Flug

Zwei Piloten an Bord: Das Modell ist unter Druck. Angedacht sind sogar Modelle ohne Piloten. Bild: Fotolia

Wann kommt das pilotenlose Flugzeug?

Jean-Claude Raemy

Mit selbstfahrenden Autos finden wir uns immer mehr ab. Selbstfliegende Jets dagegen dürften dagegen noch länger auf wenig Gegenliebe stossen. Warum eigentlich? Ist der Pilotenjob in Gefahr?

Es gibt zahllose Beförderungsmittel, welche ohne Piloten auskommen und die mit blindem Vertrauen von Millionen Menschen täglich genutzt werden. Lifte oder Bergbahnen, zum Beispiel. Führerlose Metros und Züge gibt es auch schon mancherorts. Führerlose Autos zwar noch nicht im Normalverkehr, aber jedermann weiss, dass mehrere Konzerne am führerlosen Auto herumtüfteln. Wussten Sie aber auch, dass an führerlosen Passagierflugzeugen herumgetüftelt wird?

Die meisten von uns fühlen sich vermutlich nicht unbedingt wohl, wenn sie ein führerloses Fluggerät besteigen. Bereits in Kürze wird dies aber bekanntlich in Dubai der Fall sein – dort werden ja bald führerlose «Drohnentaxis» unterwegs sein. Nicht schon ab Juli, wie ursprünglich angekündigt, obwohl die Flugtechnologie bereit dazu wäre. Nein, die Road & Transport Authority of Dubai (RTA) muss mit den lokalen Flugbehörden den ganzen Verkehrsbetrieb zuerst noch juristisch regeln. Wie es zumindest von der Technologie und den Abläufen her aussehen könnte, zeigt dieses Video.

Die Aufnahme des Verkehrs mit Drohnentaxis dürfte noch etwas dauern – in der kommenden Zeit wird es vor allem auch darum gehen, potenzielle Kunden davon zu überzeugen, dass es sicher ist, in eine Taxidrohne zu steigen, sich anzuschnallen und danach nichts Weiteres mehr zu tun. Die Steuerung liegt dann nämlich ausschliesslich in den Händen von Maschinen sowie von Kontrollpersonal in einer Zentrale am Boden.

Mensch oder Roboter: Beide Varianten haben Vor- und Nachteile

Natürlich hört die Entwicklung nicht bei Taxidrohnen auf. Längst gibt es bereits ferngesteuerte Militärflugzeuge und Militärdrohnen, oder sogar Raumschiffe, welche zuverlässig fliegen, ohne dass ein Pilot an Bord ist. Bei führerlosen Passagierflugzeugen ist die Hemmschwelle aber verständlicherweise grösser. Trotzdem: Die weltgrössten Flugzeugbauer, Boeing und Airbus, haben bestätigt, dass sie ebenfalls führerlose Flugzeuge entwickeln. Bei Airbus geht es vorläufig noch um Einsitzer, aber CEO Tom Enders liess bereits durchblicken, dass man die Zukunft mit führerlosen Flugzeugen «sehr ernst nimmt». Bei Boeing hat Mike Sinnett, der Vice President Future Technologies, gegenüber US-Medien erklärt, dass man darüber nachdenke, mit künstlicher Intelligenz Piloten künftig zu ersetzen; die Technologie dazu sei im Prinzip bereits vorhanden.

Die Frage ist also nicht, ob pilotenloses Fliegen möglich ist, sondern ob Flugpassagiere dies auch akzeptieren würden. Der Bankkonzern UBS hat kürzlich 8000 Personen zu selbstfliegenden Flugzeugen befragt. Nur 17 Prozent der Teilnehmer gaben an, dass sie in einen solchen Jet einsteigen würden - selbst wenn der Ticketpreis geringer wäre als bei einem Flug mit Piloten. Immerhin: Jüngere Befragte wären eher bereit, auf menschliche Besatzung im Cockpit zu verzichten. Unter den 18- bis 24-Jährigen würden 27 Prozent einsteigen, unter den 25- bis 34-Jährigen sogar 31 Prozent. In der Studie hat UBS auch mögliche Kostenvorteile für Airlines erhoben. Demnach könnten sich Fluggesellschaften durch den Verzicht auf Piloten bis zu 30 Milliarden US-Dollar sparen, durch optimierte Flugrouten und den Wegfall von Personal- und Ausbildungskosten.

Hierbei gilt zu bedenken: Schon heute legen Flugzeuge den grössten Teil der Strecke per Autopilot zurück; die Piloten machen die meiste Zeit eigentlich nur noch Instrumenten-Monitoring, was man auch vom Boden aus könnte. Im Falle von Störungen ist es aber dennoch von Vorteil, Piloten an Bord zu haben – man denke etwa an Flug 1549 von US Airways, wo beide Triebwerke kurz nach dem Start ausfielen, jedoch das Flugzeug vom erfahrenen Piloten Sully Sullenberger im Hudson River in New York notgewassert wurde und keine einzige Person umkam. Ohne Pilot an Bord wären wohl alle Passagiere umgekommen.

Den umgekehrten Fall gibt es aber leider auch: Germanwings-Flug 9525 zerschellte 2015 in Frankreich, weil Co-Pilot Andreas Lubitz den Piloten aussperrte, den Autopiloten übersteuerte und das Flugzeug absichtlich zum Absturz brachte, was ein Computer nie täte. Darüber hinaus hört man immer wieder von Piloten, die entweder betrunken oder übermüdet sind – beides Risiken, die bei einem Computer nicht bestehen.

Der Co-Pilot ist zuerst auf dem Schleudersessel

Ist es nun also besser mit oder ohne Piloten? Die Frage stellt sich (noch) nicht. Am wahrscheinlichsten ist wohl, dass ein Pilot an Bord bleibt, das Flugzeug aber auch über einen Fernsteuerungsmechanismus verfügt. Sollte der Pilot aus irgendeinem Grund flugunfähig werden, liesse sich das Flugzeug auch vom Boden aus bedienen. Den Co-Piloten zur Absicherung bräuchte es nicht mehr zwingend. Abwegig ist dieser Gedanke nicht, weil sich dadurch natürlich Personalkosten einsparen lassen. Ryanair-Chef Michael O’Leary sagte schon vor mehreren Jahren «let’s take out the second pilot and let the bloody computer fly it.» Als Gegenargument könnte man sagen, dass ein Pilot alleine in einer Krisensituation auch überfordert sein könnte, mit all den Checks und der Funkkommunikation und dem allgemeinen Notfallmanagement, weshalb ein zweiter Pilot aus Sicherheitsgründen weiterhin Sinn machen würde.

 Wie auch immer: In der nächsten Zeit sind die Pilotenjobs vermutlich noch sicher; es ist ja sogar von Pilotenmangel die Rede. Doch das Vier-Augen-Prinzip im Cockpit ist längst unter Druck. Und angesichts der Schnelligkeit, mit welcher neue Technologien bestandene Geschäftsmodelle plötzlich alt aussehen lassen, sollte man heute nichts mehr kategorisch ausschliessen. Schliesslich gab es an Bord der Flugzeuge auch schon mal einen Third Officer, den es dank dem technologischen Fortschritt längst nicht mehr braucht…