Flug

Viele Flugzeuge blieben in den letzten Monaten am Boden – auch viele Piloten. Verursacht die abhanden gekommene Routine mehr Fehler? Bild: TN

Eingerostete Piloten und weitere Probleme

Gemäss einer Allianz-Studie birgt die Pandemie-bedingte Pause im globalen Flugverkehr Risiken und Gefahren. Das sind die Pain Points.

Reaktivierungsrisiken, untrainierte Piloten, «Wut in der Luft»... Die neuen Herausforderungen für die Ailrines sind zahlreich. Der plötzliche Stillstand, der der Luftfahrtindustrie durch die Covid-19-Krise in den vergangenen anderthalb Jahren auferlegt wurde, habe die Branche hart getroffen, lautet das Fazit einer Studie von AGCS. Der Industrieversicherer gehört zur Allianz-Gruppe. Es geht um diese 9 Pain Points:

1. Eingerostete Piloten

Anfang dieses Jahres meldeten Dutzende von Piloten Fehler, wie etwa mehrere Landeversuche, an das Aviation Safety Reporting System der NASA. Als Grund gaben sie fehlende Flugpraxis an. Fluggesellschaften seien sich bewusst, dass ihre Piloten durch die lange Zeit am Boden aus der Übung gekommen sind, und ergreifen Massnahmen, um mögliche Risiken zu managen und zu mindern. «Es ist beruhigend, dass Airlines auf Risikomanagement-Prozesse zurückgreifen, die Flugreisen schon vor Covid-19 sicherer gemacht haben», sagt dazu Axel von Frowein, Regional Head of Aviation bei AGCS in Zentral- und Osteuropa. Die Rückkehr von Rundflügen in touristischen Destinationen könnte aber zu einem Anstieg des Risikos für kleinere Freizeitflugzeuge einschliesslich Helikoptern führen, insbesondere wenn es einen Zustrom neuer Piloten gibt, die mit den Routen und dem Terrain nicht vertraut sind.

2. Air Rage

Wutausbrüche von Flugzeugpassagieren geben Anlass zur Sorge, insbesondere in den Vereinigten Staaten, hält die Studie weiter fest. Im Durchschnitt gibt es etwa 150 Berichte über Störvorfälle von Passagieren in Flugzeugen. Bis Juni 2021 waren es laut der Federal Aviation Administration 3000 – die meisten davon betrafen Passagiere, die sich weigerten, eine Maske zu tragen.

3. Parkierte Flotten

Obwohl ein grosser Teil der weltweiten Airline-Flotte während Covid-19 parkiert wurde – und grösstenteils immer noch am Boden ruht – verschwinden die Schadenrisiken nicht. Sie verändern sich nur. Parkierte Flotten können Wetterereignissen ausgesetzt sein. Im Mai 2021 wurden beispielsweise mehrere stillstehende Boeing 737 Max 8 in Texas durch golfballgrossen Hagel beschädigt. Auch das Risiko von Rangier- oder Bodenzwischenfällen steigt. Zu Beginn der Pandemie gab es eine Reihe von Kollisionen, als die Betreiber die Flugzeuge in die Lagereinrichtungen brachten.

4. Pilotenmangel

Die globale Luftfahrtindustrie steht gemäss AGCS mittel- bis langfristig vor einem Pilotenmangel, so seltsam dies aktuell klingen möge. Der enorme Anstieg des Flugverkehrs vor der Pandemie bedeutete, dass die Nachfrage nach Piloten das Angebot bereits überstieg. In den kommenden zehn Jahren werden mehr als eine Viertelmillion Piloten benötigt. «Engpässe können dazu führen, dass Piloten mit wenig Erfahrung und einer geringen Zahl von Flugstunden Verkehrsflugzeuge fliegen», sagt Axel von Frowein.

5. Höhere Schadenskosten

Flugzeuge der neuen Generation bringen mehr Sicherheit, aber höhere Kosten. Die Pandemie hat einen Generationswechsel zu kleineren Flugzeugen beschleunigt, da in Zukunft weniger Passagiere in den Flugzeugen erwartet werden. Eine Reihe von Fluggesellschaften hat deshalb bereits im vergangenen Jahr ihre Flotten verkleinert oder Flugzeuge ausgemustert. Flugzeuge der neueren Generation bringen Vorteile bei der Sicherheit und Effizienz, hält AGCS fest. Allerdings sind neue Materialien wie Verbundwerkstoffe, Titan und Legierungen teurer in der Reparatur, was zu höheren Schadenskosten führt.

6. Mehr Frachtverkehr

Der Passagierverkehr wurde durch die Pandemie stark beeinträchtigt. Immerhin hat sich der Luftfrachtverkehr positiver entwickelt. Dieses Wachstum ist zurückzuführen auf verbesserte Geschäftsaussichten, Wachstum des E-Commerce sowie die Überlastung der Seehäfen und Containerschifffahrt. AGCS erwartet, dass sich die Luftfracht weiterhin stark entwickeln wird.

7. Fragezeichen um Geschäftsreisen

Es sei fraglich, wie sich Geschäftsreisen mittelfristig entwickeln. Neue Formen der Zusammenarbeit, wie etwa Videokonferenzen, haben sich als effektiv erwiesen; zudem streben immer mehr Unternehmen eine Reduzierung der Geschäftsreisen an, um ihre Klimabilanz zu verbessern. Daher wird es zwar einen anfänglichen Reiseschub geben, sobald die Reisebeschränkungen weltweit enden, aber viele Fluggesellschaften bereiten sich auf einen langfristigen Paradigmenwechsel beim Reisen vor. Insgesamt wird erwartet, dass Geschäftsreisen nur langsam wieder an Fahrt aufnehmen.

8. Viele neue Routen

2021 tauchen 1400 neue Flugrouten auf, alleine in Europa 600. «Diese Entwicklung spiegelt den Wunsch einiger Fluggesellschaften wider, in unsicheren Zeiten zu experimentieren, insbesondere gilt das für kleinere Fluggesellschaften», sagt Axel von Frowein. «Neue Routen bedeuten einen weniger überfüllten Luftraum und Staus an den Flughäfen, was sich positiv auf Risiken wie Zwischenfälle bei der Bodenabfertigung auswirken kann. Allerdings kann das Fliegen neuer Routen auch ein erhöhtes Risikoumfeld mit sich bringen.»

9. Achtung: Insektenbefall

Es gab eine Reihe von Berichten über unzuverlässige Fluggeschwindigkeits- und Höhenmessungen während der ersten Flüge, nachdem einige Flugzeuge das Lager verlassen haben. In vielen Fällen wurde das Problem auf unentdeckte Insektennester in den Pitot-Rohren des Flugzeugs zurückgeführt; dabei handelt es sich um druckempfindliche Sensoren, die Daten an einen Avionik-Computer liefern. Solche Vorfälle haben zu Startabbrüchen und der Rückkehr zum Flughafen geführt. Das Risiko eines Tierbefalls steigt, wenn die Richtlinien für die Einlagerung nicht eingehalten werden.

(GWA)