Flug

Inhaber Martin Ebner (l.) und CEO Tobias Pogorevc von Helvetic Airways vor einer Embraer E195-E2: Grundsolide Schweizer Qualität ist ihr Credo. Bild: JCR

Helvetic Airways hat alles richtig gemacht

Jean-Claude Raemy

Die Schweizer Fluggesellschaft schaut trotz aller Pandemie-Probleme zuversichtlich in die Zukunft. Die Airline besitzt die richtige Flotte, hat einen grundsoliden Eigentümer und konnte mit Swiss wieder einen grösseren Wet-Lease-Vertrag aushandeln. Für die Leistungen der letzten Jahre wurde Inhaber Martin Ebner, stellvertretend für das ganze Unternehmen, mit einem brasilianischen Verdienstorden ausgezeichnet.

Die Spannung unter den Journalisten war gross, als Helvetic Airways gestern (1. März 2022) in die Werft 141 am Flughafen Zürich einlud. Würde etwas Neues kommuniziert oder über den Zwist zwischen Helvetic und Swiss aufgeklärt? Es gab ein bisschen von beidem, doch primär ging es darum zu dokumentieren, wie Helvetic durch die Krise gekommen ist und wie (gut) man für die kommende Zeit gewappnet ist.

Den Auftakt machte ein Rückblick von Inhaber Martin Ebner, welche die 2003 gegründete Airline - Gründer Bruno Dobler war mit unter den Gästen - im Jahr 2006 übernahm und von einer Low-Cost-Airline in eine «Convenience Airline» umwandelte. Heute sind unter dem Dach der Holdinggesellschaft Helvetic Airways Group drei Entitäten: Die Helvetic Aircraft AG, eine 100%-Tochter von Ebners Firma Patinex AG, in welcher die zwölf Flugzeuge der Helvetic Airways sowie die 12 Optionen gebündelt sind. Dann natürlich die Helvetic Airways selber sowie die Horizon Swiss Flight Academy, deren Leiter Ron Teichmann ein paar Worte über das Unternehmen, quasi interviewt von Ebner, loswerden konnte. So erfuhr man beispielsweise, dass trotz der Krise in der Luftfahrt in der Pilotenausbildung keine Flaute herrscht: Aktuell sind 160 Piloten bei Horizon in der Ausbildung, wo pro Jahr rund 25-30 Piloten ihre Lizenzen erhalten.

Ebner führte weiter durch die Geschichte der Helvetic Airways, erwähnte also Phase-in und Phase-Out der früheren Flugzeugtypen Fokker 100 oder Airbus A319, sowie natürlich den Entscheid, voll auf Embraer zu setzen. Die gesamte Flotte der Helvetic Airways besteht inzwischen aus Embraer-Flugzeugen, nämlich acht E190-E2 und 4 E195-E2. Für die wertvolle Partnerschaft mit der brasilianischen Gesellschaft wurde Ebner übrigens kurz darauf vom aktuellen Botschafter Brasiliens in der Schweiz, Evandro Didonet, mit dem Verdienstorden «Rio-Branco-Orden» ausgezeichnet. Ebner rief für die obligate Fotosession dann CEO Tobias Pogorevc sowie Projektleiter Bruno Jans, welcher die Einflottung der Embraer massgeblich begleitete, mit nach vorne.

Freude über den Rio-Branco-Orden bei (v.l.) Tobias Pogorevc (CEO Helvetic Airways), Martin Ebner (Inhaber Helvetic Airways), Evandro Didonet (Botschafter Brasiliens in der Schweiz) und Bruno Jans (ex-CEO und jetzt Projektleiter, Helvetic Airways). Foto: JCR

Erstaunliche Attacke von Ebner

Zuvor sorgte Ebner aber noch mit pointierten Aussagen für Staunen bei den Journalisten. Als es darum ging, wie Helvetic Airways die Pandemiezeit überstanden hatte, wies Ebner darauf hin, dass man bei der Partnerwahl bewusst auf den stärksten Partner - die Lufthansa Group - gesetzt hatte, während die eigene Gesellschaft mi Eigenkapital abgesichert wurde. Als dann die Krise und die grosse Ticketpreis-Rückforderungswelle kam, sei Ebner erstaunt gewesen, dass die Swiss «zahlungsunfähig» war und es sei deutlich geworden, wie stark die Airlines «auf dem Buckel der Passagiere leveraged», also verschuldet, seien. Helvetic Airways habe in der Folge auf einen substanziellen Vertrag mit Swiss verzichtet, also auf Verpflichtungen für bereits gebuchte Kapazitäten, um der Swiss die Rückzahlungen zu vereinfachen. Laut Ebner handelte es sich um einen «Millionenbetrag», der à fonds perdu erlassen wurde.

Umso mehr fuxte es ihn, dass die Swiss in der Folge die Wet-Lease-Produktion von acht auf vier Helvetic-Maschinen reduzierte. Aus Sicht von Ebner ein «Vertragsbruch», welcher die Probleme von Helvetic Airways während der Pandemie verschärfte. Helvetic selber hatte nämlich den Reiseveranstaltern innert zwei Wochen alle Ticketkosten erstattet, und sämtlichen individuellen Passagieren innert vier Wochen. Dies, mit der reduzierten Wet-Lease-Produktion und den Kosten für herumstehende Flugzeuge in Dübendorf, Bern und Zürich, schaffte einen massiven «Money Drain».

Die Konsequenz? Die Helvetic Group reduzierte die Lease-Raten für die E2 zugunsten der Helvetic Airways massiv und für eine Dauer von 18 Monaten, dazu wurde Kurzarbeit eingeführt, aus welcher das Unternehmen allerdings noch im März dieses Jahres komplett heraustreten wird. Staatliche Unterstützung wurde, im Gegensatz zu vielen anderen Airlines, nicht angefordert. Bereits im April 2020 hatte Ebner zugesagt, dass er die Liquidität des Unternehmens absichern werde. Es bewährte sich zudem, dass Helvetic bei der Beschaffung der neuen Embraer-Jets ausschliesslich auf Finanzierung mit Eigenmitteln gesetzt hatte. CEO Tobias Pogorevc erklärte daraufhin, man sei «mit Hilfe des Eigentümers gut durch die Krise gekommen.»

Das genau richtige Flugzeugmodell

«Gut» heisst in diesem Zusammenhang aber nicht «problemlos». Im April 2020 mussten bekanntlich infolge einer Flottenreduktion zehn Piloten entlassen werden. Aktuell beschäftigt Helvetic Airways 383 Personen: 141 Piloten, 160 Crew-Mitglieder, 51 Maintenance-Mitarbeitende und 31 Personen im Backoffice. Zu Spitzenzeiten waren es mal 450 Personen. Dahin wird es aber wohl zurückgehen: Pogorevc versicherte, dass man aktuell noch rund 40 Personen suche, primär für den Flugbereich, aber auch für die Maintenance. Dabei machte er auch gleich etwas Werbung für den Job bei Helvetic Airways und sprach vom «familiären Spirit» im Unternehmen, von den flexiblen Arbeitszeitmodellen und den vielfältigen Karrierechancen innerhalb des Unternehmens. Dazu verfüge man über nahe gelegene beste Trainingsoptionen - zum Beispiel auf dem E2-Simulator im Lufthansa Training Centre in Opfikon (Travelnews berichtete).

Beim Blick in die Zukunft konnte Pogorevc dann diverse positive Aspekte hervorstreichen. Zum einen verfügt Helvetic Airways über die drittjüngste Flotte Europas. Mit vier Embraer E190 (112 Sitze), 8 Embraer E190-E2 (110 Sitze) und 4 Embraer E195-E2 (134 Sitze) verfüge man über eine optimale Flotte, von der Grösse und Modernität her, aber eben auch unter Umweltschutz- und Lärm-Gesichtspunkten. Die E2 ist schon viel sparsamer als die E190, wobei sich dieser Vergleich gegenüber vielen gängigen Flugzeugtypen noch verbessert. Ebenso verhält es sich beim Lärm: Bei einem Takeoff auf dem Runway 28 am Flughafen Zürich ist der «Lärmkorridor» (also der Bereich, in welchem das Flugzeug klar hörbar ist) bei der E190-E2 gerade mal 67,5 QUadratkilometer gross, bei einem A319 aber 93,5 km2 und bei einem A320 gar 116,7 Quadratkilometer. Sprich, es sind mit diesen Flugzeugtypen mehr Personen im Raum Zürich vom Lärm betroffen.

Pogorevc geht davon aus, dass auch am Flughafen Zürich Gesellschaften mit leiseren Flugzeugen dereinst bessere Konditionen erhalten werden. Dies, gepaart mit den treibstoffeffizienten Modellen - in diesen Zeiten steigender Ölpreise besonders wichtig - sowie der Möglichkeit, «schwierige» Flughäfen wie London-City oder Leipzig anzufliegen, bringt Helvetic Airways in eine gute Ausgangslage. Mit Swiss hat man sich bereits weitgehend geeinigt: Ab Sommerflugplan 2022 betreibt Helvetic Airways als langfristige Basisabnahme sechs Flugzeuge für Swiss. Verhandlungen laufen im Hintergrund zwar noch, aber das ist die Ausgangslage, wobei neu auch die E195-E2 für Swiss zum Einsatz kommen können. Die insgesamt 15 Jahre andauernde Partnerschaft mit Swiss, obwohl zuletzt etwas strapaziert, funktioniert also. Pogorevc erklärte, für Swiss bediene man Ziele, welche Swiss selber nicht anfliegen kann. Allerdings geht dies auch darüber hinaus - der Flug von Travelnews nach Budapest letzte Woche war bei Swiss gebucht, geflogen wurde aber mit Helvetic.

Helvetic Airways hat darüber hinaus das Flight Dispatch und die Crew Control für die Fluggesellschaften Zimex und People's übernommen, und viel in eine moderne IT-Infrastruktur investiert. Darüber hinaus wurde auch das IOSA-Audit wieder durchgeführt und bestanden (zertifiziert bis Februar 2024). Das ist Vorgabe, um im Codeshare mit anderen Airlines fliegen zu dürfen. Mehrere Airlines konnten dies während der Pandemie nicht tun und haben ihre IOSA-Zertifizierung verloren. Mit ein Grund, weshalb aktuell lediglich Helvetic Airways für die Lufthansa Group im Wet-Lease fliegt.  

Fazit

Was heisst dies alles nun? Martin Ebner erklärte, seine Ertragsprognosen für Helvetic hätten sich zwar nicht bestätigt, doch «die Rechnung geht auf». Dies etwa, weil die sparsamen Flugzeuge infolge der steigenden Kerosinpreise mehr Wert haben. Überdies sei man für die kommende Zeit - für welche Ebner die Pleite von diversen Airlines und auch Leasinggesellschaften prophezeit - gut aufgestellt.

Da wären eben die Wet-Leases mit der Swiss, dazu ist man im Chartergeschäft aktiv. Mit Hotelplan, TUI und Universal geht es ab Zürich nach Mallorca, Kos, Heraklion, Larnaka, Antalya und Prishtina, ab Bern nach Mallorca, Kos, Heraklion, Rhodos und Larnaka. Dazu gibt es wöchentliche Flüge ab Sion nach Mallorca mit Buchard Voyages. Im Linienfluggeschäft ist Helvetic dieses Jahr allerdings nicht aktiv.

Pogorevc weist darauf hin, dass man dafür stärker im Bereich «Special Charter Flights» sei und dieser inzwischen ein wichtiges Umsatz-Standbein sei. Hier ist die Rede nicht nur von den medial stärker beachteten Flügen von Flugzeugmannschaften an Spiele (wie das beispielsweise mit Europacupspielen von YB der Fall war), sondern auch mit viel Geschäftsreise-Fliegerei. Gegenüber Travelnews erklärt Pogorevc, man habe infolge der hohen Nachfrage bei Privatjets eine ideale Alternative für Geschäfts- und Bedarfsfliegerei dargestellt, und sei oft für Firmen oder gar Gruppen von Privatpersonen unterwegs gewesen.

Helvetic Airways hat also in Sachen Flottenplanung, Eigenfinanzierung und Krisenmanagement sicherlich vieles richtig gemacht, natürlich gepaart mit etwas Glück im Unglück - wer konnte schon die Pandemie vorhersehen? - und sieht sich gut gerüstet für die weitere Zukunft in der immer noch volatilen Luftfahrt.

Der Stolz von Helvetic Airways: Eine von vier Embraer E195-E2, in diesem Fall die HB-AZK. Bild: JCR