Flug
Geteilte Meinungen über EU-Slot-Regelung
Normalerweise müssen Airlines an europäischen Flughäfen 80 Prozent ihrer Slots nutzen, damit sie diese behalten können. Als Slots werden die Zeitfenster für Starts und Landungen bezeichnet, welche die Fluggesellschaften erwerben müssen, damit sie überhaupt operieren können. Zu Beginn der Pandemie, als der Flugverkehr praktisch brach lag, hat die EU-Kommission diese Regelung angepasst, um unnötige Leerflüge zu vermeiden. Der Wert wurde zunächst auf 25 und aktuell bis Ende Februar auf 50 Prozent festgesetzt.
Obwohl die Virusvariante Omikron gerade um sich schlägt, hat die EU-Kommission Mitte Dezember die neue Slot-Regelung nach offiziellem Beschluss bekannt gegeben, welche ab März 2021 gelten soll: Die Airlines müssen ab diesem Zeitpunkt 64 Prozent der Zeitfenster während des Sommerflugplans an den Flughäfen nutzen, um die Start- und Landerechte nicht zu verlieren. Bei der Entscheidung berücksichtigte die Kommission gemäss eigenen Aussagen die Luftverkehrsprognosen von Eurocontrol und die Entwicklungen seit Beginn der Pandemie.
Das sorgte teilweise für Aufschreien bei den involvierten Playern. Lufthansa-Chef Carsten Spohr etwa prognostizierte über die Wintermonate 18'000 Leerflüge für die gesamte Gruppe. «Während man in fast allen anderen Teilen der Welt klimaschonende Ausnahmeregelungen in der Zeit der Pandemie gefunden hat», erlaube die EU das «nicht in gleicher Weise», sagte er kürzlich.
Es gibt Ausnahmen
Damit die Airlines ihre Slots nicht um jeden Preis nutzen müssen, gibt es angesichts der anhaltenden Pandemie Ausnahmeregelungen. Fluggesellschaften können die Nichtnutzung von Strecken geltend machen, die von Corona-Massnahmen stark betroffen sind. Das wird als sogenannte «Justified Non-Use of Slots» (JNUS) bezeichnet. Dazu gehören beispielsweise Quarantänepflichten für Reisende, Reiseverbote, sinkende Passagierzahlen oder ein Lockdown. In diesen Fällen verlieren die Airlines ihre Slots also auch dann nicht, wenn sie aktuell die vorgegebenen 50 Prozent bzw. ab März 2022 die 64 Prozent nicht erfüllen.
Der Flughafenverband ACI EUROPE hat sich in einem Statement auf die Seite der Europäischen Kommission gestellt. «Die Fluggesellschaften sind mit einem deutlich reduzierten Schwellenwert für die Nutzung von Zeitnischen und einer speziellen Bestimmung für sich ändernde Umstände, wie sie die Omikron-Variante darstellt, sehr gut vor den derzeitigen Unwägbarkeiten geschützt», heisst es in einer Mitteilung. Der Verband verstehe nicht, weshalb die Problematik mit Geisterflügen jetzt diskutiert werde. Als Geisterflüge würden nämlich Flüge bezeichnet, die von den Fluggesellschaften freiwillig und ausschliesslich zum Zweck durchgeführt werden, die Rechte an ihren Zeitnischen zu behalten. Dementsprechend werden Geisterflüge nicht zum Verkauf angeboten, befördern keine Fluggäste und bringen den Fluggesellschaften keine Einnahmen. Umgekehrt können Flüge, die zum Verkauf angeboten werden, Fluggäste befördern und den Fluggesellschaften Einnahmen bringen, nicht als Geisterflüge angesehen werden.
«Einige Fluggesellschaften behaupten, sie seien gezwungen, viele Leerflüge durchzuführen, um die Nutzungsrechte an den Flughäfen zu behalten. Es gibt absolut keinen Grund, warum dies die Realität sein sollte. Wie die Europäische Kommission auf ihrer gestrigen Pressekonferenz klar zum Ausdruck brachte, müssen die Regeln für die Nutzung von Zeitnischen unter den gegenwärtigen Umständen zwei Dinge erreichen. Erstens sollen sie die Fluggesellschaften vor den schlimmsten Unwägbarkeiten schützen, die wir nicht beeinflussen können. Zweitens, und das ist entscheidend, muss sichergestellt werden, dass die Flughafenkapazitäten weiterhin wettbewerbsorientiert genutzt werden», erklärt Olivier Jankovec, Generaldirektor von ACI EUROPE.
Billigairlines fordern vollen Wettbewerb
Auch die ungarische Billigfluggesellschaft Wizzair stellt sich gemäss einem Artikel von «rbb24» auf die Seite der EU-Kommission. Die Airline forderte demnach bereits im Juli, dass die EU zu der alten Regelung ausnahmslos zurückkehren sollte. Wenn die etablierten Airlines nicht leer fliegen wollen, müssen sie eben Slots abgeben, so Wizzair. Die derzeitige Regelung bevorzuge Konzerne «mit einem schwachen Geschäftsmodell und einem anhaltendem Hang zu schlechtem Kostenmanagement». Wizzair selbst würde gern an einigen beliebten Flughäfen öfter landen und starten, hat aber momentan keine Chance auf weitere Slots.
Generell hätten sich die Billigairlines «schnell an die neue Realität angepasst und oft eine Aktivität nahe dem Niveau von 2019 erreicht», sagte EU-Kommissarin Adina Vălean in einem Interview mit der «Financial Times». Die Low-Cost-Carrier sahen in der Krise ihre Chance für neue Start- und Landerechte und drängten auf den vollen Wettbewerb.