Flug

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Einwurf Das Security-Theater, eine gigantische Show

Felix Frei

Autor Felix Frei schreibt über das Sicherheitsprozedere an den Flughäfen und die Bewirtschaftung der Angst in unseren Köpfen.

Meine Pilotenausbildung habe ich von zwanzig Jahren gestartet, mit der Privatpilotenlizenz abgeschlossen und dann um die Instrumentenflugberechtigung ergänzt. Die Ausbildung zum Berufspiloten – für kommerzielles Fliegen also – konnte ich nur theoretisch abschliessen, mit meiner Brillenstärke war ich für diese Praxis nicht zugelassen.

In diesen Zeiten galten Piloten ganz offenkundig als bessere Menschen, denn unsereiner wurde damals keinerlei Security Checks unterzogen. Es wäre ein Kinderspiel gewesen, Waffen oder Drogen zu schmuggeln. In der zivilen kommerziellen Luftfahrt dagegen hat sich das Sicherheitstheater seit 9/11 in einem Ausmass vergrössert, dass ich inzwischen das Fliegen mit Airlines rundweg hasse.

Auch für Privatpiloten ist die Sache heute nicht mehr lustig. Den – noch amüsanten – Beginn der Kehrtwende erlebte ich, als ich vor etwa zwölf Jahren meine Geschäftspartner zu einem Meeting nach Berlin Tegel flog. In Tegel fand die Security (die mich unbehelligt liess) bei meinem langjährigen Geschäftspartner ein Taschenmesser von der Grösse eines Kinderdaumens. Man nahm es ihm weg und vertraute es mir an mit der Auflage, nach der Landung in Zürich dürfe ich es ihm wieder zurückgeben. Wir wussten alle: Das ist nicht der Moment zu lachen und trotteten mit ernster Miene zu meiner Piper Malibu.

Selbst wenn es heute technisch bereits möglich und finanzierbar wäre...

Im kommerziellen Bereich ist die Sache seither soweit gediehen, dass vermutlich auf jeden Terroristen etwa hundert Sicherheitsleute kommen, die den ganzen lieben langen Tag unbescholtene Menschen sich halb ausziehen lassen, sie von oben bis unten begrabschen und abscannen, ihnen ein Nagelscherchen oder den Rest eines teuren Rasierwassers in einem leider etwas zu grossen Fläschchen abnehmen und 7-by-24 demonstrieren: Ohne unsere wachsamen Augen wärt ihr alle dem Terror ausgeliefert!

Mit Sicherheit hat das alles natürlich überhaupt nichts zu tun. Oder können Sie mir vielleicht verraten, in welchem Vertrag der Terrorist – Allah sei sein Zeuge! – unterschrieben hat, dass er nur Flugzeuge in die Luft sprengt, aber keinesfalls den komplett überfüllten 7h-Zug Zürich-Bern? Obwohl letzteres nicht nur sehr viel einfacher, sondern auch für den Terroristen viel ungefährlicher wäre. Eben.

Ich bin offenbar einer der wenigen, die das Security-Theater für eine gigantische Show halten. Die meisten Leute sagen mir, sie seien froh darüber, nähmen die Schikanen gerne in Kauf, denn das sei ja schliesslich nur für ihre eigene Sicherheit. So fliege es sich doch viel beruhigter.

Ganz offensichtlich ist es den USA gelungen, ihren «Krieg gegen den Terror» als etwas durch und durch Gutes zu verkaufen, indem sie – primär übers Fliegen – die Angst in unseren Köpfen systematisch bewirtschaften. Selbst wenn es heute technisch bereits möglich und finanzierbar wäre, dass man einen Ganzkörper-Scanner vollständig angezogen und mit allem Handgepäck unterm Arm passieren könnte – das würde keiner von den Verantwortlichen wollen. Denn damit würden wir ja nichts mehr mitbekommen von dem ganzen Theater – und die Angst in unseren Köpfen liesse sich gar nicht mehr schüren.

In Socken, ohne Gurt, mit schuldbewusster Miene

Dass die Grundidee der kommerziellen Fliegerei – nämlich eine schnelle und bequeme Transportmöglichkeit zu sein – mit all dem hintertrieben wird und eigentlich längst ruiniert ist, nehmen wir ohne zu murren hin. Wir haben, mit Erich Kästner gesprochen, gelernt, von dem Kakao, durch den man uns zieht, auch noch zu trinken.

Ausserhalb des Fliegens wird diese psychologische Taktik denn auch von Film und Fernsehen unterstützt. Als ich noch klein war, lehrten uns diese, die Welt durch die Augen des unerschrockenen Gerechten à la John Wayne zu sehen. Seit den Siebzigerjahren bildet man uns nicht mehr durch Western, sondern durch Krimis. Und wir haben in über 1000 Tatort-Folgen (und Co.) gelernt, die Welt durch die Augen der Polizei und der Staatsmacht zu sehen. Wir üben den Blick darauf, wer der Böse sein könnte und was er wohl im Schilde führt. Nach neunzig Minuten dann sind wir zurück in der Gewissheit, dass uns die Sicherheitskräfte vor allem Übel beschützen. Und so reihen wir uns anderntags geduldig ein in die Schlange vor dem Security Check am Flughafen und wandern alsbald als lächerliche Gestalten in Socken, ohne Gurt und mit schuldbewusster Miene durch den Scanner, nur um dahinter dann noch durchgefingert zu werden.

Pervers ist nicht, dass dies in keinem Verhältnis zum Nutzen steht. Pervers ist, dass dieses System nur noch kontinuierlich ausgeweitet, aber niemals mehr abgeschafft werden kann. Denn welcher Politiker würde sich getrauen, den ganzen Mist abzustellen und in Kauf zu nehmen, dass dann tatsächlich etwas passiert? Eben.

Shakespeare muss es erahnt haben, als er im Hamlet schrieb: «Ist dies schon Wahnsinn, so hat es doch Methode.»