Flug

Jürg Schwarz: «Die Airlines regeln Problemfälle im Zusammenhang mit der EU-Fluggastrechteverordnung in der Regel speditiv.»

«Wir empfehlen Passagieren, sich direkt an die Airline zu wenden»

Jean-Claude Raemy

BAR-Präsident Jürg Schwarz stört sich an der Kommerzialisierung der Passagierrechte und verteidigt die Position der Airlines in diesem schwierigen Thema.

Der Bericht von travelnews.ch über Refund.me und deren Analyse zur Lage bei der Einhaltung von Passagierrechten in der Schweiz hat bei den in der Schweiz ansässigen Airlines für Ärger oder zumindest Befremden gesorgt. Jürg Schwarz, General Manager Schweiz der israelischen Fluggesellschaft El Al sowie Präsident des Board of Airline Representatives (BAR) in der Schweiz, nimmt Stellung zu einigen von Refund.me getätigten Äusserungen.

«Wir, die Airlines, stehen solchen Portalen kritisch gegenüber», erklärt Schwarz, «und wir möchten diese kritische Haltung auch bei den Passagieren und nicht zuletzt bei jenen Reisebüros beliebt machen, die solche Agenturen empfehlen.» Laut Schwarz erledigen die Kundendienste der in der Schweiz ansässigen Airlines Problemfälle «speditiv» und hätten das Recht des jeweiligen Passagiers durchaus im Fokus – doch werde sehr oft auch unberechtigt eingeklagt, etwa bei Verspätungen, welche Nicht-EU-Airlines bei einem Flug aus einem Nicht-EU-Land in die Schweiz erlitten haben, welcher also folglich nicht unter die EU-Verordnung fällt. Dies schaffe dann nur unnötigen Aufwand.

Schwarz räumt zwar ein, dass die juristische Lage sehr komplex sei aufgrund teils unterschiedlicher Rechtsinterpretationen in einzelnen Ländern, doch lässt er nicht gelten, dass sich die Airlines einfach grundsätzlich ihrer Verantwortung entziehen wollen: «Bei Überbuchungen und Annullationen wird der Entschädigungsanspruch von Airlines akzeptiert und gemäss EU-Verordnung auch eingehalten. Überdies wird jeder Passagier beim Einchecken und am Gate auf seine Rechte hingewiesen.» Dass tatsächlich 90% der eigentlich entschädigungsberechtigten Passagiere ihre Rechte nicht einfordern, wie von Refund.me kolportiert, ist für Schwarz neu: «Mir sind solche Zahlen nicht bekannt.»

«Es ist falsch zu suggerieren, dass Passagiere stets um ihr gutes Recht kämpfen müssen»

Der BAR-Präsident räumt zwar ein, dass es punkto Entschädigungs-Kulanz sicher unrühmliche Ausnahmen gebe, doch sei es schlicht falsch zu suggerieren, dass es für den Passagier in jedem Fall schwierig sei, zu seinem berechtigten Anspruch zu kommen.

Was Schwarz an den «Kompensations-Agenturen» wie Refund.me stört, ist etwa, dass bei unplanmässigen Ereignissen wie eben Verspätungen die Passagiere bereits am Flughafen von Mitarbeitern solcher Agenturen aktiv angesprochen werden. Der Passagier setzt dann manchmal seine Unterschrift auf ein Formular für eine zunächst kostenlose Abtretungserklärung, wodurch die Agentur Forderungen im Namen des Passagiers bei Airlines einreichen kann. Im Erfolgsfall behält dann die Agentur bis zu 25% der Kompensationssumme zurück. Geld, das aus Schwarz‘ Sicht dem Passagier zusteht: «Ich möchte deshalb allen Passagieren raten, zuerst den direkten Kontakt zur Airline aufzunehmen und sich erst bei Abweisung gegebenenfalls an eine Agentur zu wenden. Aufgrund meiner Erfahrung übernehmen diese nämlich jeden – also auch nicht-erstattungspflichtigen - Anspruch, weil automatisierte Software oder Standardbriefe solche Eingaben ohne grossen Aufwand für die Agentur ermöglichen.»

Das Handling der Ansprüche ist das eigentliche heisse Eisen. Während Refund.me und ähnliche Agenturen sich als Dienstleister im Interesse der Kunden und trotzdem nicht als Feinde der Airlines sehen, sind sie aus Sicht der Airlines genau dies, und eine im Prinzip überflüssige Zwischenstelle obendrein. Schwarz führt aus, wie derzeit über andere Lösungsansätze nachgedacht werde: «Wir sind zurzeit in Kontakt mit dem Bundesamt für Zivilluftfahrt», holt Schwarz aus, «denn es gibt in verschiedenen EU-Ländern so genannte Durchsetzungsstellen, die eine Art Beschwerdestelle bilden im Sinne eines paritätischen Konsumentenschutzes. In Deutschland gibt es das, in der Schweiz noch nicht. Wir haben das für die Schweiz diskutiert, aber das Interesse der Airlines an solch einer Art Behörde ist gering. Es geht unter anderem darum, wer die Kosten tragen würde. Wenn die Airlines dieses Amt finanzieren, wäre dieses ohnehin nicht mehr neutral. Zudem kann das BAZL oder dessen Durchsetzungsstelle auch nicht mehr ausrichten als das, was auf herkömmlichen juristischen Wegen möglich ist. Sprich: Der Passagier soll zur Airline und wenn er nicht zufrieden ist, weiter zum Friedensrichter oder noch höhere gerichtliche Instanzen.

«Die EU-Mitgliedstaaten und die Schweiz haben alle die Zusatzvereinbarung über die Regelung im Falle von Verspätungen nicht übernommen und nicht umgesetzt»

Schwarz verweist auf ein aus seiner Sicht positives Beispiel aus England. Dort können sich auf Passagierrecht spezialisierte Anwälte direkt beim Ministry of Transport anmelden und werden dann auf eine Liste genommen. Wer sich von der Airline ungerecht behandelt fühlt, kann auf diese Liste zugreifen und sich einen Anwalt nehmen. Das sei aber in den wenigsten Fällen nötig.

Solche speziellen Verfahren sind allerdings noch Zukunftsmusik; bis auf Weiteres werden die Kompensationsportale in der Schweiz weiterhin versuchen, für die Passagiere deren Recht mitsamt Entschädigungsgeldern einzufordern. Dass die Swiss sich hier besonders quer stellt, verneint Schwarz: «Zum einen hat sie am meisten Passagiere, also auch am meisten Fälle, aber das sagt nichts zur Qualität der Beschwerdebearbeitung aus. Zum anderen ist es so, dass die 27 EU-Mitgliedstaaten alle die Zusatzvereinbarung über die Regelung im Falle von Verspätungen - inklusive deren Auslegung und Anwendbarkeit bei technischen Problemen, Air Traffic Control, Wetter, Naturkatastrophen usw.) übernehmen und umsetzen müssten. Dies ist aber bis
heute nicht der Fall und trifft auch nicht auf die Schweiz zu.»

Abschliessend hält Schwarz fest, dass sich die Airlines im Prinzip nur dagegen wehren, dass es eine Übertragung von Kosten «in jedem Fall» sowie auf den gesamten Luftverkehr gebe, also eine Art Grundsatz-Gesetzgebung zulasten der Airlines. Verspätungen oder Gepäckverlust sollten aber weiterhin nach spezifischen Fällen beurteilt werden.