Flug

Boeing hat den Piloten Flugsimulator-Trainings mit den neuen 737-Max-Jets verweigert. Nur einen von vielen Fehlern, die der Hersteller begangen hat. Bild: NWI

Der tiefe Fall von Boeing

Netflix veröffentlichte am 18. Februar 2022 die Dokumentation «Downfall». Auf eindrückliche Weise wird der Skandal um die beiden Abstürze der Boeing 737 Max beleuchtet.

Innert weniger Monate sind 2018 und 2019 zwei Flugzeuge des Typs Boeing 737 Max abgestürzt. Die beiden Unfälle haben 346 Menschenleben gekostet. Der erste Absturz geschah am 29. Oktober 2018 auf dem Weg von Jakarta nach Pangkal Pinang, der grössten Stadt der indonesischen Insel Bangka. Durchgeführt wurde der Flug von der Billig-Fluggesellschaft Lion Air. Nur wenige Monate später starben bei einem Absturz am 10. März 2019 des gleichen Flugzeugtyps von Ethiopian Airlines auf dem Weg von Addis Abeba nach Nairobi 157 Personen.

Die beiden Ereignisse erschütterten die Welt. Lange Zeit war unklar, wer für die Abstürze verantwortlich ist. Nun hat Netflix in ihrer neuen Dokumentation «Absturz - Der Fall gegen Boeing» die Unglücke und Hintergründe noch einmal aufgearbeitet. Durch den Film führt der Journalist Andy Pasztor. Aber auch die Angehörigen der Piloten und Absturzopfer kommen zu Wort.

Mittlerweile ist klar, dass beide 737-Abstürze durch die fehlerhafte Konstruktion des MCAS (Maneuvering Characteristics Augmentation System), verursacht wurden, das nach dem Empfang von Daten eines fehlerhaften Sensors fehlzündete und die Nase des Flugzeugs wiederholt nach unten drückte, obwohl die Piloten verzweifelt versuchten, sie wieder nach oben zu bringen. Ihre Bemühungen waren zum Scheitern verurteilt. Boeing hatte die Piloten in die unmögliche Lage versetzt, innerhalb von zehn Sekunden ein System ausser Kraft setzen zu müssen, von dessen Existenz sie nichts wussten. MCAS wurde weder im Piloten- noch im Cockpit-Handbuch des Flugzeugs erwähnt. Boeing hatte sich sogar gegen diejenigen gewehrt, die vor dem Flug mit dem neuen Jet ein Flugsimulator-Training beantragt hatten, um die Federal Aviation Administration über die Bedeutung des Systems zu täuschen und die Startfreigabe für den meistverkauften Jet zu erhalten. Die Ermittler deckten schliesslich einen Nachrichtenaustausch zwischen Boeing-Mitarbeitern auf, in dem sie die Aufsichtsbehörden beleidigten. Am Ende ging es darum, die Boeing-Aktienkurse in die Höhe zu treiben.

Das Leiden der Angehörigen

Noch viel Eindrücklicher ist aber, wie die Angehörigen der Opfer unter den Falschaussagen von Boeing gelitten haben. Zu Wort kommt unter anderem die Ehefrau einer der verunglückten Lion Air Piloten. Zu Beginn schob der Flugzeughersteller die Schuld für den Absturz nämlich auf «menschliches Versagen». Es wurde eine aggressive Kommunikation vom Unternehmen gestartet.

Auch der Vater einer abgestürzten und sehr jungen Mitreisenden auf dem Flug ET302 in Afrika zeigt sich erschüttert darüber, dass der Unglücks-Flugzeugtyp nach zwei Abstürzen und über 300 Toten nicht aus dem Verkehr gezogen wird. Erst als China als erstes Land ein Flugverbot erteilte, zogen zahlreiche andere Länder rund um den Globus nach. Auch der ehemalige US-Präsident Donald Trump hat ein Landeverbot in den USA ausgesprochen. Die US-Luftfahrtbehörde kam ebenfalls in die Kritik. Es wurde ihr vorgeworfen, ungenügende Kontrollen bei Boeing durchgeführt zu haben.

Mittlerweile wurden die Boeing-Probleme behoben, der Fluzeugtyp 737 Max ist wieder am Himmel. Dennoch hinterlassen die Dokumentation, die 86 Minuten dauert, einen bitteren Nachgeschmack und rüttelt auf. Förderlich für die Reputation des Unternehmens ist der Film sicherlich nicht und auch das Vertrauen in den Flugverkehr wird dadurch nicht gestärkt.

(NWI)