Flug

Auch am Donnerstag müssen sich Frankreich-Reisende auf Verspätungen und Flugausfälle einstellen. Bild: Fotolia

Was tun, wenn mein Flug bestreikt wird?

Wenn Flugzeuge wegen eines Streiks nicht abheben, heisst es für die Passagiere kühlen Kopf bewahren. Wir geben Tipps, wie der Streik nicht zum Alptraum wird.

Zuletzt war es das Bodenpersonal: Die in der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di organisierten Betanker und Gepäckabfertiger legten den Luftverkehr von und nach Berlin just zur ITB lahm. Bei anderen Gelegenheiten streikten die Fluglotsen, das Bordpersonal und immer wieder die Piloten: Nirgendwo tobt der Arbeitskampf so intensiv wie im Luftverkehr. Für den Passagier ist das ein Fiasko: Man kann ja ruhigen Gewissens fast keine Reise mehr planen. Was tun, wenn es einen trifft? Wir beantworten die wichtigsten Fragen. 

Wo erfährt man, ob der eigene Flug betroffen ist? 

Eine verbindliche Auskunft kann nur der Vertragspartner geben: Das ist bei Linienflügen die Fluggesellschaft, bei organisierten Reisen der Veranstalter. Deren Webseiten informieren an Streiktagen meist bereits auf der Startseite oder unter dem Punkt «Flugstatus» über die aktuelle Situation. Tipp: Drucken Sie sich die Internetseite aus, um im Zweifelsfall hinterher einen Nachweis zu haben. Regelmässig sind auch Telefon-Hotlines eingerichtet, die individuelle Lösungen anbieten. Oft darf man an Streiktagen mit dem Flugticket auch Zug fahren, den Flugtag wechseln oder man wird über eine andere Strecke geroutet. Viele Airlines informieren auch per SMS, wenn die Handynummer mitgeteilt wurde. 

Muss man auch bei Streik pünktlich am Flughafen sein?

Wer mit der Fluggesellschaft keinen Kontakt aufnehmen konnte, sollte unbedingt zur ursprünglichen Abflugzeit am Flughafen sein. Das gilt auch, wenn zum Beispiel der Flughafen längst die Annullierung des gebuchten Flugs auf der Webseite mitgeteilt hat. Die Fluggesellschaft könnte ja kurzfristig eine Umbuchung oder einen Ersatzflug anbieten. Wer den dann verpasst, um den muss sie sich nicht mehr kümmern. 

Wer sorgt für die Ersatzbeförderung?

Wenn ein Flug annulliert wird, entbindet das die Fluggesellschaft nicht von ihrer Beförderungspflicht. Sie muss, so sehen es die EU-Fluggastregeln vor, dem Passagier eine Ersatzbeförderung besorgen - notfalls von einer fremden Gesellschaft. Ersatzbeförderung heisst: Fluggesellschaft oder Veranstalter müssen ihre Passagiere so schnell wie möglich ans Reiseziel bringen. Bei einem kurzen Streik kann es also ausreichen zu warten, bis der Flugbetrieb wieder aufgenommen wird. Bei längeren Streiks müssen Airline bzw. Veranstalter die Passagiere zum Beispiel mit Bahn oder Bus zu einem anderen Flughafen bringen und von dort aus zum Reiseziel. 

Was passiert, wenn ich am Flughafen festhänge?

Die Fluggesellschaft (bei organisierten Reisen: der Veranstalter) muss gestrandete Kunden betreuen. Bei längerer Wartezeit haben Passagiere Anspruch auf Getränke und Essen, üblicherweise erhalten sie dafür Gutscheine. Konkret kann der Passagier von der Airline während der Wartezeit Erfrischungen, Mahlzeiten und Übernachtungen samt nötigen Transfers verlangen. Laut EU-Richtlinie 261/2004 beginnt dieser Anspruch bei kurzen Flügen bis zu 1500 Kilometer ab zwei Stunden Verspätung. Zwischen 1500 und 3500 Kilometern greift die Regel nach drei Stunden, ab 3500 Kilometern Flugstrecke nach vier Stunden. Diese Pflicht für die Fluggesellschaft gilt verschuldensunabhängig. Sie muss dem Fluggast also helfen, egal ob die Verspätung durch einen Radarausfall oder einen Pilotenstreik entstanden ist. Verschiebt sich der Flug auf den nächsten Tag, muss die Fluggesellschaft bzw. der Veranstalter eine Hotelübernachtung organisieren und bezahlen. 

Kann man im Streikfall kostenlos stornieren?

Das kommt drauf an. Wem das Warten auf einen Linienflug zu lange dauert, der kann bei einem annullierten oder mehr als fünf Stunden verspäteten Flug zurücktreten und sich den Ticketpreis wieder ausbezahlen lassen. Damit ist die Airline jedoch aus allen Pflichten entlassen. Dauert der Streik kürzer als fünf Stunden, so muss man diese Verspätung hinnehmen und geduldig warten. Keinesfalls darf man eigenmächtig andere Tickets oder einen Mietwagen buchen und dann hoffen, diese Auslagen von der Airline erstattet zu bekommen. Bei organisierten Reisen ist abzuwägen, ob die gesamte Reise durch den Streik erheblich beeinträchtigt wird. Ein Tag Verlust wird bei einer Wochenreise in der Regel nicht für eine kostenlose Kündigung ausreichen. Der Reisende kann aber Preisminderung geltend machen. 

Wer zahlt den Schaden, wenn ein Zubringerflug ausfällt und der Anschlussflug verpasst wird?

Da heisst es genau hinsehen. Wenn es sich um zwei getrennt gebuchte Flüge handelt, dann ist in der Regel der Passagier der Dumme. Hat er beide Flüge dagegen als Einheit gebucht und ist auch entsprechend abgefertigt worden, dann ist für die Fluggesellschaft erkennbar, dass der von ihr durchgeführte Flug nur eine Teilstrecke ausmacht. In einem solchen Fall sprechen die Gerichte in der Regel dem Reisenden Entschädigungen zu.

Gibt es Schadenersatz auch bei Streik der Flughafenmitarbeiter?

Das ist doppelt ärgerlich: Wenn die Flughafenmitarbeiter streiken, dann wird nicht nur die Geduld der Reisenden auf die Probe gestellt. Sie haben auch keine Aussicht auf Schadenersatz. Ansprüche wegen entgangener Ferienfreuden kann der Passagier ebenfalls nicht stellen. So urteilen Gerichte jedenfalls regelmässig. Ihr Argument: Fluggesellschaften und Reiseunternehmen sind ja nicht die Verursacher des Schadens, sondern selbst Geschädigte. Wenn der Fluglotse im Tower streikt oder das Sicherheitspersonal, dann können das die Fluggesellschaft nicht beeinflussen. Die Richter sprechen in so einem Fall von «höherer Gewalt». 

Ist auch ein Pilotenstreik «Höhere Gewalt»? 

Leider ja. So sieht es jedenfalls der deutsche Bundesgerichtshof. Er bescheinigte der Fluggesellschaft Tuifly bereits im Jahr 2012 «aussergewöhnliche Umstände», als deren Piloten streikten und Flüge verschoben werden mussten. Die Richter argumentierten, dass ein Streik als Waffe in Tarifauseinandersetzungen ja gerade darauf abziele, die «normale Ausübung der Tätigkeit» zu beeinträchtigen oder vollständig lahmzulegen. Anders als etwa bei einer schlampigen Wartung könne eine Airline den Flugbetrieb in diesem Fall nur sehr bedingt aufrechterhalten. Die Folge: Sie musste keinen Schadenersatz zahlen. 

Was ist mit Pauschalreisen? 

Pauschalreisende sind bei Störungen der Reise stets besser dran als der Individualreisende. Egal ob die Fluggesellschaft streikt oder das Hotelpersonal - immer können sie sich an den Veranstalter wenden. Der muss sich nach Reiserecht nicht nur verschuldensunabhängig um die Kunden kümmern, sondern bei erheblicher Verkürzung der Ferien auch noch eine Reisepreisminderung hinnehmen. In der Praxis hat der Feriengast meist Anspruch auf Minderung des anteiligen Reisepreises um den entgangenen Ferientag. 

(HWR/SRT)