Flug

Warteschlangen gehören zur Flugreise gewissermassen dazu - natürlich gerne überschaubare. Bild: AdobeStock

Kommentar Es gibt kein generelles Flugchaos in Europa

Jean-Claude Raemy

Man könnte meinen, die Sommerferienperiode werde überall und ausnahmslos zum grässlichen Spiessrutenlauf. Vielleicht sollte man auch darauf hinweisen, dass an vielen Flughäfen die Situation unter Kontrolle ist.

Zurzeit läuft nicht alles rund in der Luftfahrt. Die Planung ist aufgrund des kurzfristigen Buchungsverhaltens sowie einer angespannten Situation im Personalbereich alles andere als einfach. Viele Flüge werden kurzfristig gestrichen. An manchen Airports bilden sich lange Warteschlangen. Bei manchen Fluggesellschaften wie Ryanair, Easyjet oder SAS drohen Streiks (Travelnews berichtete), bei British Airways wurden solche inzwischen auch angekündigt.

Der Fokus vieler Medien liegt verständlicherweise auf diesem Problem, das gilt auch für Travelnews. Doch irgendwie wird uns die dauernde Berichterstattung im ganzen medialen Spektrum - von linken zu rechten Blättern, vom Boulevard bis zum Intellektuellen-Magazin, und in Sozialen Medien sowieso - zum bevorstehenden «Flugchaos-Sommer» langsam etwas zu viel. Die Leserinnen und Leser schweizweit müssen das Gefühl haben, dass überall komplettes Chaos herrscht und die Situation bei Airlines und Airports vollständig ausser Kontrolle ist.

Warteschlangen, Gepäckverluste, Annullierungen - dies die Probleme, welche in zahllosen Artikeln beschrieben werden. Tatsächlich scheint es so, dass die Situation in Grossbritannien extrem prekär ist und aufgrund von Personalmangel wie auch Streiks schon vor und noch bis in die Sommersaison hinein extrem angespannt sein wird - zumal nun auch noch im Bahnverkehr gestreikt wird. Bei Travelnews hören wir aber auch von Personen, die in den vergangenen Wochen relativ problemlos nach (und von) London, Manchester oder Edinburgh geflogen sind. Darüber hinaus ist auch viel vom Chaos in Amsterdam die Rede. Klar, extem lange Schlangen sind belegt und KLM war sogar genötigt, Flüge zu annullieren, damit das Chaos nicht noch grösser wird. Aber viele Personen sind in dieser Zeit auch relativ gut via Amsterdam in die Welt geflogen. Dass manche dabei ihren Koffer am Endziel nicht erhielten, ist für diese natürlich ärgerlich. Aber solche Probleme gab es doch auch schon früher, ohne dass damit gleich grosse Stories entstanden, und es ist ja nicht so, dass niemand seinen Koffer nach dem Transit in Amsterdam erhielt...

Ja, auch in Zürich kam es in den vergangenen Wochen hie und da zu längeren Schlangen, sowohl beim Check-in als auch bei der Sicherheitskontrolle. Ich bin selber letzte Woche geflogen. Die Kolonne bei der Security war tatsächlich länger als üblich, die Wartezeit betrug 10 Minuten statt der üblichen 2-3 Minuten. Ein echtes Problem sieht anders aus. Womit wir nicht sagen, dass es keine Herausforderungen gibt. Gewiss könnten sich jetzt einige melden, welche jüngst ein unerfreuliches Erlebnis an einem europäischen oder gar schweizerischen Flughafen hatten. Hierzu Folgendes: Nicht jedes Problem muss medial aufgebauscht werden; zu einer Reise gehören nun mal auch Unwägbarkeiten. Dass in der Regel alles einwandfrei funktioniert, ist eine ungeheure logistische Leistung. Wenn mal etwas nicht funktioniert, ist das unschön und entspricht nicht unseren Servicevorstellungen, aber sowas kommt nun eben mal vor. Das ganze Bodenpersonal zusammenzustauchen hilft niemandem! Und die Bilder von langen Schlangen, welche schnell entstehen, wenn an einem grossen Flughafen mal etwas nicht ganz nach Plan verläuft, sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass der grösste Teil aller Tausenden Flüge täglich recht problemlos über die Bühne gehen.

Reisen Sie clever!

Viele Schweizer werden in diesem Sommer ab Zürich nonstop - also nicht via den Hubs London oder Amsterdam - in die Ferien fliegen. Swissport unterstreicht, dass für die Sommersaison grundsätzlich genügend Personal bereit ist, und hat einige «neuralgische Daten» identifiziert, an denen viel los sein und somit Geduld gefragt sein wird (Travelnews berichtete). Von der Kantonspolizei, welche die Sicherheitskontrollen durchführt, kam bislang auch keine gegenteilige Meldung. Und die Zielflughäfen in Spanien, Griechenland und anderswo melden bislang «courant normal» - auch dort hin und wieder mit dem einen oder anderen Problem, gewiss, etwa auf Mallorca, wo die Streiks von Easyjet und Ryanair auch grosse Auswirkungen haben werden. Aber von einer «Situation ausser Kontrolle» und einem sicheren, dauerhaften Flugchaos kann doch keine Rede sein. Und auch wenn Bekannte auf Social Media ein Bild einer langen Schlange in Hamburg, Palma oder Dubai posten, so sagt dies nichts über die generelle Flugsituation am Himmel und in allen Airports der Welt aus.

An dieser Stelle sei nochmals daran erinnert, dass die Flugpassagiere selber einen Beitrag leisten können, damit es nicht zum grossen Chaos kommt. Online einchecken, sofern möglich auch schon gleich das Gepäck von zuhause aus einchecken, vorbereitet an den Flughafen kommen - will heissen: Früh genug und unter Berücksichtigung der geltenden Regeln für Handgepäck, welche auf jeder Airline-Website auffindbar sind - und genügend Zeit einberechnen, um das eigene Nervenkostüm zu schonen. Wenn sich alle daran halten, ist schon viel erreicht. Travelnews hat neulich bereits Tipps dazu abgegeben, wie früh man am Flughafen sein sollte, und darauf hingewiesen, dass es keinen Anspruch auf Entschädigung gibt, wenn der Flug infolge einer langen Warteschlange verpasst wurde. Reisen sie clever! Auch wenn Flugreisen heutzutage so normal sind wie Tramfahren, so sind sie eben doch noch etwas umständlicher. Und dafür sollte man vorbereitet sein.

Wir wünschen gute Ferien! Lassen Sie sich nicht verunsichern, aber seien Sie gut vorbereitet für Ihre Reise!