Flug

Leitet seit April 2021 das Frachtgeschäft der Swiss: Lorenzo Stoll. Bild: LX

Der Cargo-Effekt

Gregor Waser

Dank einem boomenden Frachtgeschäft kann die Swiss die Anzahl Langstrecken-Destinationen für Passagiere hochhalten. Lorenzo Stoll, Head of Swiss WorldCargo, äussert sich zur Herausforderung, auf gemischten Flügen sowohl Fracht wie auch Passagiere zu transportieren.

Herr Stoll, wie hat sich das Luftfrachtgeschäft der Swiss in diesem Jahr entwickelt?

Lorenzo Stoll: Wir haben mit dem Luftfrachtgeschäft bisher gute Ergebnisse erzielt. Genaue Zahlen für unsere einzelnen Geschäftsbereiche geben wir zwar nicht bekannt, aber Swiss WorldCargo verzeichnet weiterhin eine hohe Nachfrage nach Luftfracht bei reduzierter oder verringerter Kapazität. Im Laufe des Sommers haben sich die Passagierzahlen wieder etwas stabilisiert und auch die Nachfrage nach Fracht ist stark geblieben.

Mit welchen Markteigenheiten haben Sie es derzeit zu tun?

Globale wirtschaftliche Phänomen haben unmittelbare Auswirkungen auf unser Geschäft. Der Stau bei Containerschiffen, Verzögerungen bei der Durchfahrt des Suezkanals und andere Engpässe führen zu einem Rückstau in der gesamten Logistikbranche. Wir, als Teil der Luftfrachtbranche müssen hier unterstützen wo wir können, um die globalen Lieferketten aufrechtzuerhalten.

Welche Güter werden derzeit vermehrt per Luftfracht befördert?

Einfach ausgedrückt sind dies Güter, bei deren Transport Schnelligkeit erforderlich ist. Swiss WorldCargo konzentriert sich insbesondere auf sogenannte «care-intensive» Güter, also solche, bei denen eine besondere Sorgfalt geboten ist. Darunter fallen ganz unterschiedliche Güter, unter anderem natürlich pharmazeutische Produkte und Arzneimittel, die kühl gelagert werden müssen. Es kann sich aber auch um Valoren handeln, die besondere Sicherheitsstandards benötigen oder Maschinenteile, Kleidung, frische Lebensmittel oder Waren aus dem E-Commerce-Bereich. Seit Beginn der Pandemie transportieren wir zudem sehr viel medizinisches Schutzmaterial, wie zum Beispiel Masken. Ausserdem durften wir diverse Charter-Flüge mit Hilfsgütern im Auftrag des DEZA nach Hanoi, Jakarta, Delhi, Bangkok und Colombo durchführen.

«Bei einem gemischten Flug sind wir durch Gewichtsvorgaben eingeschränkt und müssen zwischen Passagieren, Gepäck und Fracht abwägen.»

Passagier-Langstreckenflüge werden nun häufiger dazu genutzt, auch Fracht zu befördern. Welche Herausforderung stellen solche Mischflüge für Sie dar bezüglich Platzverhältnissen?

Dies kann eine ziemliche Herausforderung sein, da Passagierflugzeuge für die Beförderung von Passagieren ausgelegt sind. Bei einem gemischten Flug sind wir durch Gewichtsvorgaben eingeschränkt und müssen zwischen Passagieren, Gepäck und Fracht abwägen. Um das Ladevolumen zu steigern, haben wir auf zwei unserer Boeing 777 die Sitze entfernt, so dass diese Flugzeuge als «Nur-Frachtflugzeuge» fliegen können. Dadurch wird das Flugzeug jedoch so umgebaut, dass es nicht mehr als Passagierflugzeug eingesetzt werden kann.

Arbeiten Sie derzeit nun generell enger zusammen mit der Swiss-Streckenplanung zur Abstimmung der Bedürfnisse?

Auch in der Vergangenheit haben wir schon immer eng mit unseren Kolleginnen und Kollegen von der Netzentwicklung zusammengearbeitet, um Strecken zu finden, die sowohl für Passagiere als auch für Fracht besonders interessant sind. Seit dem Ausbruch der Pandemie haben wir die Zusammenarbeit weiter intensiviert, weil wir begonnen haben, mehrere Destinationen als reine Frachtstrecken anzubieten. Dabei handelt es sich um Destinationen, die ausserhalb unseres traditionellen Streckennetzes liegen, das heisst, wir haben sie bisher nicht mit Passagieren angeflogen.

Ist der aktuelle Cargo-Effekt nachhaltig? Oder erwarten Sie, dass sich das Cargo-Geschäft wieder auf das Niveau und die herkömmlichen Transportrouten vor Corona zurückentwickeln wird?

Die Fracht spielt für Swiss seit jeher eine wichtige Rolle und trägt zum Unternehmenserfolg bei. Momentan ist es aber schwer zu sagen, ob die derzeitige Nachfrage auch in Zukunft so stark bleiben wird, insbesondere wenn die weltweiten Kapazitäten wieder auf das Niveau von 2019 zurückkehren.