Flug

Der Drink am Flughafen gehört für viele zum Flugerlebnis dazu. Nur gibt es leider solche, welche zu tief ins Glas schauen - zum Leidwesen der anderen Passagiere. Bild: Robert Mathews

Betrunkene Fluggäste: Kein Drink mehr vor dem Start?

Tinga Horny

Oft haben sie schon vor dem Einchecken eine Fahne: Alkoholisierte Passagiere gefährden die Flugsicherheit. Ryanair fordert daher Einschränkungen beim Verkauf von Spirituosen an Flughäfen.

Kein Service, hohe Zusatzgebühren und miserabel bezahltes Personal - Ryanair kann man vieles vorwerfen, nur eines nicht: mangelnde Klarheit. So hat der oberste Marketingmanager der irischen Airline, Kenny Jacobs, von den britischen Flughäfen gefordert, mit dem Alkoholverkauf erst nach zehn Uhr morgens zu beginnen. «Es ist komplett unfair, dass Flughäfen vom unbegrenzten Verkauf von Alkohol an Passagiere profitieren und es den Airlines überlassen, mit den Sicherheitskonsequenzen fertig zu werden», so Jacobs. 

Die Forderung ist nicht ganz unbegründet, zumindest im Brexit-Land hat sich die Zahl der Vorfälle mit stark alkoholisierten Fluggästen dramatisch erhöht. Allein von Februar 2016 bis Februar 2017 wurden 387 Passagiere wegen Trunkenheit am Airport beziehungsweise an Bord von der Polizei in Gewahrsam genommen. Das entspricht dem britischen Guardian zufolge fast einer Verdoppelung gegenüber dem Jahr zuvor. Eine Umfrage der britischen Gewerkschaft unter 4000 Airline-Mitarbeitern ergab, dass 87 Prozent schon einmal Zeugen von alkoholbedingten Ausfällen am Airport oder an Bord waren.

Pro 1205 Flüge eine Randale

 Wie viele betrunkene Passagiere an Schweizer Flughäfen vor dem Einchecken von den Airlines herausgefischt werden, ist nicht bekannt. Zumindest reden die Fluggesellschaften nicht darüber. Doch alkoholisierte Passagiere kommen auch in Zürich, Genf und anderswo vor. Die Zwischenfälle, die sie an Bord verursachen, fliessen in das Fact Sheet «Unruly Passengers» des Luftfahrt-Verbandes IATA ein. 

Nach Erkenntnissen der IATA kam 2015 ein Fall von Randale auf 1205 Flüge. Im Vorjahr betrug die Rate noch 1:1282. Ein gehöriger Anteil davon - 23 Prozent der gemeldeten Vorfälle - geht auf Alkoholkonsum zurück. Während es sich dabei meist um verbale Entgleisungen handelt, kommt es in elf Prozent der Ereignisse zu sogenannten Level-2-Zwischenfällen, das heisst Handgreiflichkeiten gegen Personen und Gegenstände. Damit bestehen Gefahren für die Flugsicherheit. 

Weil betrunkene Gäste an Bord immer schon ein Sicherheitsrisiko dargestellt haben, hat jede Airline das Recht, alkoholisierten Passagieren den Flug zu verweigern. Sie ist dazu laut den Betriebsvorschriften der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) sogar verpflichtet. In Vorschrift JAR-OPS 1 heisst es: «Der Luftfahrtunternehmer darf keiner Person gestatten, ein Flugzeug zu betreten oder sich dort aufzuhalten, und keine Person darf ein Flugzeug betreten oder sich dort aufhalten, wenn sie in einem Masse unter dem Einfluss von Alkohol oder von anderen Rauschmitteln steht, dass mit Wahrscheinlichkeit die Sicherheit des Flugzeugs oder dessen Insassen gefährdet ist.» 

Airlines fühlen sich von Flughäfen im Stich gelassen

Was IATA und Ryanair beklagen: Das Problem der berauschten Fluggäste bleibt allein an den Fluggesellschaften hängen. Während Airports in Gastronomie und Geschäften zwar gutes Geld mit dem Alkoholausschank und -verkauf verdienen, scheren sie sich nicht darum, in welchem Zustand sie ihre Klientel am Flugzeug abliefern. So klagt Kenny Jacobs: «Das Problem ist besonders gross bei Flugverspätungen, wenn es an den Flughäfen keine Begrenzung des Alkoholverkaufs in Bars und Restaurants gibt.» 

Ein bis zwei Drinks, nicht mehr, sollten pro Passagier ausgeschenkt werden dürfen, meint Ryanair-Manager Jacobs. Man könne dies ja über die Bordkarte wie beim Duty-Free-Einkauf regeln. Ins gleiche Horn stösst die IATA, die sich ebenfalls eine beschränkte Alkoholausgabe sowie besser geschultes Personal zu diesem Thema wünscht. 

Das mag funktionieren, aber damit ist das Problem mit dem zollfreien Einkauf von Wein und Schnaps noch nicht gelöst. Vor allem Billig-Airlines auf Kurzstrecken klagen, dass die Passagiere sich mit Spirituosen im Duty-Free-Geschäft eindecken und sie dann vor dem Einchecken oder in der Luft konsumieren. Zollfrei-Grosshändler wie die Firma Heinemann mit weltweit über 320 Geschäften finden naturgemäss den Vorschlag vom begrenzten Alkoholverkauf gar nicht gut. «Wir sehen derzeit keinen Anlass, den Verkauf zeitlich zu beschränken», heisst es aus der dortigen Presseabteilung, «die Spirituosen werden schon heute in versiegelte Taschen gepackt und dürfen nicht vor Erreichen des finalen Flugziels geöffnet werden. Eine Beschränkung des Verkaufs würde insofern zur Lösung der Problematik wenig beitragen.»

So weit, so gut. Nur: Wer kontrolliert schon, ob das Siegel gebrochen wurde oder nicht? Sollen das demnächst auch noch die Airline-Mitarbeiter erledigen?