie der Nationalpark Skaftafell (westlich) oder die Gletscherlagune Jökulsarlon (östlich). Es empfiehlt sich also für Island-Reisende, sich vorgängig zu informieren. Ein Grund, nicht hinzureisen, ist der Öræfajökull derzeit allerdings noch nicht.

(JCR)