Flug

Die virtuelle Airline FlyBair wurde vor allem wegen Corona nie richtig flügge. Nun steht ein Verkauf an. Bild: FlyBair

«Ohne FlyBair gäbe es heute nicht 12 Flugziele ab Bern»

Jean-Claude Raemy

Die virtuelle Berner Fluggesellschaft FlyBair will ihre «grossen Herausforderungen» durch einen Verkauf lösen. Gab es keine anderen Optionen? Travelnews hat mit VR-Präsidentin Andrea Wucher gesprochen.

Dass bei FlyBair nicht alles zum Besten steht, war im Nachgang zur zweiten ordentlichen Generalversammlung am 30. Juni 2022 schon durchgesickert. Doch erst gestern (7. Juli) wurde im Rahmen einer Medienmitteilung klar, wie es um die 2019 gegründete und per Crowdfunding finanzierte virtuelle Berner Airline steht. Konkret teilt die Gesellschaft mit:

«Nach einem coronabedingten äusserst schwierigen Start im Jahr 2020 und einer Fortsetzung der Corona-Problematik im 2021 steht die FlyBair AG vor grossen Herausforderungen. Zum Planungszeitpunkt für die Sommersaison 2022 zeigte sich das gleiche Bild wie Ende 2020: Die Unsicherheiten waren Ende des letzten Jahres weiterhin hoch. Ohne eigenes Fluggerät blieb FlyBair nur die Option, Flugzeuge zu chartern. Flüge im komplett eigenen Risiko anzubieten, erachtete der Verwaltungsrat aufgrund der Unsicherheiten, der Kapitalisierung der FlyBair und den neuen Angeboten der Konkurrenz als nicht vertretbar und hat entschieden, auch 2022 keine eigenen Flüge anzubieten, die Betriebskosten so weit wie möglich zu reduzieren, um das Kapital der FlyBair zu schonen, und die strategische Ausrichtung von FlyBair zu überprüfen.»

Bei letzterem Punkt gibt es auch bereits Bewegung. Gegenwärtig prüfe der Verwaltungsrat das Übernahmeangebot eines strategischen Partners; nach Abschluss der Verhandlungen wird über das Ergebnis informiert.

Kapitalerhöhung war keine Option

Andrea Wucher

Travelnews hat sich hierzu mit Andrea Wucher, der Verwaltungsratspräsidentin der FlyBair AG, telefonisch unterhalten. Sie hält fest, dass die vom Verwaltungsrat gestellten Anträge - das waren die für eine GV üblichen traktandierten Anträge, aber eben auch der Antrag zu Sanierungsmassnahmen - vom Aktionariat allesamt mit grosser Mehrheit akzeptiert wurden. Die angetönte «Sanierungsmassnahme» ist im Prinzip ein Verkauf an einen bereits bestehenden Interessenten, der noch nicht namentlich genannt wird, aber mit welchem man «noch im Verlauf des August» übereinkommen wolle, so Wucher. Scheitert dieser Verkauf, werde die FlyBair AG auf Ende Jahr hin aufgelöst.

Aktuell bietet FlyBair über die eigene Web-Plattform vier Flugziele an (Lübeck, Palma, Jerez und Olbia), in Zusammenarbeit mit Lübeck Air. Die Bewirtschaftung der Buchungsplattform wurde an das Berner Reiseunternehmen Belpmoos Reisen ausgelagert (Travelnews berichtete), welches wiederum vom früheren FlyBair-CEO José Gonzalez geführt wird. Ob Belpmoos sich gleich die ganze virtuelle Airline sichert? Dazu gibt es keinen Kommentar. Sicher ist, dass vorläufig normal weiter verfahren wird, «da wir die Kosten auf Null heruntergefahren haben», wie Wucher festhält.

Hätte es ausser einem Verkauf denn keine andere Option zur Sanierung gegeben? «Eine Kapitalerhöhung wurde geprüft und vom Verwaltungsrat verworfen», sagt Wucher. Zur Erinnerung: Per Crowdfunding kamen relativ schnell 1,6 Millionen Franken zusammen. Doch nach dem verheissungsvollen Start kam Corona, und damit im ersten Jahr ein fast kompletter Ertragsausfall - lediglich 33 Rotationen konnten geflogen werden (Travelnews berichtete). Deshalb wurde auch die Kapitaldecke immer dünner. Eigene Charter aufzulegen, war schnell einmal kein Thema mehr. In diesem Jahr, wo sowohl Hotelplan Suisse als auch TUI Suisse Vollcharter ab Bern anbieten, war das erst recht keine Option: «Es machte betriebswirtschaftlich einfach keinen Sinn, diese Angebote zu konkurrenzieren, was zudem nur über einen Preiskampf gegangen wäre», analysiert Wucher.

Stolz auf die eigenen Leistungen

Man könnte sagen, FlyBair habe einfach den falschen Zeitpunkt für den Start erwischt - Corona hat laut Wucher das Business komplett ruiniert. Dass das Problem am Standort Bern liege - man erinnert sich an diverse Pleiten von in Bern basierten Airlines, zuletzt etwa jene von Skywork - lässt die Berner Unternehmerin nicht gelten: «FlyBair hat bewiesen, dass es Nachfrage und Potenzial gibt für Fliegerei ab Bern. Ohne FlyBair gäbe es in diesem Sommer nicht 12 Destinationen, die ab Bern angeflogen werden. »

Eine Entwicklung, die also FlyBair angestossen hat, jedoch von welcher man, zumindest in der aktuellen Form, nicht wirklich Kapital schlagen wird.