Flug

Lufthansa gehört zu den Gewinnern des sich konsolidierenden europäischen Flugmarktes. Doch das Zustandekommen dieser Tatsache hat für viele Air-Berlin-Angestellte einen fahlen Nachgeschmack. Bild: LH

Die hässliche Seite des Lufthansa-Deals mit Air Berlin

Piloten und Flugpersonal der insolventen Air Berlin müssen sich bei Eurowings oder LGW für ihre eigenen bisherigen Jobs bewerben – offenbar zu deutlich schlechteren Konditionen. Geld verlieren auch viele Passagiere von Air Berlin. Derweil machen der Air-Berlin-CEO und die Lufthansa den grossen Reibach.

Air Berlin ist seit einigen Tagen Geschichte, auch wenn aktuell noch ein paar Flüge im Wetlease für Eurowings durchgeführt werden. Der grösste Teil des Unternehmens ist an die Lufthansa und an Easyjet übergegangen. Vor allem Lufthansa hat ihre Rolle innerhalb der europäischen und globalen Luftfahrt deutlich gestärkt und ist gleichzeitig ihren grössten Inland-Rivalen losgeworden. Das Unschöne daran: Lufthansa kriegt den Makel nicht los, dass die Übernahme von vornherein festgelegt war und die deutsche Bundesregierung dabei kräftig half, und dass sie jetzt aus einer Position der Stärke die Konditionen diktiert.

Beispielsweise wurden 13 Flugzeuge der Air Berlin laut «Monitor» kurz vor der Insolvenzmeldung in die erst im Juni 2017 gekaufte Airline LGW mit Sitz in Dortmund verschoben. LGW vollführte eigentlich mit Propellermaschinen Zubringerflüge für Air Berlin, erhielt nun aber plötzlich 13 Jets – aber nicht das Personal von Air Berlin! Am 12. Oktober dann übernahm Lufthansa die LGW, zusammen mit der Niki, und erhielt so auf einen Schlag 20 Flugzeuge mitsamt Start- und Landerechten, musste aber kein Personal von Air Berlin übernehmen. Dieses wird nun gesucht, aber zu Konditionen, die den bei Air Berlin gewährten deutlich unterlegen seien.

Auch der Übergang zur Eurowings ist nicht geregelt. Der Vorstand der Pilotengewerkschaft «Vereinigung Cockpit» (VC) hat die bereits mit dem Unternehmen getroffene Vereinbarung zu den Einstellungsbedingungen gekippt, wie die Gewerkschaft am Montag in Frankfurt mitteilte. Eurowings soll bekanntlich 80 der 130 Air-Berlin-Flugzeuge übernehmen. Und jetzt hat Eurowings verlangt, dass sich Air-Berlin-Angestellte neu bewerben. Mit der VC hatte Eurowings vor wenigen Tagen vorläufig vereinbart, dass die Piloten bei der deutschen Tochtergesellschaft in Düsseldorf zu hiesigen Tarifbedingungen anfangen sollten. Zuvor waren die Jobs bei der Eurowings Europe in Wien geplant. Ähnliche Tarifverträge hatten bereits die Gewerkschaften Verdi und Ufo für das Kabinenpersonal unterzeichnet. Die Verträge regeln nur die Standards bei individuellen Einstellungen und sind nicht mit einem regulären Betriebsübergang zu verwechseln.

Eurowings sucht aktuell rund 400 Piloten. Die VC hat den Air-Berlin-Piloten davon abgeraten, sich einzeln bei Eurowings zu bewerben. «Es darf nicht sein, dass ein Fast-Monopolist im deutschen Pilotenmarkt, wie die zum Lufthansa Konzern gehörende Eurowings, ihre Position eiskalt ausnutzt, um einen Betriebsübergang zu umgehen», sagt dazu VC-Vorstandsmitglied Jörg Handwerg.

Bei den Air-Berlin-Angestellten ist die Verunsicherung gross. Die insolvente Air Berlin hat bereits Mitarbeiter «widerruflich freigestellt»: Sie müssen nicht mehr arbeiten, sind aber noch nicht gekündigt. Deshalb haben sich bislang auch noch viele nicht als arbeitslos gemeldet; in Berlin erst etwa 200 von erwarteten 1200 Mitarbeitenden. Es gebe die Sorge, dass eine Arbeitslosenmeldung einer Kündigungsschutzklage im Weg stünde. Anders ist das bei Mitarbeitenden, die in eine Transfergesellschaft gehen. Diese dürfen sich vor dem Wechsel nicht arbeitslos melden. Denn die Transfergesellschaft übernimmt dann das Arbeitsverhältnis.

100‘000 geschädigte Passagiere

Doch auch auf Seite der Passagiere gibt es grossen Unmut. Denn alle jene, welche Tickets vor dem 15. August, also vor dem Tag der Insolvenzanmeldung, gebucht haben, erleiden Verluste. Für sie sind keine Konkursgelder zur Seite gestellt worden, d.h. für ihre Tickets gibt es keine Erstattung – das einbezahlte Geld ist bis zum Ende des Insolvenzverfahrens gesperrt. Es wird damit gerechnet, dass rund 100‘000 Passagiere betroffen sind. Es ist damit zu rechnen, dass diese nach Ende des voraussichtlich mehrjährigen Insolvenzverfahrens maximal zehn Prozent des Ticketpreises zurückerhalten werden. Natürlich sind in diesem Zusammenhang auch wieder Stimmen laut geworden, welche endlich den obligatorischen Abschluss einer Insolvenzabsicherung bzw. Kundengeldabsicherung von Seiten der Airlines fordern.

Besonders unschön: Der deutsche Staat hat Air Berlin nach dem Aussteigen von Partner Etihad Airways, aber noch vor dem Anmelden der Insolvenz, 150 Millionen Euro Überbrückungskredit gewährt. Damit wurde zwar der Flugbetrieb noch eine Weile aufrecht erhalten; für die betroffenen Mitarbeitenden und Kunden bleibt davon aber kaum etwas übrig. Aber das gilt nicht für alle: Thomas Winkelmann, seit Februar 2017 Vorstandsvorsitzender bei Air Berlin und davor langjähriger Lufthansa-Manager, hat sein Gehalt von 950‘000 Euro pro Jahr bis 2021 abgesichert. Mit anderen Worten: Sein Gehalt ist Insolvenz-versichert, dasjenige von zahlreichen Mitarbeitenden und Kunden nicht.

Und: Lufthansa hat soeben das beste Neunmonats-Ergebnis seiner Geschichte vorgelegt. Das wird die zum Sparen gezwungenen Air-Berlin-Angestellten bestimmt freuen.

(JCR)