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Marco Willa in der Swiss-Zentrale in Kloten: «In den letzten Wochen hat sich bei Swiss die Buchungslage für viele wichtige Märkte weiter deutlich verbessert.» Bild: JCR

«Langfristig werden die Preise wohl wieder steigen»

Jean-Claude Raemy

Seit einem halben Jahr ist Marco Willa neuer Head of Regional Sales Switzerland bei Swiss und damit für den Verkauf, die Vertriebssteuerung und den Vertriebsservice sämtlicher Lufthansa Group Airlines im Markt Schweiz verantwortlich. Travelnews hat sich mit ihm über aktuelle Herausforderungen, technologische Neuerungen, Treibstoffpreise, das Verhältnis zum Trade und mehr unterhalten.

Herr Willa, Sie sind seit einem halben Jahr für den Verkauf und die Vertriebssteuerung bei Swiss tätig. Sie haben mitten in einer Krisenzeit angefangen, aus welcher wir nun aber langsam herauskommen. Welches sind aktuell Ihre aktuellen Themen auf dem Tisch, und dabei die grössten Herausforderungen?

Als Head of Sales bei Swiss ist es meine Aufgabe, Umsatz zu generieren. Das war in den letzten beiden Jahren nicht ganz einfach. Das grösste Problem hierbei ist die Volatilität, also die sich stets ändernde Marktlage, wie zum Beispiel die Pandemie mit der Omikron-Variante oder auch der aktuelle Krieg in der Ukraine. Diese Themen beschäftigen zurzeit die ganze Reisebranche. Als Airline müssen wir dieser Unsicherheit und Volatilität nun entgegentreten, indem wir versuchen, etwas Planungsstabilität hinzukriegen. Im Sommer werden wir bei Swiss 80 Prozent der Kapazität im Vergleich zu 2019 anbieten können.

Wie kommt diese Zahl zustande?

Diese Zahl setzt sich aus von uns ausgearbeiteten Szenarien zusammen, welche die weitere Entwicklung im Bereich Corporate Travel, Leisure- und VFR-Travel prognostizieren. Mit diesen Informationen entwickeln wir anschliessend unsere Planungsszenarien.

Das ist kein eigentlicher Sales-Job.

Das ist korrekt. Aber wir müssen das Markt-Feedback an das Revenue Management und an die Netzwerk-Planung weitergeben, wie beispielsweise die Information, dass die Buchungen immer kurzfristiger hereinkommen. Dieses Feedback ist im Vergleich zu den vergangenen Jahren noch relevanter geworden. Man kann sagen, dass die Situation der vergangenen zwei Jahre unser Unternehmen intern noch näher hat zusammenwachsen lassen.

Um auf die erste Frage zurückzukommen: Wir waren im dritten Quartal im letzten Jahr profitabel. Unser oberstes Ziel ist es nun, in diesem Jahr keine Verluste mehr zu schreiben und in die Profitabilität zurückzukehren. Einzig wegen der anhaltenden Volatilität gibt es noch offene Fragen, primär hinsichtlich der Entwicklung von Nachfrage, Preisen und Kosten.

Sie schneiden gerade drei grosse Themenfelder an. Beginnen wir bei den Kosten. Die grösste Angst liegt hier vor allem in steigenden Treibstoffpreisen infolge der volatilen Rohölpreise. Was können Sie hierzu sagen?

Generell gilt, dass wenn ein Ticket ausgestellt ist, am Preis nachträglich sicher nichts mehr geändert wird. Denn es wurde ein verbindlicher Vertrag abgeschlossen. Für Kunden, die direkt bei uns buchen,  gibt es da kein Risiko. Anders verhält es sich, wenn das Ticket über einen Touroperator gebucht wurde. Wenn man jetzt bucht, das Ticket aber erst zwei Wochen vor Abreise, also zu einem zukünftigen Zeitpunkt, ausgestellt wird, kann sich der Preis ändern. Der Touroperator muss dann mit einer Preisfluktuation rechnen.

Wird das im «Treibstoffzuschlag» abgebildet?

Die so genannte «International Surcharge» ist eine Mischrechnung. Darin sind nicht nur die Treibstoffkosten, sondern Zusatzkosten abgebildet. Hinzu kommen zudem die Steuern und Gebühren, also Flughafentaxen und behördliche Abgaben, welche die Airline nicht beeinflussen kann. Für den Endkonsumenten ist der Gesamtpreis entscheidend. Wenn wir jetzt also von Preiserhöhungen sprechen, dann können diese unterschiedlich ausgespielt werden: Entweder in der «Base Fare» integriert oder über die «International Surcharge». Swiss ist beim Treibstoff aktuell zu 60 Prozent über Hedging abgesichert, es gibt also einen Verzögerungseffekt, wonach steigende Treibstoffpreise nicht sofort im Preis abgebildet werden. Aktuell werden die Preisfluktuationen durch das Hedging stabilisiert.

Aber die Preise dürften tendenziell steigen?

Ja, wir rechnen damit. Wenn die Ukraine-Krise länger andauert und der Treibstoffpreis weiterhin steigt, werden wir mittelfristig die Preise anpassen müssen. Eine konkrete Angabe zu machen, ist aber nicht möglich. Denn der Preis widerspiegelt nicht nur die Treibstoffkosten, sondern auch das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage. Sollte die Nachfrage im Sommer extrem hoch sein, werden die Preise für jene, die spät buchen, natürlich höher sein als für jene, die bereits jetzt buchen.

«Der Einbruch der Nachfrage scheint überwunden zu sein.»

Wie sieht denn die Nachfrage, generell gesprochen, aktuell aus?

Im ersten Quartal gab es wegen der Omikron-Variante und dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs einen kurzfristigen Einbruch in der Nachfrage, gemessen an unserer Planung. Doch diese scheint überwunden zu sein, denn wir können für die Oster- und Sommerferien bereits jetzt eine sehr hohe Nachfrage verzeichnen. Sprich, im zweiten Quartal bewegen wir uns auf Kurs. Wir müssen nun hoffen, dass der Krieg nicht weiter eskaliert und sich auf das Fluggeschäft auswirkt.

Was wird denn aktuell am meisten gebucht, bei den Destinationen?

In den letzten Wochen hat sich bei Swiss die Buchungslage für viele wichtige Märkte weiter deutlich verbessert. Hiervon haben sowohl Europa als auch einige Langstreckenmärkte profitiert, wie z.B. Indien, Bangkok, Dubai und die USA. In Europa sind die traditionellen Ferienziele Italien, Griechenland, Portugal und Spanien über Ostern und die kommenden Ferien gut nachgefragt. Die sehr hohe Nordamerika-Nachfrage ist natürlich erfreulich.

Preisaktionen wird es demnach auch noch geben?

Auf jeden Fall, denn wir möchten unserer Kundschaft im Wettbewerbsumfeld attraktive Preise anbieten.

Bislang sprachen wir primär von Leisure. Wie sieht die Nachfrage im Corporate-Bereich aus?

Vor der Pandemie war etwa jeder dritte Kunde ein Corporate-Traveller. Jetzt ist es etwa jeder Zehnte. Das ist ein massiver Unterschied. Der Anteil Leisure und VFR hat also in den letzten zwei Jahren deutlich zugelegt. Zwar steigt die Nachfrage nun wieder etwas, nachdem vor allem grosse Corporate-Kunden während der Pandemie extrem restriktiv waren in Bezug auf Auslandreisen. Doch das Vor-Pandemie-Niveau wird wohl nicht mehr erreicht. Wir planen langfristig damit, dass rund 20 Prozent der Corporate-Kundschaft nicht mehr zurückkommen. Das Feedback unserer Kundschaft ist, dass sie in Zukunft auf gewisse Reisetätigkeiten verzichten werde. Hierbei handelt es sich vor allem um Reisen für firmeninterne Termine, die durch virtuelle Meetings ersetzt werden. Anders sieht es bei Meetings mit Kunden im Ausland aus. Dort spüren wir, dass sie zurückkommen.

«Wir planen langfristig damit, dass rund 20 Prozent der Corporate-Kundschaft nicht mehr zurückkommen.»

Sprechen wir mal über den Vertriebsmix nach Kanälen. Hat sich dieses Verhältnis in den letzten zwei Jahren verändert?

Was ich sagen kann ist, dass 80 Prozent der Buchungen während der Krisenzeit über direkte Kanäle erfolgten, also über unsere Websites wie swiss.com oder über NDC-Kanäle. Die restlichen Buchungen kamen über B2B-Kanäle herein.

Wird sich das jetzt mit dem Ende der Covid-Krise wieder ändern?

Teilweise ja, weil sich wie das Corporate-Geschäft etwas erholen wird und dieses noch eher über die traditionellen Kanäle gebucht wird. Aber es wird nicht zu einem 50:50-Verhältnis zurückgehen. Den Grossteil der Buchungen machen auch künftig die Direktbuchungen aus.

Das heisst aber nicht, dass der stationäre Vertrieb so viel schwächer geworden ist - ein Teil derer Buchungen wird nun einfach über NDC-Kanäle abgewickelt.

Das stimmt. Genaue Zahlen können wir hierzu nicht preisgeben. Aber es ist klar, dass gerade die grossen Player in der Touristik alle über NDC-Lösungen verfügen und entsprechende Volumina liefern. Diese schätzen die Vorteile, welche die NDC-Buchungen bieten.

Wo sind denn darin die OTAs?

Wie bereits erwähnt, zählen wir zu den 80 Prozent unserer Direktverkäufe die Buchungen über .com sowie die Direct NDC API. Da inzwischen eine Vielzahl der OTAs über NDC-Lösungen Zugriff auf unsere besten Angebote hat, tragen sie natürlich zu diesem hohen Wert bei.

Kann man sagen, die OTAs haben volumenmässig die Grossveranstalter abgehängt?

Gerade in Zeiten der Pandemie und die in vielen Ländern der Welt verhängten Lockdowns haben wir gesehen, dass die OTAs an Bedeutung gewonnen haben. Diese Zeit haben viele OTA-Partner auch genutzt, um mit uns gemeinsam NDC-Anbindungen zu entwickeln oder entsprechende Funktionalitäten aufzurüsten, um für den Wiederaufschwung gewappnet zu sein. Inzwischen sehen wir aber auch wieder einen deutlichen Anstieg der Buchungen für den kommenden Sommer bei klassischen Grossveranstaltern, so dass diese Frage nicht pauschal beantwortet werden kann, sondern abhängig von vielen Faktoren ist. Generell freuen wir uns über jeden Partner, der ein digitales Air Retailing im Sinne unserer gemeinsamen Kunden ermöglicht.

Was sagen Sie zu den Servicing-Problemen während der Pandemie?

Servicing war gerade in dieser unerwarteten Krise eine unserer grössten Herausforderungen, vor allem im B2C-Bereich und mit Blick auf die Erstattungsanfragen zu Beginn der Pandemie.

Seit Ende 2021 haben wir die Kapazitäten in unseren internen und externen Service Centers signifikant erhöht und werden bedarfsgerecht weiter rekrutieren. Gleichzeitig haben wir unsere Systeme aufgerüstet, um Prozesse wie beispielsweise bei den Erstattungen zu automatisieren. Das B2B-Servicing hat aus meiner Sicht sehr gut funktioniert, nicht zuletzt, weil wir auch dort investiert haben. Das Call-Center ist in Basel und war auch während der Krisenzeit sehr gut erreichbar. Das Feedback von Seiten der Key-Account-Partner war diesbezüglich auch gut.

«Das B2B-Servicing hat aus meiner Sicht sehr gut funktioniert.»

Vertiefen wir mal das Thema NDC. Was darf man in diesem Bereich noch erwarten?

NDC ist in den letzten Monaten zum «New Normal» geworden, und wir haben selbst während der Krise in diese Technologie investiert. Aktuell gibt es immer noch die drei Verbindungsmöglichkeiten via Direct API, das webbasierte SPRK und Lösungen über Travel-Tech-Provider als Aggregatoren. Zusätzlich zu den bekannten Verbindungsmöglichkeiten konnten wir auch neue kommerzielle Verträge mit Sabre und mit Travelport abschliessen, die uns neue Vertragsmodelle ermöglichen, konkret «NDC Public» und «NDC Bilateral». Damit stellen wir die kommerziellen Weichen für einen globalen, skalierbaren Zugang zu unseren NDC-Angeboten. Wir erwarten einen technischen Pilot-go-live in den kommenden Monaten mit anschliessendem, graduellem Ausbau. Mit dem dritten grossen GDS Amadeus sind wir hierzu noch in Diskussionen.

Sie haben in die technologische Weiterentwicklung von NDC investiert. Gibt es hierzu ein konkretes Beispiel?

Da sprechen wir über alle Bausteine im Bereich Content, welche weiterentwickelt werden. Beispiel: Das «Continuous Pricing». Diese von der Swiss erfundene Technologie wurde inzwischen für die ganze Lufthansa Group ausgerollt und ist während der Krise flächendeckend live gegangen. Damit hat man bei Buchungen über NDC oder über die .com-Kanäle einen Preisvorteil gegenüber einer GDS-Buchung. Was die «Smart Offers» angeht - Ancillaries, Bundles etc. - so sind wir noch an der Ausarbeitung und Weiterentwicklung.

Wie ist das Feedback zum Continuous Pricing aus der Branche?

Wir haben wenig Feedback erhalten. Es handelt sich um einen Preisvorteil, der dynamisch zum Tragen kommt, aber der Vergleichswert wird im Tool nicht direkt ersichtlich. Die Ersparnis sieht man nur, wenn man parallel dazu dieselbe Buchung im GDS vornehmen würde. Continuous Pricing ist für uns ein Erfolg.

Wo wir schon bei Themen sind, die für Diskussionsstoff in der Branche sorgen: Was ist mit der Distribution Cost Charge (DCC)? Diese war einst ein «erzieherisches Mittel» und wurde zuletzt im September 2020 erhöht. Stehen da allenfalls weitere Erhöhungen an? Braucht es die DCC überhaupt noch?

Die DCC war kein Umerziehungs-Tool. Vielleicht hatte sie einen Umerziehungs-Effekt, aber die Absicht war lediglich, die GDS-Kosten transparent zu machen. Die damals von der Lufthansa Group festgelegten 16 Franken waren die effektiven Kosten, welche uns die GDS verrechneten. Wir konnten und wollten nicht einfach irgendeinen Wert nehmen.

Die letzte Anpassung ist schon eine Weile her. Ob es wieder eine Erhöhung geben wird,  hängt von der weiteren Preisentwicklung der GDS ab. Wir halten uns einen solchen Schritt also offen, aber er hat nicht zwingend zu erfolgen.

Hat es aufgrund der neuen Agreements mit den GDS da nicht etwas «Entspannung» und ein verringertes Risiko weiterer Preiserhöhungen gegeben? Klar, bei diesen ging es um NDC-Lösungen und nicht um den herkömmlichen GDS-Vertrieb, aber trotzdem...

Wir haben gute Beziehungen zu den GDS. Aber man muss weiterhin unterscheiden zwischen dem GDS-Provider als Tech-Unternehmen - in Sachen NDC - oder eben als GDS mit einer proprietären Vertriebslösung. Das sind kommerziell zwei verschiedene Diskussionen. Die DCC ist an Zweites gebunden, weshalb sich da weitere Veränderungen ergeben können.

«Wir stellen die kommerziellen Weichen für einen globalen, skalierbaren Zugang zu unseren NDC-Angeboten. »

Kommen wir zum scheinbar ewigen Thema «Verhältnis mit dem stationären Trade». Da gab es ja in den vergangenen Jahren immer wieder Scherereien und bei Reisebüros wird immer noch gerne gegen Swiss «Bashing betrieben». Wie ist Ihr Verhältnis zum Trade?

Seit ich angefangen habe, wurde ich stets mit offenen Armen empfangen - ich war leider nicht überall, aber gerade das Verhältnis mit den grossen Trade-Partnern, also den Reiseveranstaltern, ist sehr gut. Wir haben uns über operationelle und kommunikative Probleme ausgetauscht. Ich stelle mich dem Dialog, wie zum Beispiel im Rahmen eines Mayday-Calls, der am 30. März stattfindet. Bei meiner Teilnahme an der SRV-GV in Ras-al-Khaimah konnte ich erfreuliche Gespräche führen und mit wichtigen Partnern austauschen. Es gibt teils gegensätzliche Positionen. Aber wir sitzen im gleichen Boot und wollen Kunden, die verreisen wollen, einen guten Service bieten. Dafür müssen wir zusammenhalten. Wir brauchen einander.

Wer braucht wen mehr?

Das ist nicht die richtige Frage. Die Frage muss lauten: Wie schaffen wir es gemeinsam, eine optimale Dienstleistung für die Kundschaft zu erbringen und unsere Partnerschaft weiter zu entwickeln? Dafür bin ich bereit Hand zu bieten.

Was ist mit dem Reizthema «ADM»?

ADMs sind ein Industriestandard, an dem wir festhalten werden. Dies ist einfach notwendig, um im Falle eines Betruges wieder an unser Geld zu kommen. Schweizer Agenten sind in der Regel sehr gut ausgebildet und wir hoffen, dass es möglichst wenige ADM-Themen geben wird. Ganz weggehen werden diese aber nicht. Auch für uns sind diese ADM-Themen genauso wie bei den Agenten mit einem Mehraufwand verbunden. Übrigens wurden die Corona-bedingten ADM-Fälle alle abgearbeitet.

Was ist mit den sonstigen Corona-bedingten Refund-Themen?

Insgesamt hat Swiss seit Januar 2020 weltweit nahezu 2,2 Millionen Anträge bearbeitet und Rückerstattungen im Wert von fast, 1,1 Milliarden Franken vorgenommen. Damit sind nahezu 100 Prozent der Erstattungsanfragen abschliessend bearbeitet, die von Januar 2020 bis Januar 2022 eingegangen sind. Offen sind noch einzelne komplexe Fälle der letzten Monate.

«Es gibt mit dem Trade teils gegensätzliche Positionen. Aber wir sitzen im gleichen Boot.»

Kommen wir noch zum Thema Nachhaltigkeit. Die Swiss ist hier sehr aktiv, etwa in Sachen Biotreibstoff. Merken Sie aber auch auf der Verkaufsseite, dass es hier einen Trend gibt?

Das Thema ist für uns als Unternehmen äusserst wichtig. Die oberste Priorität neben «Profitability» ist «Sustainability». Letztere ist für Swiss zentral, denn wir  haben uns ambitionierte Klimaziele gesetzt und wollen bis 2030 schon 50 Prozent des CO2-Ausstosses gegenüber 2019 reduzieren. Für 2050 sind Netto-Null CO2-Emissionen unser Ziel. Zur Frage, ob das auch für Konsumenten gleich wichtig ist, kann ich sagen, dass wir gemeinsam mit Compensaid freiwillige Emissions-Kompensationen für die Endkunden anbieten. Derzeit liegt die Nutzung des Angebots bei ca. 1 Prozent der Buchungen, welche auf unserer Webseite eingehen. Das Angebot wurde grundsätzlich sehr gut aufgenommen und erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Die Gesamtnutzung ist allerdings noch sehr verhalten, wir wünschen uns natürlich eine noch grössere Akzeptanz.

Haben Sie da nicht auch eine Aufgabe im Sales, um das zu verbessern?

Doch. Es ist Aufgabe des Sales, vermehrt Verkäufe von SAF [Sustainable Aviation Fuels] an die B2B-Kundschaft zu bringen. Sprich, es ist aktuell vor allem ein Corporate-Thema. Viele Firmen haben sich CO2-Reduktionsziele gesetzt. Das führt schnell zu Diskussionen bei den Geschäftsreisen und folglich auch mit den Airlines. Wir empfehlen dann, SAF bei Swiss zu kaufen und damit ein Zertifikat zu erhalten. Solche Gespräche finden nun statt. Je grösser die Firma, desto relevanter. Natürlich ist das aber nicht auf Firmenkunden beschränkt, das können auch Reiseveranstalter-Kunden sein, die SAF kaufen und damit ihren Beitrag zum nachhaltigeren Reisen leisten.

Wird so etwas nicht auch proaktiv beim Endkonsumenten probiert?

Wir werden das in den Buchungsablauf integrieren - aktuell ist es das im Prinzip schon, doch via Popup-Link. Hier arbeiten wir aktuell an Lösungen. Unsere Kundschaft soll wählen können, ob sie in ein CO2-Reduktions-Projekt investiert wollen, zum Beispiel Aufforstungsprojekte, oder eben SAF kaufen, was aktuell die teurere Variante ist. Wir wollen auf jeden Fall eine bessere «Conversion Rate» auch bei Endkunden erzielen. Aber der grösste Anteil der finanziellen Umweltschutzbeiträge wird wohl auf Firmenseite bleiben.

Wenn niemand mitmacht, wird man früher oder später gezwungen sein, die SAF-Beiträge nicht mehr freiwillig zu machen...

Als einzelner Carrier kann man hier aber nicht so vorgehen. Es ist ein globales Thema und sollte auch global umgesetzt werden. Das ist bringt aktuell noch Schwierigkeiten mit sich. Es wäre schön, wenn auch die Konsumenten ihre Umwelt-Verantwortung wahrnehmen.

«Der grösste Anteil der finanziellen Umweltschutzbeiträge wird wohl auf Firmenseite bleiben.»

Noch etwas zu den Produktklassen. Swiss hat vor wenigen Wochen die neue Premium Economy lanciert. Ein Game-Changer?

Eindeutig, denn die Nachfrage nach Premium ist während der Krise gestiegen. Damit meine ich alle Premium-Klassen, also First, Business und eben auch Premium-Economy. Die neue Reiseklasse ist in erster Linie für Economy-Passagiere einschliesslich der Ferienreisenden gedacht, die sich etwas mehr Komfort und Privatsphäre wünschen. Und auch bei der Business Class haben wir trotz des Nachfragerückgangs bei den Geschäftsreisenden eine starke Nachfrage festgestellt, die immer grösser als das Angebot war.  

Gibt es auch wirklich noch Nachfrage für First? Viele Airlines haben diese Klasse ja aufgegeben.

Absolut. Wir sind sogar die einzige Airline weltweit, welche auf allen Flügen mit einem Langstreckenflugzeug konsequent eine First Class anbietet.

Die Frage rührt daher, dass zuletzt die Business-Preise recht heruntergekommen waren, sich quasi Eco-Tarifen angenähert hatten, und deshalb die First preislich eine sehr hohe Differenz zur Business darstellte, was vielleicht nicht immer gut zu rechtfertigen war. Aber dem First-Class-Markt bei Swiss tat dies offenbar keinen Schaden.

Der Trend bei den Business-Preisen ging ganz klar nach unten. Vor der Krise gab es in Europa sehr viele Kapazitäten. In der Krise hat sich der Preisdruck infolge gesunkener Kapazitäten etwas gelöst, doch der Druck steigt nun wieder an. Wie sich die Preise Flugklassen-spezifisch entwickeln, lässt sich nicht einfach voraussagen. Auch der Wettbewerb bleibt hart. Hinzukommen Themen wie Treibstoffpreise und Nachhaltigkeit. Grundsätzlich ist die kurz- und mittelfristige Preisentwicklung immer eine Frage von Angebot und Nachfrage. Langfristig gehen wir davon aus, dass die Preise wieder steigen werden.