Flug

London-Heathrow erhält den dritten Runway

Nach jahrelangem Streit hat sich die britische Regierung für den Bau einer dritten Landebahn ausgesprochen.

Trotz Widerstands in den eigenen Reihen will die britische Regierung den Mega-Flughafen London Heathrow ausbauen. Der grösste Airport Europas (75 Millionen Passagiere pro Jahr) soll bis 2025 eine dritte Startbahn bekommen, gab Verkehrsminister Chris Grayling am Dienstag bekannt.

Doch mit Aussenminister Boris Johnson ist eines der prominentesten Kabinettsmitglieder dagegen – ebenso Erziehungsministerin Justin Greening. Johnson meinte, das Projekt Heathrow sei schlichtweg undurchführbar. "Ich glaube, es ist sehr wahrscheinlich, dass es gestoppt wird."

Der prominente Tory-Parlamentarier Zac Goldsmith gab aus Protest sein Mandat zurück – sein Wahlkreis liegt in Heathrow-Nähe. Greenpeace spricht von einer "Vergeudung von Zeit, Geld und Menschenleben".

Die neue Premierministerin Theresa May hat bereits mit dem Thema Brexit einen schweren Brocken zu bewältigen – jetzt dürfte auch das Thema Heathrow für unruhige Zeiten sorgen. Eine endgültige Entscheidung des Parlaments soll es erst im Winter 2017/18 geben. Mit einem Baubeginn wird nicht vor 2021 gerechnet – 2025 könnten dann die ersten Jets von der neuen Bahn abheben.

Heathrow ist näher zu London als Gatwick

"Das ist eine wirklich grosse Entscheidung für unser Land", sagte Grayling. Er machte klar, dass die Entscheidung auch mit dem Brexit zu tun hat. "Es ist die klarste Entscheidung seit dem Referendum, dass Grossbritannien offen für Geschäfte ist".

Der Ausbau Heathrow ist seit Jahren heftig umstritten. Der Airport ist zu 99 Prozent ausgelastet. Auf 23,6 Milliarden Pfund (28,6 Milliarden Franken) werden die Kosten inclusive einer besseren Verkehrsanbindung veranschlagt. Laut Regierung soll der Ausbau bis zu 77'000 neue Jobs in den nächsten 14 Jahren schaffen. Über die nächsten 60 Jahre nach dem Ausbau dürfte die britische Wirtschaft von der dritten Startbahn mit einem Plus von 147 Milliarden Pfund profitieren, rechnete BBC am Dienstag.

Doch es gibt massive Nachteile: Fast 800 Häuser müssten für den Ausbau weichen, Hunderttausende Anwohner müssten mehr Lärm und Luftbelastung ertragen, Experten fürchten jahrelange Protesten einschliesslich juristischer Grabenkämpfe.

Die Alternative heisst eine zweite Runway für Gatwick, hier werden die Kosten auf alles in allem lediglich knapp acht Milliarden Pfund veranschlagt – ein Drittel der Kosten für Heathrow. Zudem müssten in Gatwick weniger Häuser abgerissen werden, dürfte es weniger Proteste geben. Auch Bürgermeister Sadiq Khan ist für Gatwick – doch die britische Wirtschaft und die grossen Airlines sind für Heathrow. Heathrow ist näher zu London, Gatwick liegt schon auf halben Wege nach Brighton. Heathrow ist schlichtweg der "Airport Number One".

Um den Streit zu entschärfen, hatte sich May zu einem eher ungewöhnlichen Schritt entschieden: Sie gibt ihren Widersachern praktisch freie Bahn. Diese hätten "aussergewöhnliche und begrenzte" Freiheiten, ihre Empfehlung zu kritisieren, meinte May kürzlich – nur eine Kampagne gegen sie führen dürfen die Startbahn-Gegner nicht. Das erinnert ein wenig an die Freiheiten, die Mays Vorgänger, David Cameron, seinen Ministern in Sachen Brexit zugestanden hatte. Am Ende gewannen die EU-Gegner die Schlacht.

(AWP/TN)